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World of Warcraft: WoW: Die MMO-Hassliebe!

World of Warcraft verliert Spieler. Viele Spieler. Fast die Hälfte an Abonnenten, als man noch zu Beginn des Jahres hatte. Einige Fans erschreckt dieser Werdegang, anderen zaubert er ein hämisches Grinsen auf's Gesicht. Doch ist die Lage wirklich so ernst oder wird WoW nur Opfer von Übertreibungen und gezielt negativer Kritik? Feststeht: Der MMO-König hat schon bessere Tage gesehen und spürt so langsam sein Alter. Als eingefleischter World of Warcraft Spieler denke ich mir, dass diese Entwicklung gar nicht so ungewöhnlich ist, und ziehe meine eigene Bilanz.

Wenn man ganz oben ist, hat man es bekanntlich sehr schwer. Das ist wie in der Musik: Bist du unbekannt, genießt du den Ruf eines Geheimtipps für Kenner. Steigt die Zahl der Kenner dadurch an, bist du nur noch kommerziell und weit entfernt davon, die alte Qualität zu liefern. Sicherlich, bei Weitem nicht jede Entscheidung, die Blizzard in den vergangenen acht Jahren getroffen hat, traf ins Schwarze. Sehr interessant ist dabei zu sehen, dass die jeweils aktuelle Erweiterung immer für schlecht befunden und mit „vorher war es deutlich besser“ bewertet wurde – von den Spielern. Dies hatte unweigerlich zur Folge, dass das zuvor verhasste Addon im nachhinein wesentlich besser war, als das was später kam. Ein gutes Beispiel dafür ist „Wrath of the Lich-King“, dem heute nachgetrauert wird, obwohl es seinerzeit viele gerne ausradiert hätten. Es sind aber nicht nur die Erweiterungen an sich, die dem großen Online-Rollenspiel von Blizzard zu schaffen machen. Es sind vor allem die „verbesserten Inhalte“. Gerade der Weg, das Spiel an die Bedürfnisse von Gelegenheitsspielern, den sogenannten Casuals, anzupassen, missfällt vielen eingefleischten Fans.

Die leichte Kost sorgt eben bei genau den Spielern für Missmut, die sich gerne fett und deftig ernähren. Dies kann ihnen auch keiner vorhalten, immerhin war dies der Weg, den World of Warcraft anfangs einschlug und sogar noch bis tief in die erste Erweiterung „Burning Crusade“ weiter ging. Danach kamen sie, die alternativen Möglichkeiten, die neuen Optionen und allen voran: der leichtere Schwierigkeitsgrad. Obwohl es schon seiner Zeit heftige Beschwerden gab, hatte WoW seinen Zenit noch lange nicht erreicht. Ganz im Gegenteil: Der Weg führte immer weiter bergauf. Bis auf eine Rekordmarke von über 12 Millionen zahlender Spieler – Bots und China-Farmer mitgerechnet.

Als ich World of Warcraft kennenlernte, steckte das MMO noch in seinen Kinderschuhen. Das war in etwa zur Zeit der amerikanischen Closed Beta. Da ich nie das Glück hatte, eine Einladung von Blizzard zu erhalten, musste ich tatsächlich bis zum Release im Februar 2005 warten. Das ist nun über acht Jahre her. Acht Jahre, in denen ich jeden Monat meinen Account bezahlt habe. Natürlich habe ich nie verpasst über den Tellerrand zu schauen und auch mal andere Onlinespiele auszuprobieren, aber die Rückzugsort World of Warcraft war immer da – bis heute. Wenn ich zurückschaue, dann sehe ich nicht nur die Entwicklung dieses einen Spiels, sondern die der ganzen Branche. All die MMOs, die auf der Strecke geblieben sind und die Erwartungen der Spieler nicht erfüllen konnten. Ich denke, darin liegt das Geheimnis von WoW. Es ist die Einzigartigkeit. Es gab einfach keine Alternativen, wenn man den Komfort und die reichhaltigen Inhalte gewohnt war. Selbst wenn ein anderes Online-Rollenspiel mal ein paar neue Features hatte, war die Familie, bestehend aus Gilden und Freunden, immer in World of Warcraft. Da fiel einem der Wechsel auf ein neues Spiel immer schwer. Man war alleine, auf sich gestellt, und ohne den hohen Rang sowie die Ausrüstung, die man sich erarbeitet hatte. In WoW war ich immer vorne mit dabei, was mich weit über 10.000 Spielstunden gekostet hat. Diese Zeit wollte und konnte ich nicht in ein anderes Game investieren.

