Die Tage Raptures sind gezählt. Auch die letzten Little Sisters haben wir gegen Ende von Bioshock 2 aus den Fängen von Sophia Lamb und auch Andrew Ryan befreit. Jetzt ist es an der Zeit, die Unterwasserstadt zu verlassen, neue Gefilde zu erschließen. Wir schmeißen die eiserne Big-Daddy-Rüstung weg und schlüpfen in die Haut von Booker DeWitt. Er wird mehr oder weniger zufällig in die Luftmetropole Columbia befördert, sucht dort nach einem Mädchen namens Elizabeth. In Bioshock: Infinite ist (fast) alles anders. Neuer Hauptcharakter, neue Story, neues Setting, neue Waffen und Möglichkeiten, das Spiel zu genießen. In unserer ausführlichen Review verraten wir euch, wie uns unser Trip nach Columbia gefallen hat und welche Änderungen Bioshock: Infinite zum absoluten Anwärter auf das (Action-)Spiel des Jahres 2013 machen!
Booker DeWitt in der Zwickmühle
Wir schreiben das Jahr 1912. Ein Sturm tobt an der Küste eines unbekannten Ortes. Ein Typ namens Booker schippert gemeinsam mit zwei Bootsführern über den Ozean. Sie erzählen etwas über Schuldenbegleichung seitens Booker. Das Boot macht Halt an einem riesigen Leuchtturm. Sind wir da? Scheinbar schon. Wir steigen aus dem Boot, betreten die kleine Insel und schließlich auch den großen Leuchtturm. Schon hier fühlt man sich an alte Tage zurückerinnert: Auch im ersten Bioshock, das uns in die Welt von Rapture eintauchen ließ, flüchteten wir uns nach einem Flugzeugabsturz in einen Leuchtturm. Symbolisch: Diesmal geht es nicht in den Keller des Leuchtturms, sondern hoch hinaus! Der Wind peitscht uns um die Ohren, als wir uns an der Spitze des Leuchtturms in einen Stuhl setzen. Plötzlich hält uns der Sitz gefangen. Immer und immer wieder dröhnt eine Sirene. Das Gemüt unseres Hauptcharakters schwankt schnell von sehr beeindruckt in sehr panisch um. Der Stuhl beginnt sich langsam zu heben. Wir brettern geradewegs auf eine Stadt zu. Eine Stadt, die im Himmel zu liegen scheint. Willkommen in Bioshock: Infinite! Im neuesten Spros der Bioshock-Reihe schlüpfen wir in die Haut von Booker DeWitt. Er ist ein ehemaliger Detektiv des New Yorker Pinkerton Unternehmens. Er hat sich schlimme Dinge zuschulden kommen lassen und soll – zumindest so die Argumentation zu Beginn des Spiels – nach Columbia reisen, um dort ein Mädchen namens Elizabeth zu finden. Die Tochter des „Propheten“ ist der einzige Weg, die Schulden zu begleichen. Wie schon in vorherigen Teilen setzt Entwickler Irrational Games auf eine sehr intensive Erzählung der Geschichte. Besonders auffallend ist dabei, dass Booker DeWitt eine größere Persönlichkeit hat als vorherige Serien-Protagonisten. Booker hat eine Geschichte, die wir mit fortlaufendem Spielfortschritt auch aufgetischt bekommen. Anders als die Helden aus Teil 1 und 2 hat DeWitt außerdem eine Stimme, die dem Spiel um einiges mehr Emotionen verleiht. Man spürt einfach, welch große Unsicherheit zu Beginn herrscht, als wir erstmals Columbia betreten.
