Der Hype ist dank House of the Dragon wieder am Leben. Nachdem der größte Teil der Fangemeinde von der desaströsen finalen Staffel von Game of Thrones in alle Winde zerstreut wurde und niemand mehr so recht über das Thema sprechen wollte, kehrt das Fantasyphänomen nun in Form einer Prequelserie zurück. Und die erste Folge wurde bereits in höchsten Tönen gelobt.
Doch wie uns die Mutterserie schmerzlichst vor Augen geführt hat, lebt und stirbt ein Format wie HotD durch die Fähigkeit der Serienschöpfer*innen, die einzelnen Storyfäden zu verbinden und ein Finale aufzubauen, das als logische Konsequenz der bisherigen Handlung verstanden werden kann. Entsprechend sagt eine einzelne starke Folge noch nichts aus.
Daher war es dem Sender HBO wohl auch so wichtig, dass Kritiker*innen sich wirklich alle sechs zur Verfügung gestellten Episoden angucken, denn frühestens zum sechsten Abspann kann man ungefähr abschätzen, wohin sich das Format bewegt und wie die Gesamtqualität eingeschätzt werden kann. Zum Glück war unser Job aber selten einfacher, als sechs Folgen GoT gucken zu müssen.
House of the Dragon: Unsere spoilerfreie Serienkritik
Solltet ihr euch für die Rückkehr der Drachen begeistern, müsst ihr einiges an Geduld mitbringen, denn der Streaminganbieter WOW, auf welchem die erste der insgesamt zehn Folgen seit dem 22. August 2022 zu sehen ist, veröffentlicht pro Woche stets nur eine neue Episode. Das Geduldspiel der originalen Serie ist also ebenfalls wieder mit von der Partie.
Alle Informationen zur Handlung der Prequelserie, die knapp 200 Jahre vor den Ereignissen in „Game of Thrones“ spielt, zum Cast und was ihr sonst noch über „House of the Dragon“ wissen müsst, verraten wir euch in dem Artikel Start, Cast, Streaming-Diesnst – Round-up zum GoT-Ableger.
Was spricht gegen House of the Dragon?
Die erste Folge litt unter zwei sehr klaren Schwachstellen, die zwar nicht allzu schwer ins Gewicht gefallen sind, aber durchaus zu Bedenken geführt haben. Die Rede ist zum einen von dem beinahe schon zwanghaften Verhalten, immer und überall „Game of Thrones“ durchscheinen zu lassen. Sei es die Anspielung auf Daenerys, die erste Szene nach der Einleitung oder auch die Abspannmelodie.
Dieser Wunsch, das geneigte Zuschauer*innen sich sofort in die einst so geliebte Welt zurückversetzt fühlen, bleibt bis zur sechsten Folge bestehen, nimmt mit fortschreitender Handlung aber kontinuierlich ab. Was auch besser so ist, denn mit Blick auf Staffel 8 von GoT haben diese Parallelen und Anspielungen einen leicht bitteren Nachgeschmack.
Zum anderen leidet die Gesamtqualität von „House of the Dragon“ immer mal wieder unter dem sehr gehetzten Erzählstil, der zwar seinen angestrebten, vordergründigen Zweck erfüllt, manchmal aber Details vergisst. Obwohl Handlung und Charaktere mühevoll weiterentwickelt werden, gibt es teilweise zu große Sprünge und leicht verwirrende Überraschungen.
In vielerlei Hinsicht lässt sich dieser Effekt dadurch erklären, dass einige Szenen für sich sprechen und dankenswerterweise nicht jede Information für die Zuschauer*innen durchgekaut und wiedergegeben wird. Stattdessen sind es oftmals ein einzelner Blick, eine Geste oder die Wortwahl, die uns mehr über das verraten, was hinter dem Offensichtlichen versteckt liegt.
Doch manchmal scheint es einfach nur Faulheit zu sein. Oder ein Mangel an Einfallsreichtum. So oder so nimmt sich die Serie in seltenen Fällen nicht genügend Zeit, ein Plotdetail logisch auszuarbeiten, stattdessen wird man vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne den dazu (vielleicht) wichtigen Werdegang präsentiert zu bekommen.