Aber ich denke, hier liegt auch der Knackpunkt der aktuellen Situation. WoW ist nicht zwingend schlechter geworden. Gilden haben immer noch die Möglichkeit anspruchsvoll zu Raiden, PvP zu machen oder sich dem Rollenspiel zu widmen. Grundlegend hat sich nichts verändert. Ganz im Gegenteil, es kommen durch aktuelle Patches sogar noch viele neue Möglichkeiten hinzu. Es ist das Umfeld, welches sich geändert hat. WoW ist in die Jahre gekommen und das merkt man vor allem an der immer stärker werdenden Konkurrenz. Plötzlich sind sie eben da, die ernsthaften Alternativen, die ganze Gilden dazu bewegen, ihre Zelte abzureißen und in einem neuen Spiel wieder aufzuschlagen. Das Alter geht eben auch an der Welt von Warcraft nicht spurlos vorbei. Zumal die Wahl des asiatischen Settings und der Pandaren als neues Volk der aktuellen Erweiterung „Mists of Pandaria“ gerade unter den eingefleischten westlichen Rollenspielern eher negativ aufgenommen wurde.

Dennoch weist Blizzards Hit-MMO immer noch knapp acht Millionen zahlender Spieler vor und ist damit weiterhin die Nummer 1 unter den Games mit monatlichen Kosten, von denen die meisten in den vergangen Jahren bereits auf das lukrative kostenlose Modell gewechselt haben. Ob Blizzard diesen Schritt auch eines Tages gehen wird? Derzeit streitet man dies noch ab, aber der geplante Item-Shop müffelt schon ein bisschen nach dieser Richtung. Was man aber vor allem nicht vergessen darf, ist, dass Mists of Pandaria kurz vor seinem Ende steht. Der letzte große Content-Patch ist derzeit auf den Testservern. Danach ist Schluss, bis die nächste Erweiterung kommt. Die Zeiten sind einfach vorbei, in denen Spieler monatelang ausharren und sich die Wartezeit zum neuen Addon mit herumdösen vertreiben. Heute kündigen sie ihre Accounts, in der Voraussicht, zum Start der nächsten Erweiterung wieder voll mit dabei zu sein. Hier besteht aber auch die Gefahr für Blizzard, dass eben diese dann auch einschlagen muss wie eine Bombe. Der Markt ist gewachsen und der Erfolg von WoW bei Weitem nicht mehr so selbstverständlich wie noch vor ein paar Jahren.

Dennoch würde ich nicht sagen, dass World of Warcraft tot ist. Das Spiel hat die beste Zeit hinter sich und den Zenit überschritten, ja. Schaut man sich aber in der schnelllebigen Welt der Onlinespiele um, sieht man, dass Blizzard etwas geschafft hat, was bisher nur wenige schafften: Sein Spiel jahrelang auf Kurs halten. Die Reise scheint auch noch lange nicht zu Ende, selbst wenn die Besatzung des Schiffes deutlich weniger geworden ist. Natürlich können sich einige Häme ihre bissigen Kommentare nicht verkneifen und ihren Missmut über das verhasste Spiel vortragen. Diese Hassliebe, die in und um die Community von WoW existiert, ist aber im gleichen Atemzug auch ein weiteres Zeichen für den Erfolg und den Standpunkt dieses MMORPGs, das das Genre wie kein Zweites (zum Guten wie zum Schlechten) geprägt hat.

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