Paradox Interactive ist ja bekannt für seine ausufernden Taktikspielereien wie Europa Universals, doch wie steht es mit Rollenspielen? Und kann man Mount & Blade: With Fire and Sword überhaupt als Rollenspiel bezeichnen? Hatte man Erfolg mit dem Mittelalterkonzept? Viele Fragen, die Antworten findet ihr auf den nächsten Seiten!
Geschichtsprofessoren werden begeistert sein!
Wir steigen mit unserem Charakter in die Ereignisse des 18ten Jahrhunderts ein, einer von Krieg bestimmten Zeit in Europa. Viele Herrscher kämpften um die Macht über die großen Teile Europas und kleine Siedlungen wurden mit eiserner Hand geführt, um Erträge zu bringen und das Land selbst zu stärken. Jede Siedlung brauchte daher einen Herrscher, oder zwei einen, oder drei… ja, ihr versteht wohl, worauf ich hinaus will. Unser Leben wird also von einem bestimmt sein: Get rich or die tryin‘. Ich spreche schon wieder vom „wir“, doch wer sind „wir“ denn überhaupt? Wir sind ein alleinstehender Landsknecht, der durch die Lande streift um sein Leben zu leben, hier und da Geld abzukassieren und eine gut gebratene Keule zu verzehren. Doch das ändern wir ja bald schon, denn wenn die Story beginnt, wird eines klar: Das Land ist groß und bietet verdammt viele Möglichkeiten um Geld zu scheffeln und mächtig zu werden. Historische Richtigkeit wurde definitiv berücksichtigt.
Gebietsverteilungen und Siedlungen sind der politischen Karte des 18ten Jahrhunderts nachempfunden und alle diplomatischen Beziehungen wurden berücksichtigt, wie beispielsweise der Zwist zwischen Polen und Russland. Wer jedoch bereits Warband gespielt hat, der wird das alles bereits kennen, allen anderen sei gesagt: Riesen Karte, viel zu tun, ordentlich rambazamba und eine ganze Menge Wege, die erst noch mit den leblosen Körpern unserer Feinde gepflastert werden müssen!
Auch für Studenten!
Was ein wenig negativ auffiel, war die Tatsache, dass man erst einmal das gesamte Handbuch studieren musste, um überhaupt den Spielfluss zu verstehen. Der Einstieg nämlich beschränkt sich wirklich nur darauf, dass man eine kleine Einweisung in das Kampfsystem erhält. Alles Weitere lernte man ansonsten ausschließlich mittels Learning-By-Doing. Eine ganze Stunde verbringt man alleine damit, dass man das Handbuch wälzt, sich ausreichend Gedanken macht und die Spielmechanik erst einmal analysiert. Da hat‘s mir schon Schauer über den Rücken gejagt. Ich bin grad mit dem Abi durch und durfte mich erneut in ein Thema einlesen! Hat man das Handbuch jedoch von A-Z gelesen, hat sich das Ganze mal vor Augen geführt, dann entgeht einem nichts mehr!
Rollenspiel…
Unser Charakter ist treibende Kraft des epischen Werkes und wächst mit seinen Aufgaben: Wie aus den meisten Rollenspielen bekannt, erhält man EXP für erfüllte Aufträge, erledigte Feinde und erfolgreiche Diplomatie, anderes als bei den meisten Titeln jedoch, steigern sich unsere Fähigkeiten, ähnlich wie bei The Elder Scrolls, durch bloße Nutzung der Talente. Schießen wir mit einer Waffe, so erreichen wir bei längerer Benutzung bessere Charakterwerte in diesem Gebiet, die wir später zusätzlich noch mit verdienten Skillpunkten aufpushen können. Doch nicht nur die Individualisierung steht hier im Vordergrund, da wir später auch ganze Armeen befehligen können, zahlen sich Gruppenfertigkeiten aus. Hat unser Charakter beispielsweise einen hohen Wert in Medizin, so werden wir selbst, im Falle der Verwundung, besser behandelt, als ohne den Skill. Hat nur einer der Gruppe den nötigen Skill, so profitieren alle davon. Das Gleiche kann man am Skill „Handel“ sehen, ist unser Hauptmann ein begabter Händler, so können auch wir selbst bei Händlern besser feilschen, da wir von seinem Wissen profitieren. Es ist also recht simpel: Je mehr Spezialisten für Skills im Team sind, desto besser kommen wir auch im Spiel voran, denn hier geht nichts, genau wie im echten Leben, ohne Hilfe, Geld und hier und da auch Brutalität.