Am Ende des Tages ist das zum Glück nicht wirklich dramatisch, denn im Grunde bleibt es bei genau diesen negativen Kritikpunkten und wenn die restlichen vier Folgen sich keine größeren Schnitzer erlauben, kann die erste Staffel von „House of the Dragon“ durchgehend genossen werden. Dafür gibt es zumindest reichlich Anhaltspunkte.
Was spricht für House of the Dragon?
Nach sechs von zehn Folgen können wir euch natürlich noch immer nicht versprechen, dass die restlichen vier Episoden ebenfalls mit dem vorgelegten Niveau mithalten können, doch es spricht einiges dafür. Denn obwohl „House of the Dragon“ bereits in der ersten Folge ordentlich auffährt, wird es danach im Grunde nur noch besser.
Die Figuren entfalten sich und zeigen ihre einzigartige Komplexität, die sie stark von den Charakteren der Mutterserie unterscheiden. Wirklich gute und wirklich böse Spieler*innen um den Thron scheint es nicht oder zumindest kaum zu geben, stattdessen bewegen sich beinahe alle in einem gelungenen Mix aus Grautönen, in ihrem eigenen Nexus aus Moralvorstellungen.
Die Serie, die euch in Folge 1 mitten in die Ereignisse wirft, baut die Welt und ihr komplexes System Folge für Folge auf und erweitert diese sowohl geschickt als auch sehr interessant. Nur selten wirken vereinzelte Details etwas zu aufgedrückt und scheinen eher der Agenda der Serienschöpfer*innen entstiegen zu sein als ein logischer Teil der Geschichte.
Dank dem hohen Niveau im World Building und den komplexen Charakteren kann die Serie beinahe schon nur durch die clever geschriebenen Dialoge und durch vereinzelte Schlüsselszenen zur Genüge überzeugen, doch im Zusammenspiel mit den treffsicheren Wendungen und dem teilweise sehr subtilen Erzählstil wird dieser positive Effekt noch deutlich gesteigert.
Unterm Strich gab es in den sechs Folgen maximal drei kurze Szenen, die nicht spannend oder clever waren. Die meisten Szenen sind hingegen sogar beides. Was zu guten Teilen auch den hervorragenden Schauspieler*innen zu verdanken ist, die allesamt einen überaus lobenswerten Job geleistet haben.
Besonders sollte Matt Smith als wankelmütiger Prinz Daemon Targaryen – eine Figur, die nicht nur sehr detailverliebt ausgearbeitet wurde, sondern von Smith auch noch punktgenau verkörpert wird – hervorgehoben werden. Wie viele andere Bauteile von „House of the Dragon“ auch, zeigt sich seine Komplexität aber erst in den späteren Folgen.
Zu all diesem wohlverdienten Lob kommen, genau wie beim Original, die exzellente Kulisse und die erstklassigen Kostüme hinzu. Nicht zu vergessen die Detailverliebtheit in beinahe jeder Szene. Das CGI ist zwar meist überdurchschnittlich gut, hat aber hier und dort gewisse Schwächen, in erster Linie dann, wenn komplexe Landschaften involviert sind.
Pro:
- Spannender Plot, voll mit ebenso spannenden Wendungen
- Komplexe Figuren, die sich nachvollziehbar entwickeln
- Große Detailverliebtheit bei einzelnen Szenen
- Starke Bildsprache, viele subtile Plotdetails
- Grandioses Bühnenbild und erstklassige Kostüme
- Hervorragende Schauspielriege
- Matt Smith als Daemon Targaryen
Kontra:
- Gelegentliche Schwächen im CGI
- Wenige Handlungsstränge wirken etwas zu gehetzt
- Zu viele unnötige Anspielungen auf „Game of Thrones“
Ihr seht also, nach sechs Folgen können wir ohne rot zu werden behaupten, dass der neu entfachte Hype um die Got-Prequelserie durchaus berechtigt ist.
Die negativen Kritikpunkte sind von einsamer Natur und die positiven überwiegen bei weitem, vor allen Dingen in den Bereichen, wo es darauf ankommt. Nur, wer „Game of Thrones“ noch immer nicht verzeihen konnte, sollte vielleicht erst das Staffelfinale abwarten.