Ende des Jahres erscheint mit Warlords of Draenor die fünfte Erweiterung für World of Warcraft. Die Alpha ist bereits im vollen Gang und ich möchte die Zeit nutzen, nach vielen Monaten frischer Informationen, meine Sichtweise über die Zukunft von WoW erneut breitzutreten. In meiner ersten Vorschau zum Add-on habe ich bemängelt, dass sich World of Warcraft immer mehr in Richtung eines Adventures entwickelt. Dies war meine Meinung nach der BlizzCon. Einige Monate später hat sich die Lage merklich geändert. Mit neuen Enthüllungen formte sich immer mehr ein Bild in meinem Kopf, das am Ende doch nach jeder Menge Spaß aussehen könnte. Was erwartet uns denn nun mit der Rückkehr nach Draenor und dem erneuten Kampf gegen Garrosh Höllschrei? Ich gehe dieser Frage erneut nach.
Im Wandel der Zeit
„Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein“. Exakt mit diesem Zitat kann man die Entwicklungen rund um World of Warcraft sehr gut beschreiben. Wie kaum ein anderes MMO passt Blizzard seinen Goldesel immer wieder den Bedingungen der Branche an. Wo andere Onlinespiele pleitegehen oder auf ein kostenloses Modell wechseln, hält WoW trotz heftiger Kritik durch. Nicht wenig spielt dem die vielen Veränderungen am Spiel in die Hand. Natürlich ist der LFR voller Deppen, aber er bietet auch eine Möglichkeit zu Raiden, wenn einem für Stammgruppen die Zeit fehlt. Auf jeden Fall waren epische Rüstungen und Waffen früher rarer und damit mehr wert. Dafür raubte dies aber vielen Spielern die Motivation, da ihnen die Zeit zum Farmen fehlte. Die Entwicklung von World of Warcraft ist eine Anhäufung von Reaktionen auf Gegebenheiten. Nicht immer positiver Natur, aber ohne diese Flexibilität würde es dieses MMO wohl heute nicht mehr geben. Vanilla würde heute in dieser Form niemand mehr spielen, so ehrlich muss man sein.
„Oh Gott, jetzt fängt der schon wieder mit dieser Grundsatzdiskussion an?“. Keine Angst, ich leite schon um, denn was ich damit ausdrücken will, ist, dass dieses Verhalten sich komplett auf Warlords of Draenor projiziert. Seit Burning Crusade hat keine Erweiterung mehr so stark an den Grundfesten von World of Warcraft gerüttelt, die WoD es dieses Jahr tun wird. Dabei orientiert sich Blizzard erneut an der Casualisierung des Genres und passt sein Spiel erneut an.
Zurück zum Glück
Wir alle wissen, worum es geht: Garrosh Höllschrei ist aus dem Gefängnis auf Pandaria entkommen, verfügt plötzlich über die Möglichkeit durch Zeit und Raum zu reisen und macht sich auf in das alte Draenor, um dort eine neue stärkere Horde zu gründen – die Iron Horde. Von der Moderne geht es also zurück in den Urschleim der Warcraft-Geschichte, als die Orks noch auf Draenor lebten und von der Brennenden Legion noch nichts zu sehen war. Exakt hier spielt Warlords of Draenor. Zwar kennen wir den Kontinent schon als Scherbenwelt, aber die war ja schon ziemlich im Allerwertesten. Die neue Erweiterung zeigt einen Planeten, der noch in der Blüte seiner Lebenszeit steht. Hier dachte sich Blizzard wohl: „Hey, Burning Crusade haben alle geliebt, machen wir es doch einfach noch mal!“. Dabei soll Garrosh selbst aber gar nicht der Oberbösewicht werden, zumindest nicht als Endboss – das hatten wir ja schon in der Schlacht um Orgrimmar. Geschichtliches Thema sind die verschiedenen Orkstämme, deren Anführer uns während der Reise begegnen. Ein Fest für Fans der alten Spiele also. Rein optisch, wie bisher in Videos und auf Screenshots zu sehen, passt sich der Stil auch sehr der ersten Erweiterung an, die bis heute als die beste gehandelt wird.
Natürlich ist nichts mehr so, wie es mal war oder besser gesagt, später wird. Allen Voraus wirft Blizzard viele Entwicklungen der letzten Jahre über den Haufen. Den Herren und Damen in Kalifornien ist wohl auch aufgefallen, dass Charaktere, die mehr Lebenspunkte als frühere Raidbosse haben, ziemlich uncool sind. Dann also, im Sinne der reaktiven Neuorientierung: Weg mit den Werten! Wenn Draenor kommt, wird plötzlich jeder Spieler einfach mal um ein paar Treffer- sowie Schadenspunkte ärmer. In einem Gameplay-Video war zu erkennen, dass dieser Schnitt sehr radikal wird. Der dort gezeigte Level-92-Tank hatte nicht mal 100.000 Lebenspunkte und sein Schaden war ziemlich unterirdisch. Schluss ists also, mit den 500k-Crits, und willkommen zurück in der alten Schule. Über den Daumen wird jeder Charakter trotz hochwertiger Ausrüstung gerade mal 10 Prozent seiner alten Kraft haben.
