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007 Legends: Hey Kellner, bitte noch einen Martini…

Nanu, ein neues Bond-Spiel und noch dazu ein Ego-Shooter? Das kann ja nur für Unmengen an Spaß stehen – zumindest auf dem Nintendo 64. Im Sektor der elektronischen Unterhaltung schaffte es der smarte Agent mit der Vorliebe für schöne Frauen, schnelle Autos und trockene Martinis leider noch nicht, ähnliche Begeisterungsstürme wie vor 15 Jahren auszulösen. Dank Skyfall ist der Mann mit der Lizenz zum Töten auch wieder auf der Leinwand präsent, aber besticht Activisions Titel 007 Legends mit ähnlicher Qualität?

James Bond: Greatest Hits (1964-2012)

007 Legends basiert nicht auf einer einzelnen Spielfilmvorlage, sondern versammelt die denkwürdigsten Momente aus ausgewählten Streifen. Kapitel aus Goldfinger, Im Geheimdienst ihrer Majestät, Lizenz zum Töten, Moonraker – Streng geheim und Stirb an einem anderen Tag sind auf der Disc enthalten, ein Missions-Paket zum aktuellen Kassenschlager Skyfall ist als kostenloser Download erhältlich. Hier beginnt auch die Kampagne, als sich Bond in Istanbul eine Kugel einfängt. Schwer verletzt stürzt er in einen Fluss, dort zieht vor seinem geistigen Auge noch einmal sein bisheriges Leben vorbei. Wo bei anderen Menschen die Erinnerungen an langweilige Familientreffen oder die erste Fahrstunde abgerufen werden, spielen sich im Kopf des MI6-Agenten ganz andere Szenen ab, nämlich die Schlüsselszenen aus den oben erwähnten Filmen. Und so dauert es keine fünf Minuten nach Beginn des Intros, bis eine Variation des markanten Goldfinger-Themes ertönt. Nach und nach spielt ihr euch durch die Highlights der erwähnten Spielfilme, wie zum Beispiel den Angriff auf Fort Knox oder das Duell mit Gustav Graves. Dass die Herren Brosnan, Connery, Dalton, Lazenby und Moore mal eben mit dem Fleisch gewordenen Schlafzimmerblick Daniel Craig ersetzt worden sind, stellt schon einen Akt der mittelschweren Blasphemie dar. Einerseits dürfte dies eine Copyright-Angelegenheit sein, vor allem versucht man die Filme aus Gründen der Kontinuität in den sechs Jahren zwischen Ein Quantum Trost und Skyfall anzusiedeln. Das erklärt dann auch offensichtliche Anachronismen, wie dass Bond schon in den eigentlich in der Zeit des Kalten Krieges stattfindenden Kapiteln ein ausgebufftes Agenten-Smartphone mit sich in den Einsatz führt. Damit werden elektronische Geräte gehackt, Fotos geknipst und forensische Daten gesammelt. Den Großteil der Spielzeit werdet ihr aber mit Feuergefechten gegen ewig gleich aussehende Handlanger verbringen.

Ich wäre gerne Snake, Solid Snake!

Neben dem Schwierigkeitsgrad wählt ihr zu Beginn auch aus, ob ihr entweder "modern" mit selbstständig regenerierender Gesundheit oder "klassisch" mit Medipacks spielen wollt. Das hat tatsächlich mehr Einfluss auf den Anspruch als die Wahl des eigentlichen Schwierigkeitsgrades und führt vor Augen, wie verweichlicht man nach dem Spielen von Halo, Call of Duty & Co. geworden ist. Bis zu drei Waffen plus Granaten kann Bond tragen, eure aktuelle Waffe darf jederzeit gegen einen auf dem Boden liegenden Schießprügel eingetauscht werden. Steht ihr dem Gegner direkt gegenüber, könnt ihr ihn mit dem rechten Analogstick mit einem Martial-Arts-Move unschädlich machen. Abseits des geistlosen Geballers hat man sich bemüht, Stealth-Gameplay zu einem wichtigen Bestandteil zu machen. In der Regel ist die Leisetreter-Nummer optional, hin und wieder wird aber von euch verlangt, einen Abschnitt unerkannt zu passieren, ansonsten wird die Mission als fehlgeschlagen abgehakt. Das mag an dieser Stelle gar nicht so übel klingen, aber hierbei hat Entwickler Eurocom kein glückliches Händchen bewiesen. Auch wenn ihr entdeckt wurdet, verfallen die Gegner nach kürzester Zeit wieder in den Normalzustand zurück. Selbst kleinste Fehler werden sofort bestraft und kommen wegen des etwas undurchschaubaren HUDs beim Schleichen immer wieder vor. Ausgeknockte Körper lassen sich nicht wegschaffen, im Zweifelsfall könnt ihr genauso gut jede Wache im Raum einfach umnieten, das spart Zeit und Nerven. Anders sieht es aus, wenn ihr zum Schleichen gezwungen seid. Diese Abschnitte werden schnell frustrierend, wenn ihr regelmäßig vom letzten Kontrollpunkt starten müsst. Durch die Ego-Perspektive habt ihr eure Umgebung nicht gänzlich im Blick, ein Radar wie in Metal Gear Solid wäre die sinnvollste Lösung. Die KI macht wie erwartet nicht den hellsten Eindruck. Verschanzt euch einfach in einer halbwegs sicheren Ecke und beobachtet in den nächsten Minuten, wie die Gegner einer nach dem anderen blindlings auf euch zugestürmt kommen. Auf eurem Weg von der einen Zielmarkierung zur nächsten machen euch die Gegner nur wegen ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit zu schaffen.