Willkommen in Columbia
Die ersten Schritte in der Luftstadt sind überragend. Columbia wurde frei nach der alten, amerikanischen Architektur erbaut. Als wir die ersten Schritte in der schwebenden Stadt gemacht haben, fühlten wir uns zurückversetzt in die ersten Spielstunden im ersten Teil der Bioshock-Reihe. Schon damals war es ein echtes Gänsehaut-Gefühl, als wir mit einer Tauchkugel durch die Unterwasser-Gassen von Rapture gefahren sind. Ähnlich beeindruckt waren wir vom Beginn in Columbia. Überall Menschen, die scheinbar fröhlich sind. Alles bereitet sich zu Beginn des Spiels auf eine Verlosung vor. Auch wir wohnen dieser Verlosung bei und werden mit dem „Glückslos“ Nummer 77 gleich gezogen. Es gilt, zwei dunkelhäutige Menschen vor den Augen aller hinzurichten. Das ist unsere Belohnung? Schnell zeichnet sich der Hintergrund dieser Stadt ab. Wir haben es hier nicht nur mit einem raffgierigen Herrscher zutun, der das Mädchen hat, das Booker DeWitt benötigt, es herrscht auch der Rassismus in Columbia. Wir müssen entscheiden: Töten wir die farbigen Bürger Columbias und folgen damit dieser rassistischen Brut oder erledigen wir den Loschef? Beide Entscheidungen haben ihre Auswirkung. Entscheiden wir uns für die beiden Menschen und gegen den Loschef, werden wir von den Stadtwachen attackiert und müssen uns erstmals durch Feindmengen schießen. Als Belohnung winkt hingegen ein nettes Upgrade-Päkchen im späteren Verlauf des Spiels. Töten wir hingegen die beiden Menschen, werden wir von der besessenen Masse gefeiert wie ein Volksheld. Das Schicksal liegt in euren Händen!
Skylines und Ortschaften
Columbia ist eine offene Welt mit vielen Ortschaften zum Entdecken. Dabei ist es vor allem wichtig, schnell von A nach B zu kommen. Um das bewerkstelligen zu können, besitzt Booker DeWitt einen sogenannten „Sky-Haken“. Mit ihm kann er sich an den Skylines, die überall in Columbia verteilt sind, entlanggleiten und so relativ schnell und unkompliziert verschiedene Gebäude anfliegen. Auch besonders effektive Sky-Angriffe sind möglich, mit denen er Feinde aus dem Nichts außer Gefecht setzen kann. Aber Vorsicht: Auch Gegner können die Skylines nutzen oder sogar unter Strom setzen, wie etwa der Handyman, der den Big Daddy ersetzt. Insgesamt sind die Skylines eine nette Abwechslung und vor allem sehr gut integriert. Vor allem das leichte Handling überraschte beim ersten Anspielen von Bioshock: Infinite sehr.
Alles neu macht Infinite!
Damit wir uns gegen die feindlichen Truppen durchsetzen können, lernt Booker DeWitt nach und nach den Umgang mit neuen Waffen und Vigors. Während wir uns zu Beginn von Bioshock: Infinite nur mit einer Pistole zur Wehr setzen, kommen später abgefahrene Knarren wie ein Kalibergewehr, ein Raketenwerfer, eine Maschinenpistole oder auch verschiedene Shotguns hinzu. Booker ist im Gegensatz zu vorherigen Hauptcharakteren kein Big Daddy und auch kein Versuchsobjekt, das beliebig viele Waffen mit sich herumschleppen kann. Um das Ganze glaubhaft rüberzubringen, beschränkte Entwickler Irrational die Waffen-Kapazität von unendlich auf maximal zwei. Eigentlich schade, da man so nur bedingt alle Waffen wirklich ausprobieren kann. Wie schon in vorherigen Ablegern der Bioshock-Serie können alle Waffen verbessert werden. Das geschieht – ebenfalls wie gewohnt – am jeweiligen Automaten. Hier können wir dann, je nach Kontostand, größere Magazine oder verbesserten Schaden hinzukaufen. Die Gesundheit wird nicht mehr mit Medikits aufgefüllt, die Booker mit sich herumträgt. Viel mehr müssen wir nach Items Ausschau halten, welche die Gesundheit regenerieren oder auf unsere treue Begleiterin zurückgreifen – mehr dazu gleich. Statt „Eve“ ziehen besagte Vigors unserem guten Booker nun „Salze“ ab. Diese finden wir in Form von kleinen Flaschen oder auch durch Elizabeth. Dadurch wird Bioshock: Infinite ein wenig taktischer. Dennoch schade, dass wir selbst nicht mehr entscheiden können, wann wir die Gesundheit oder die Salze aufladen und wann nicht.
Natürlich gibt es auch im dritten Teil der Bioshock-Serie sogenannte „Vigors“, die in vorherigen Teilen noch unter dem Namen „Plasmide“ bekannt waren. Es gibt zwei verschiedene Art und Weisen, Vigors einzusetzen. Zum einen können wir die Zusatzfähigkeiten direkt auf Gegner abfeuern, welche einen sofortigen Effekt auslösen. Wers gerne ein wenig taktischer will, der versetzt von jedem Vigor in Feindesnähe Fallen, welche bei Berührung ausgelöst werden und eine Kettenreaktion hervorrufen könnten. Die verschiedenen Vigors reichen einmal mehr von elementaren Geschossen, über Beherrschung, Rückstoß und fleischfressende Krähen. Immerhin: Vigors sind noch immer unverzichtbar, vor allem wenn man gegen größere Gegner kämpft.