Eine, in meinen Augen, intelligente Entschlackung der Spielmechanik wird der Verzicht auf die Werte "Ausweichen", "Parieren", "Trefferwertung" und "Waffenkunde". Mal ehrlich: Wer hat darauf wirklich geguckt? Im Endeffekt hat man sich lediglich via Umschmieden die Caps gesichert. Da ist dieser Verlust erträglich, zumal Umschmieden selbst auch aus dem Spiel genommen wird. Das dürfte den Anspruch sogar locker steigern, da man sich nun nicht einfach die passende Ausrüstung zurechtbiegen kann. Leider bleibt das Talentsystem so zweckoptimiert, wie es derzeit ist. Ich gebe es zu, ich bin auch ein Freund der klassischen Bäume, daher mag ich mich mit diesem Konzept nicht wirklich anfreunden. Interessant finde ich aber die Perks, die nun von Level 91 bis 100 mit dazukommen. Dass 100 das neue Maxlevel ist, brauch ja nicht mehr erwähnt werden, oder doch? Dann ists jetzt damit geschehen! Aber zurück zu den Perks. Die bekommt man zufällig während des Levelns in Draenor. Jede Klasse wird über neun Skill-Verbesserungen pro Spezialisierung verfügen. Diese schalten sich während des Wegs auf Level 100 frei – in zufälliger Reihenfolge. Hier bin ich schon sehr auf die Beta gespannt, da ich mir unter dem Konzept ehrlich gesagt noch nichts vorstellen kann. Fest steht, dass, zusätzlich zu der neuen Talentstufe auf Level 100, so noch weitere Verbesserungen für die Fähigkeiten Einzug halten.
Adventure-Time
Wie bereits in meiner letzten Vorschau erwähnt, wird Warlords of Draenor das MMO immer weiter in Richtung „Scripted-Reality“ tragen. Wenn man sich auf dem Markt so umschaut, dann ist dieser Schritt mehr als logisch. Einfaches Quest-Abrennen ist nun mal auf die Dauer langweilig, da können die Aufgaben noch so dynamisch sein. Mit den Szenarios hat Blizzard schon jetzt ein interessantes Feature am Start, das die Spielwelt lebendiger macht. Während Mists of Pandaria hier mehr Testgebiet für diese Idee war, wird uns in Draenor die volle Fülle dieser Miniabenteuer erwarten. Quasi jedes Gebiet soll mit Szenarien durchzogen sein, vor allem zum Ende hin bei den Showdowns. Das verspricht auf jeden Fall schon mal eine flottere Geschichte, als man sie bisher so kannte. Und ich bin ehrlich: Ich hätte kein Problem damit, den größten Teil meiner Zeit mit Kumpels die Szenarios abzulaufen. Diese Form des Levelns könnte nämlich ziemlich gemütlich werden, zumal man mehr von der Handlung mitbekommt.
Andernfalls kann man es natürlich auch bevorzugen, seine 50 bis 100 Quests pro Zone zu erledigen, von denen mehr als die Hälfte eine Tendenz zum Lückenfüller haben. Das würde ich persönlich aber mehr als „unliebsames Übel auf dem Weg zum Ziel“ ansehen. Das Konzept „Quest“ ist in meinen Augen mehr als veraltet. Da können sich die Entwickler so viel Mühe geben, wie sie wollen, nach einer gewissen Zahl ermüden sie ja doch wieder. Aber keine Angst, geben wird es sie dennoch, die 100 Quests – so viel Neuerung ist dann bei WoW nämlich doch nicht drin.
Endcontent für jedermann
Den wohl größten Teller an Neuerungen bekommt das PvE im Endgame spendiert, denn hier vertieft Blizzard das Konzept des Flex-Raids insofern, dass dieses Modell zum neuen Standard erklärt wird. Egal ob normal oder heroisch – jede Stufe ist mit einer flexiblen Spielerzahl möglich. Wer dennoch eine feste Anzahl Mitstreiter bevorzugt, darf im 20-Mann-Mytisch-Raid Platz nehmen. Dieser wird auch in Sachen Schwierigkeit das Höchste der Gefühle darstellen. Der LFR soll dafür noch mehr zu einem Touribus verkommen.
Interessant wird vor allem die neue Idee der Zugangsvoraussetzung. Nach unzähligen Beschwerden, dass jeder Anfänger ja alles hinterhergeschmissen bekommt, wird sich hier nun einiges ändern. Wer Raiden will, der braucht Ausrüstung aus heroischen Instanzen. Diese versperren sich aber nicht mehr nur mittels Item-Level, sondern man muss jetzt zuvor eine Silbermedaille in der Feuerprobe erreichen. Das setzt zumindest voraus, dass man seine Klasse minimal verstanden hat. Natürlich kommt es da einem gleich in den Sinn, dass man ja als Krieger einfach schnell mit Schaden-Skillung die Medaille holt und dann fein raus ist. Aber auch hier macht Blizzard einem das Leben schwerer. Wer als Tank anmelden will, braucht auch die entsprechende Silbermedaille für seine Spezialisierung.
