Wir haben das viel gelobte Rollenspiel Baldurs Gate 3 dreimal komplett durchgespielt, nur, um euch in diesem Test zu verraten, ob sich der Aufwand lohnt oder ob es Zeit ist, weiter zu den Sternen zu reisen.
Baldurs Gate 3: Ein wahnwitziger Zeitfresser im Test
Seitdem Baldur’s Gate 3 in seiner vollen Pracht erstrahlt, hat die Sonne für mich den Glanz eines vergessenen Sterns. Die Tage verschmolzen zu einer endlosen Quest und Schlaf wurde zu einer seltenen Ressource.
Während die Welt draußen im Sonnenschein tanzte, ließ ich mich mit einem Eispickel operieren, überredete einen Untoten, sich massakrieren zu lassen, und suchte nach verlorenen Leichenteilen wie andere nach Briefmarken.
In dieser Zeit lebte ich nicht ein Leben, sondern gleich drei. Als Halbling-Barde verwickelte ich meine Gegner in tödliche Debatten, als drachenblütiger Mönch suchte ich den Pfad der Harmonie, und als grobschlächtiger Halbork ließ ich frei von Rassismus jedermann meine Axt schmecken.
Sowohl in einer Gruppe als auch im Alleingang durchsuchte ich jeden noch so itsy-bitsy Winkel der Welt. Ein anderes Mal ließ ich mich von meinen Gefühlen leiten und ging nur dorthin, wo ich auch sein wollte.
So wurden Tage zu Nächten, Sterne tanzten ihren kosmischen Reigen und mein Antlitz ähnelte schon bald dem eines bärtigen Weisen – nur mit schlimmeren Augenringen. Es war anstrengend. Es war wunderschön.
Doch vor allen Dingen diente es einem Zweck. Ich wollte das wahre Herz von „Baldur’s Gate 3″ entdecken und prüfen, ob die himmelhohen Bewertungen mehr als nur Sternenstaub waren.
Baldurs Gate 3: Was nach über 200 Stunden übrig bleibt
Nach beinahe 200 Stunden, drei epischen Geschichten und unzähligen Abenteuern war es so weit. Das Spiel endete, der PC durfte endlich schlafen, und zurück blieb eine Leere, so groß wie ein Drachenhöhle.
Doch dieser Leere wohnte auch die Verzückung inne. Denn BG3 hat geschafft, was bisher nur Fallout 2 und Divinity Original Sin 2 zustande gebracht haben: Ich habe ein und dasselbe Spiel so oft gespielt, dass es mir aus den Ohren herauskam.
Und noch darüber hinaus. Es lief wie Suppe aus jeder Körperöffnung. Kein schönes Bild, oder? Und doch war es herrlich. So viele Möglichkeiten, so viele Geheimnisse… Nichtsdestoweniger war nach drei Durchläufen das Limit endgültig erreicht.
Das ist kein Makel, sondern ein Zeugnis seiner Größe. Ein Spiel, das 200 Stunden eurer Zeit beansprucht und dennoch euer Herz behält, ist wahrlich ein Meisterwerk. Vor allen Ding dann, wenn es mit Umfang lockt und nicht mit schnöder Repetition.
Wer jedoch die Facetten von Gut, Böse und allem dazwischen ausgereizt hat, hat die Grenzen dieser freiwilligen Odyssee eben erreicht. Ihr habt alles gesehen, alles gehört. Vieles davon öfter als notwendig gewesen wäre.
Ein neues Abenteuer wäre vielleicht sogar kontraproduktiv. Doch wie viele Spiele können von sich behaupten, dass sie sich bei jedem Durchgang so drastisch verändern, dass man es dennoch riskieren möchte?
Und das gilt nicht nur für die Handlung. Oder das World Building. Sondern auch für die Kämpfe. Habt ihr mal einen Durchgang mit vier Barden riskiert? Oder einen Soloritt im Modus Taktiker?
Selbst wenn ihr auf die übliche, ausgewogene Heldengruppe setzt, bietet BG3 im zweiten Durchgang noch genügend Variationen und neue Ansätze, um alle andere AAA-Titel dieser Tage vergessen zu können.