In dämlicher Mission

Haltet ihr detailarme Lagerhallen für das Nonplusultra in Sachen Leveldesign? Nein? Gut, dann kann euch 007 Legends auch in dieser Hinsicht nicht vom Hocker reißen. Viele der zunächst optisch ansprechenden Settings aus den Filmvorlagen werden in ökonomisch kompakte Schlauchlevels konvertiert, wie man sie schon seit Jahrzehnten kennt. Hier und da dürft ihr von dem tapsigen Deckungssystem Gebrauch machen, aber besonders mit den modernen Gesundheitseinstellungen ist das überflüssig. Ähnlich den Perks in COD könnt ihr in den Missionen Erfahrungspunkte sammeln, mit denen ihr euch Upgrades für eure Waffen erkauft. Laserpointer, größere Magazine und Zielfernrohre erlauben eine Anpassung an die eigene Spielweise, pro Knarre dürfen bis zu drei der Extrateile angebracht werden. Erfüllt ihr in der laufenden Mission die eingeblendeten Sekundärziele, bekommt ihr einen XP-Bonus gutgeschrieben, dasselbe gilt, wenn ihr ein Kapitel besonders schnell oder mit hoher Zielgenauigkeit abschließt. Natürlich dürfen auch keine Verfolgungsjagden mit miserablem Fahrverhalten und Abschnitte am stationären Geschütz eines Helikopters fehlen, die neben dem bereits erwähnten Stealth-Desaster ein weiterer verzweifelter Versuch sind, in der knapp bemessenen Entwicklungszeit zumindest etwas Abwechslung einzubringen. Der Nullpunkt des Spielspaßes wird in den aus der Ich-Perspektive ablaufenden Faustkämpfen erreicht, die in ähnlicher Form schon in Spielen wie Spider-Man: Dimensions oder der ebenfalls von Eurocom stammenden Lizenz-Gurke Pirates of the Caribbean: At World's End vorkamen. Nicht nur nehmen diese Konfrontationen in ihrer antiklimatischen Art das Tempo aus dem Spielverlauf, euch wird vor allem genauestens gezeigt, was ihr wann drücken müsst. Anspruchsloser kann ein Bosskampf kaum ausfallen.

Der Spion, der mich zum Facepalmen brachte

Daniel Craig hat zwar sein Antlitz für das Spiel freigegeben, seine Stimme konnte (oder wollte?) er dem virtuellen 007 jedoch nicht leihen. Originalsprecher hat man trotzdem ein paar engagieren können, etwa Judi Dench als M, Michael Lonsdale als Hugo Drax oder Carry Lowell als Pam Bouvier. Zwar lockt das Cover mit Screenshots aus den Filmvorlagen, zu sehen bekommt ihr ausschließlich Cutscenes in Spielgrafik. Kino-Atmosphäre mag bei den minimalistischen Gesichtsanimationen und furchtbar asynchron eingesprochenen Texten nicht aufkommen, zumal hier immer noch dieselbe Grafik-Engine wie in dem 2010 erschienenen 007 GoldenEye zum Einsatz kommt. Ständiges Tearing wird wohl kaum als Pluspunkt für die betagte Optik durchgehen, manche Passagen könnten fast als Titel aus der letzten Generation durchgehen. Nur hat damals Electronic Arts als Lizenzinhaber deutlich bessere Produkte entwickelt. Lob muss jedoch für den Splitscreen-Multiplayer für bis zu vier Spieler am selben System ausgesprochen werden, dieses Feature wird dieser Tage oftmals schmerzlich vermisst. Nach knapp fünf Stunden habt ihr das dürftig zusammengeschnürte Potpourri aus Nostalgie und Frustration überstanden, Einzelspieler haben noch Zugriff auf diverse Challenges, in denen sich eure Fähigkeiten verbessern lassen. Wenn ihr genug Mitspieler findet, dürfen online bis zu acht Spieler ran. Hier stehen euch auch Blofeld, Oddjob, der Beißer und weitere erwähnenswerte Persönlichkeiten aus Bonds Geschichte als spielbare Charaktere zur Verfügung. Bonusmaterial gibt es höchstens in Form von öde aufgebauten Steckbriefen, sonst nichts. Zum Jubiläum hätte Mister Bond etwas Besseres verdient. Da werden auch noch so viele trockene Martinis nichts dran ändern.

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