Ebenfalls einen Schritt zurück sind die neuen Restriktionen in Sachen Heilung. Während Healer derzeit ein verhältnismäßig lockeres Leben genießen, soll ihr Job mit Warlords of Draenor wieder um einiges anspruchsvoller werden. Anstatt nämlich einfach nur den Schaden der Bosse in neue Höhen zu treiben, verringert man die Heilleistung aller Klassen. Wünschenswert wäre es natürlich auch, den Manaüberfluss einzudämmen, aber dazu hat man sich leider noch nicht geäußert. Zumindest sollen Heiler mit der kommenden Erweiterung wieder mehr „Spaß“ haben, wobei die Freude hier wohl eher als Stress gemeint ist.
Ey Alter, wo ist mein Flugmount?
Die bisher umstrittenste Neuerung mit Warlords of Draenor ist der Verzicht auf Flugmounts auf dem neuen Kontinent. Gemeint ist damit aber nicht nur, dass ihr ein bestimmtes Level erreichen müsst, um euch fliegend durch die Welt zu bewegen. Nein, man will dieses Feature zunächst ganz weglassen und austesten, wie sich das Spiel dann entwickelt. In den alten Gebieten werdet ihr noch ganz normal eueren fliegbaren Untersatz satteln können, in den neuen Zonen ist dies maximal zum gewöhnlichen Reiten möglich.
Man will damit wohl erreichen, dass die Spieler sich wieder mehr mit ihrer Umgebung auseinandersetzen. Bisher sieht es ja eher so aus, dass jeder so schnell wie möglich in luftige Höhen abhebt und dann größtenteils nur noch Questspots abgrast. Dennoch sind hier viele Fans verärgert, zumal man die Flugtiere ja auch für Echtgeld kaufen kann. Blizzard hält sich aber jede Tür offen und verweist vehement auf das Wort „zunächst“ in diesem Umstand.
Die erste eigene Bude & PvP
Ja, so ein schönes Housing-System, das sollte World of Warcraft ja schon lange bekommen und nun wird der Traum vom Eigenheim sogar irgendwie Wirklichkeit. Anstatt hier aber auf eine schöne Sandbox-Komponente zu setzen, entschied man sich einfach nur zur klassischen Variante: Wir bauen uns eine eigene Garnison. In guter alter Warcraft-Manier errichten wir unsere eigene Basis und bauen sie aus. Das ist ganz nützlich, um Berufe und solche Dinge zu vereinfachen, aber irgendwie riecht das wieder verdammt nach Zweckoptimierung, denn wirklich kreativ können wir nicht werden. Ganz im Gegenteil: Es sollen vorgefertigte Gebäude zur Verfügung stehen, die wir nach Wahl bauen und aufwerten können. Ganz Warcraft eben.
Während man sich während der BlizzCon zum Thema PvP noch bedeckt hielt, sind nun endlich frische Infos durchgesickert. Zwar erwartet uns keine große Neuerung, dafür aber einige nützliche Verbesserungen. Allen voran wird an einem Zuschauermodus gefeilt, damit World of Warcraft auch endlich den Anschluss in Sachen eSport bekommt. Weiter sollen Schlachtfelder während des Levelns angenehmer werden, da es auch hier die aus den Random-Dungeons bekannten Belohnungen geben wird. Für Viel-Twinker auf jeden Fall eine nützliche Sache.
In Sachen PvP-Gear will man ebenso auf einige Werte verzichten und (jetzt wird es etwas abgedreht) die Lebenspunkte der Charaktere verdoppeln. Im Gegenzug sollen die Schadenspitzen verringert werden. Also mehr einstecken und weniger austeilen? Eine seltsame Kombination. Hier bedarf es auf jeden Fall noch mehr Details vonseiten der Entwickler, damit ich mir ein Urteil darüber bilden kann.
Frischer Wind für alte Zwerge
Was habe ich mich damals geärgert, als ich mir nach dem gerenderten Ingame-Video mit Thrall selbst einen Ork erstellen wollte und erst dann gemerkt habe, wie doof die alten Charaktere aussehen. Im Gegensatz zu den detailreichen Worgen, Goblins und Pandaren, sehen die Urlinge schon arg altbacken aus. Hier schafft Blizzard Abhilfe und schenkt ihnen allen ein radikales Neustyling. Alle alten Völker werden optisch überarbeitet. Klasse! Ansonsten wird sich grafisch leider nicht so viel tun, was wiederum sehr schade ist. Gegen aktuelle Titel wie Elder Scrolls Online oder Neverwinter kann die Optik von World of Warcraft zumindest technisch kaum mehr mithalten.