… und Taktik in einem!
Je weiter wir vorankommen, desto variabler werden die Aufgaben. Unser eigentliches Ziel ist es ja, uns einem der Herrscher anzuschließen und ihn stolz zu machen, auf dass wir Land, Geld und Armeen erhalten. Das jedoch kann man auf verschiedene Weisen erreichen: Entweder gehen wir den Weg der Diplomatie, bestechen was das Zeug hält, und kaufen uns quasi die Loyalität von ach so aufrechten Männern, oder wir überrennen sie in einer Belagerung mit unserer Armee, wo wir natürlich wieder Leute bestechen können, die uns die Einnahme der Stadt leichter machen, indem sie uns die Stadttore aufsperren oder Verteidigungslinien von innen zerschlagen. Damit wären wir bei zwei der größten und wichtigsten Themen des Spieles angelangt: Diplomatie und Handel sowie Kriegsführung. Bevor wir Armeen befehligen können, brauchen wir Gold für Sold, Verpflegung und Ausrüstung. Das kann man sich natürlich mit harter Arbeit verdienen, aber eine Marktlücke zu finden ist selbst heute noch der leichtere Weg. In einer Siedlung kaufen wir zum Beispiel sehr günstig Pferde, Rohstoffe oder Waffen, nur um sie dann in einer anderen Siedlung oder gar Stadt zu total überteuerten und guten Preisen wieder zu verkaufen. So scheffeln wir am Meisten Geld, kamen aber im Test auch nicht ohne Söldnerjobs, Objektbewachung oder Banditenbekämpfung aus. Auch als Bote für wichtige Nachrichten können wir uns verdingen, je wichtiger die Nachricht, desto besser die Bezahlung.
Haben wir uns einen Ruf erarbeitet, unterstützen uns andere Herrscher über Siedlungen eventuell sogar mit Geld oder Materialien. Ihr merkt schon, da verliert man leicht mal den Überblick, doch das Interface ist sehr detailreich und jeder oben genannte Punkt wird mit einem extra Reiter abgedeckt, sei es nun Verwaltung der Armee, der Finanzen oder der von uns besetzten Städte. Nach und nach nehmen wir also Städte und Siedlungen ein, denen wir einen Statthalter spendieren und uns aus den Steuern neue Ressourcen und Männer für die Armee anschaffen oder andere Städte für mehr Ertrag weiter ausbauen. Unsere Macht wächst immer mehr. Kommt es zu einer Belagerung, so können wir alteingesessene Taktiken nutzen: Die Stadt stur belagern, denn die Zeit ist immer auf der Seite der Angreifer, die Versorgung einer abgeriegelten Stadt könnte schon bald zusammenbrechen und eine Revolte öffnet uns die Türen. Die Stadt angreifen, denn nichts ist so mächtig wie eine Armee mit einem Plan, Leitern und Bogenschützen. Schon bald stehen wir im Ratssaal und köpfen den feigen Herrscher der Stadt. Dem Herrscher einen Deal anbieten, denn Geld ist mächtiger als das Schwert und nein, die Feder ist nicht stärker als eine Waffe! Wir wollen meucheln, nicht streicheln! Je nach eingeschlagener Taktik spiegelt sich das in unserer Kasse wieder: Lange Belagerungen kosten mehr Geld, überstürzte Angriffe viele Männer und Diplomatie Nerven und wieder Kohle. Man muss also immer ein Auge auf den verfügbaren Ressourcen haben um nicht nachher alleine vor dem Tor der Stadt zu stehen und mit dem Schwert auf ein Tor eindreschen, das dicker ist als der eigene Dickschädel.
Auf in den Kampf!
