Eigentlich sollte Lords of the Fallen erst am 30. Oktober für PC, PlayStation 4 und Xbox One erscheinen, doch dem Umstand entsprechend, dass einige Händler das „Hardcore-RPG“ teilweise schon eine Woche vorher im Regal stehen hatten, wurde das deutsche Dark Souls kurzerhand auf den 28. Oktober vorverlegt. Wir haben uns als Harkyn auf der PlayStation 4 gegen die mörderischen Rohgar erhoben und einen Blick in die erbarmungslose Spielwelt gewagt. Dabei steht natürlich eine Frage dick und breit im Raum: Wird das Rollenspiel von Deck 13 seinen großen Tönen gerecht? Geworben wird brachialer Härte und anspruchsvollen Kämpfen. Wir klären, ob ihr wirklich ein dickes Fell für Lords of the Fallen braucht.
Das "deutsche Dark Souls"?
Wenn die Entwickler bei Deck 13 wohl eines nicht mehr hören können, dann sind es Vergleiche mit der preisgekrönten Souls-Serie (u.A. Dark Souls) vom japanischen Studio From Software, die Lords of the Fallen seit der ersten Präsentation über sich ergehen lassen muss. Aber dabei liegen die Gemeinsamkeiten praktisch auf der Hand: eine finstere Mittelalter-Welt, brachialer Schwierigkeitsgrad ohne Easy Mode und eine tiefgründige Charakterentwicklung. Es ist also keine Beleidigung, wenn man bei Lords of the Fallen vom „deutschen Dark Souls“ spricht – immerhin orientierten sich die Jungs und Mädels aus Frankfurt am Main offensichtlich an einem gelungenen Spiel.
Doch kann Lords of the Fallen damit punkten und das Zepter ebenso hochhalten? Die Fans sind berechtigt misstrauisch, denn wenn man sich die letzten Veröffentlichungen von Deck 13 so anschaut, kommen Zweifel auf. Neben bizarren Titeln wie „Moorhuhn: Tiger & Chicken“ finden wir unter anderem „Blood Knights“, welches 2013 als ambitioniertes Hack'n Slay eher unterdurchschnittlich abschnitt, das doch gelungene Mysterie-Adventure „Black Sails“ von 2010 und das eher mittelmäßige „Venetica“ – ein Action-Adventure aus dem Jahr 2009. Gemischte Gefühle also, die Lords of the Fallen, soviel verraten wir schon, weitestgehend ins Positive dreht.
Charaktererstellung im Schnelldurchlauf
Nach einer kurzen Charaktererstellung, bei der wir aus einer einfachen Schablone Startausrüstung (Krieger, Dieb oder Kleriker) und Magieart mixen, um daraus eine Klasse zu erstellen, landen wir auch schon im bombastischen Intro-Cinematic. Wir übernehmen in jedem Fall die Rolle des Ex-Knackis Harkyn, der seine Sünden als Tätowierungen auf der Stirn zur Schau trägt und nur aus dem Kerker entlassen wurde, um mal eben die Welt zu retten. Eine Möglichkeit einen weiblichen Helden zu spielen oder unser Aussehen anzupassen, gibt es leider nicht. Das ist zwar schade, fällt aber nichts ins Gewicht, da sich die Handlung direkt auf Harkyn konzentriert, ähnlich wie es bei der Witcher-Reihe und Hexer Geralt der Fall ist.