Dennoch sollte oder muss ich sogar erwähnen, dass man ein Fan von rundenbasierten, storylastigen Spielen sein muss, um BG3 wirklich lieben zu können. Wer schnelle, aufeinanderfolgende Action ohne großes Gebrabbel sucht, sucht hier absolut vergebens.
Doch wenn man es liebt, dann fließt es wie süßer Met. Wenn ich Baldurs Gate 3 überhaupt ernsthaft kritisieren kann, dann dafür, dass einige Inhalte unvollendet erscheinen. Es gibt Spuren von Abenteuern, die ins Nirgendwo führen.
Das Crafting existiert nur noch als Schatten in schummrigen Gassen. Charaktere, die einst in der Lage waren, das Spielgeschehen drastisch zu ändern, sind nur noch anwesend. Und die Oberstadt von Baldurs Tor ist zu einem Abstecher verkommen.
Doch ist das nicht auch ein Zeichen seiner Größe? Ein Spiel dieser Dimension, und es könnte noch größer sein. Was werden uns Modder wohl in den nächsten Jahren für wahnwitzige Möglichkeiten bescheren?
Baldurs Gate 3 nach 200 Stunden: Unser abschließendes Fazit
Die Möglichkeiten in „Baldurs Gate 3″ sind extrem. Von der Charaktererstellung, die einen gehörigen Einfluss auf das Spielerlebnis hat, bis zu eurem Spielstil… Das Ergebnis ist jedes Mal ein bisschen anders, je nach Variation sogar stark unterschiedlich.
Und nach dem ersten Durchspielen ist wirklich noch nicht Schluss. Erst nachdem ihr drei unterschiedliche Ansätze ausprobiert habt, habt ihr alles gesehen, gehört und getan und das auch nur, wenn ihr wirklich bereit dazu seid, in eine neue Rolle zu schlüpfen und diese auch auszuspielen.
Dann ist aber auch das Ende erreicht. Die Stirn prallt gegen die Wand, der Wille übergibt sich, sobald der altbekannte Satz von einem NPC zum gefühlt hundertsten Mal vom Stapel gelassen wird.
Es sind nicht die vielen, meist lediglich nervigen Bugs, die die Spielfreude ruinieren, sondern die Tatsache, dass es endlich nichts Neues mehr zu erleben gibt. Nach über 200 Stunden. Kann man da wirklich von einem Makel sprechen?
BG3 ist alles, was sich wahre Rollenspieler wünschen. Eine D&D-Kampagne für jeden, der keine Freunde hat, nicht mit ihnen spielen will oder es zeitlich einfach nicht geregelt bekommt.
Und es ist für alle, auf die die vorangegangene Beschreibung nicht zutrifft. Solange ihr rundenbasierte Kämpfe und textlastige Handlungen mögt, vielleicht sogar liebt, ist dies die Quintessenz.
Pro:
- Fantastisches World Building
- Spannende Handlung, je nach Spielstil mit vielen Variablen
- Hervorragender Soundtrack
- Gut geschriebene Dialoge
- Erstklassige Synchronsprecher*innen
- Viele unterschiedliche Lösungswege
- Verschiedene Klassen und Rassen mit unterschiedlichen Vor- sowie Nachteilen
- Dynamische Kämpfe, die taktische Tiefe ermöglichen
- Drei verschiedene Schwierigkeitsgrade
- Spürbarer Charakterfortschritt
- Enormer Wiederspielwert
- Starker Langzeitspielspaß
Kontra:
- Die Kamera macht immer mal wieder Probleme
- Keine deutsche Sprachausgabe
- Ab Akt 3 mehren sich nervige Bugs
„Baldurs Gate 3″ schwebt meiner Meinung nach auf einer Wolke mit wegweisenden Rollenspielen wie „Secret of Mana“, „Sacred“, „Gothic“, „Fable“, „Vampire – The Masquerade: Bloodlines“, „Fallout 2“ und „Knights of the Old Republic 2“.