Neben all den Pflichten eines angehenden Herrschers, soll natürlich auch die eigene Belustigung nicht zu kurz kommen: Packen wir ein Schwert, eine Muskete und ein Schild ein und ab geht die Post! Da die Kämpfe zumeist ein wenig unfair wären, wenn man keine Unterstützung mitbringt, lohnt es sich gar nicht, alleine gegen eine Gruppe von Banditen anzurennen. Wir halten uns daher im Hintergrund, während unsere Männer die Drecksarbeit erledigen, lachen uns über die zerlumpten Kerle schlapp und packen unsere Muskete aus. Bam! Die verheerende Wirkung von Schusswaffen wurde sehr realistisch gehalten, ein einziger, gezielter Schuss kann das Aus für unseren Gegner bedeuten. Doch man sei gewarnt: Das Nachladen eines Vorderladers dauert seine Zeit und Gewehre können nur kniend nachgeladen werden, wer sich bewegt failt! Das Zielsystem ist gut, denn man kann mit Gewehren auf große Distanzen entweder den Reiter oder Fußsoldaten erledigen oder schießt dem Reiter einfach das Pferd unterm Hintern weg. Eine Schlacht ist immer eine Mordsgaudi: Wir geben unseren Männern Befehle und klopfen einigen Gegner sogar selbst den Helm weich. Wir können uns aber auch ganz raushalten, Außerhalb des Kampfes schauen wir einfach nur zu und warten darauf, dass einer unserer Soldaten Bescheid gibt, dass alles klar ist. Das ist aber lame, denn wer will nicht gerne auf Feinden rumtrampeln?
Unser Test reichte bei weitem nicht aus, um sagen zu können, dass man fast alles erreicht hat. Das Spiel hat eine enorme Spielzeit und verdammt viele Missionen und Funktionen, und da kommen wir auch gleich zu einem der nicht gerade wenigen Kritikpunkte, die Langatmigkeit. Mitunter gestaltet sich das Spiel recht eintönig. Karawanen eskortieren, zurückreiten, Gold einheimsen. Banditen töten, zurückreiten, Gold einheimsen. Botschaften überbringen, zurückreiten, Gold einheimsen. Armee ausstatten, sich erinnern, dass die Siedlung vorhin bessere Preise hatte, zurückreiten, Geld ausgeben. Beim Herrscher einschleimen, Auftrag erfüllen, zurückreiten, Gold einheimsen. Man kann sich nach einigen Spielstunden auf weitere Spielstunden voller Grinden, ABC Missionen und lange Ausritte einstellen. Das wird einigen sauer aufstoßen, denn so geht viel vom Charme bald verloren und man sitzt mehr aus Pflicht als aus Spaß vor dem Rechenknecht. Schade eigentlich.
Hab ich gesoffen oder wieso sieht das so aus?
Bei unseren heutigen Standards ist die Grafik Kritikpunkt Nummer eins: Verwaschen, kantig, altbacken, eingestaubt, mitunter recht hässlich. Da hätten sich die Entwickler echt was einfallen lassen können, denn ein Spiel kann noch so groß und toll sein, wenn es aussieht, als sei es schon vor fünf Jahren erschienen und als sei das Motion-Capturing noch mit Lochkamera und Marionetten abgelaufen, dann muss man sich am Kopf kratzen und seufzen. Das Spiel verspricht echt langzeitspaß, wenn auch manche Passagen recht langweilig sind, aber wenn es einfach nicht gut aussieht, dann vergeht einem bald die Lust an dem Teil!
Hömm….
…. Denkt man, wenn man sich auch den Sound genauer ansieht. Waffensounds gehen runter wie Öl, musikalische Untermalung und Ambientsound jedoch kratzen im Hals und gehen schon bald auf die Nerven. Soldaten, die getroffen werden, klingen wie Motivationstrainer mit Depressionen und auch allgemein klingt das Spiel nicht nach Neuware. Auch hier scheiden sich die Geister: Mit nem besseren Sound würde es einfach mehr Spaß machen!
Entschuldigung, was haben sie gesagt?
Das Spiel enthält keine Sprachausgabe, alle Texte, egal wie lang sie auch sein mögen (und das sind sie!!) müssen selbst gelesen werden, und das ist nicht so einfach, denn meistens hat man sich natürlich an damaliges Maß gehalten: Es klingt mittelalterlich! Das ist nur ein sehr leichter Kritikpunkt, da man mit Neverwinter Nights auch keine Sprachausgabe hatte, lesen bildet! Bei der Menge an Bildschirmtexten allerdings sollte man sich an die Epilepsiewarnung halten: Möglichst weit weg, gute Beleuchtung des Raumes und ein Fenster aufmachen, sonst schläft man schon sehr bald vor dem Rechner ein.