Elizabeth als treue Weggefährtin
In Bioshock zogen wir alleine durch die düsteren Gänge Raptures, in Bioshock 2 saß stets eine Little Sister auf der Schulter unseres Big-Daddy-Anzugs und in Bioshock: Infinite haben wir erneut eine treue Weggefährtin anbei, die uns sogar während dem Kampf behilflich ist. Nachdem wir Elizabeth aus ihrem Gefängnisturm aus den Fängen von Prophet Zachary Hale Comstock befreit haben, begleitet sie uns die meiste Zeit über auf unseren Reisen durch Columbia. Sie besitzt die einzigartige Fertigkeit, Risse zu öffnen, welche zu einer neuen, meist besseren und sichereren Dimension führen. Das ist im Kampf besonders hilfreich, denn so kann sie aus dem Nichts hilfreiche Gegenstände, Items oder Strukturen zaubern, die uns als Deckung vor feindlichen Truppen oder Fluchtmöglichkeiten helfen. Doch damit noch nicht genug. In Bioshock: Infinite dürfen wir wieder viele Räumlichkeiten und Verstecke durchsuchen, um an Geld heranzukommen. Elizabeth greift uns dabei unter die Arme und sucht ebenfalls nach Münzen, Salzen oder Munition. Das ist hilfreich, da der Spieler selbst nur bedingt alle Ortschaften alleine absuchen kann.
Wo sind die Psychos?
Fans von Bioshock und Bioshock 2 werden es beim ersten Anspielen selbst merken: Die Menüoberfläche von Bioshock: Infinite hat sich grundlegend geändert. Es gibt keine Gen-Datenbanken mehr, an denen wir verschiedene Fähigkeiten-Zusätze und Plasmide austauschen können. An bestimmten Automaten können zwar noch immer Upgrades für Vigors gekauft werden, allerdings sind diese längst nicht so übersichtlich unterteilt wie noch in vorherigen Ablegern von Bioshock. In Sachen Boni kann sich Booker verschiedene Zusätze aneignen, die ihm beispielsweise mehr Munition im Gegner-Looting oder aber auch Rabatte an örtlichen Verkaufsautomaten bringen. Wir sprachen bereits über Waffen-Upgrades, die man an besagten Automaten erstehen kann. Diese sind bitter nötig, denn die Feinde in Bioshock: Infinite haben es ordentlich in sich. Kämpfen wir zu Beginn noch gegen menschliche Ordnungshüter Columbias, kommen später echte Brocken wie etwa der Handyman auf uns zu. Der Handyman ist mit dem Big Daddy aus den ersten beiden Teilen zu vergleichen: aus Metall, riesig und robust. Da braucht es schon eine doppelläufige Flinte mit Zusatzschaden, um dem Handyman beizukommen. Und wenn es mal eng wird, haben wir noch immer Elizabeth am Start, die uns mit Verbandszeug und Salzen versorgen kann.
Grafik und Sound
Durch den Wechsel des Szenarios verändert sich nicht nur der spielerische Aspekt von Bioshock, sondern auch die technische Seite. Waren es bei Bioshock und Bioshock 2 noch düstere, meist Wasser durchflutete Räume in Rapture, die wir durchsucht oder durchquert haben, spielt sich in Bioshock: Infinite fast alles außerhalb ab. Nur gelegentlich begeben wir uns in geschlossene Räume, was vor allem optisch einiges hermacht. Die Grafik ist heller, freundlicher und imposanter als zuvor. Die riesigen, fliegenden Architekturen und superscharfen Texturen (PC) sehen einfach grandios aus. Besonders gut haben uns aber die Wasser- und Explosionseffekte gefallen, die dank einer modifizierten Unreal Engine 3 noch richtig hübsch aussehen. Bioshock: Infinite bietet, ebenfalls wie vorherige Teile, eine grandiose deutsche Synchronisation, welche vor allem bei Vox-Nachrichten zum Vorschein kommt. Ein wenig nervig und fast schon typisch für den aktuellen Stand der Konsolen-Generation sind matschige Texturen und gelegentliches Kantenflimmern, das man mit der PC-Version umgehen kann.