Magiearten haben wir drei Stück zur Auswahl und diese lassen sich grob in die Richtungen Selbstheilung/Stärkung, verdeckte Vorgehensweise oder plumper Haudrauf unterteilen. Nach der schnellen Auswahl und dem Cinematic finden wir uns mit unserem Mönchsfreund Kaslo in einem verschneiten Kloster wieder. Hier wüten die finsteren Dämonen der Rohgar, einer feindlichen Brut aus einem Paralleluniversum, das in unsere Welt eindringt und naja, eben Böses will. Wie auch schon bei Dark Souls wird die Story sehr schmal serviert, wobei Lords of the Fallen hier nicht so nachhaltig daherkommt. Grundlegend folgen wir einer Hauptgeschichte, die sehr gut vertont und in Etappen unterteilt ist. Daneben gibt es wenige Sidequests, die wir optional erledigen können. Recht schnell erfahren wir, dass unser erstes Ziel darin liegt, die Wegpforte, also den Durchgang zur Rohgar-Welt zu versperren. Dazu kommt der mysteriöse Antanas, der Obermotz im Kloster, der, wie wir im Laufe der Handlung erfahren, auch nicht unbedingt der Saubermann schlechthin ist.
Das klingt jetzt nicht nur semi-spannend, es fällt tatsächlich leider so aus. Auch wenn wir schon deutlich schlechtere Storys gespielt haben, reißt uns die Handlung von Lords of the Fallen zu keiner Zeit wirklich mit. Zwar hat sich Deck 13 alle Mühe gegeben, eine wirklich tolle Spielwelt zu erschaffen, aber für eine kryptische Hintergrundgeschichte fehlt es an Hinweisen, an skurrilen Charakteren und an „Aha!“-Momenten. Lords of the Fallen wirkt wie ein Road Trip oder lang gezogener Kinobesuch. Das liest sich bestimmt schlimmer als es ist, aber Fans von tiefgründigen Geschichten werden leider nicht bedient.
Story oll, Gameplay toll
Zum Glück aber ist der Rest des Spiels so motivierend, dass uns dieser Punkt zwar übel aufschlägt, wir aber dennoch weiter vor dem Bildschirm kleben. Das hat vor allem den Grund, dass die Spielwelt, wie bereits erwähnt, sehr atmosphärisch und grafisch aufwendig gestaltet ist. Jedes Gebiet hat seine eigenen Facetten, ist detailreich aufgebaut und sorgt für Sterne in den Augen, weil's einfach so toll ausschaut. Dummerweise hat man wenig Zeit zum Genießen, da man ja ständig Gegner verprügeln muss. Wer jetzt an endlose Todesqualen denkt, wird etwas stutzig werden, denn die Normalo-Rohgar sind zwar alles andere als ein Zuckerschlecken, aber dennoch keine Todbringer. Es kommt einem dabei so vor, als wäre die KI absichtlich etwas zurückhaltend, um halt die nötige Chance zu lassen, selbst mit halsbrecherischen Aktionen irgendwie durchzukommen – wenn man es nicht völlig vergeigt. Während uns bei Dark Souls schon die Standard-Gegnergruppen in Angst und Schrecken versetzen, sind die Feinde bei Lords of the Fallen deutlich nachlässiger. Das heißt allerdings nicht, dass jeder Blindgänger durch das Spiel rennt, wie ein warmes Messer durch Butter schneidet.
Das Grundmanifest des Gameplays ist das bedachte Haushalten der Ausdauerpunkte, die jede Aktion verschlingt, und das zeitgenaue Blocken oder Wegrollen. Praktisch ist es dabei immer, hinter den Gegner zu gelangen und dann gezielt zuzuschlagen. Stichwort: Backstep! Lasst euch aber nicht zu waghalsigen Schmetterorgien verführen. Ein Schlag zu viel und eure Ausdauer ist leer und ihr seid eurem Feind gnadenlos ausgeliefert. Solltet ihr aber doch mal euren Vorteil nutzen und leichte Schläge mit schweren Angriffen kombinieren, könnt ihr satte Kombos hinlegen und die Rohgar gehörig zerlegen. Besonders Schwachstellen in ihrer Verteidigung können für wirkungsvolle Konterangriffe genutzt werden.
Bei den Bossen kann Deck13 glänzen
Ganz gegenteilig zum doch eher besiegbaren Trash kommen die Fürsten, also die Bossgegner in Lords of the Fallen, daher. Die Super-Rohgar besitzen nicht nur viel mehr Leben und teilen sehr harte Hiebe aus, sie haben auch etliche Tricks auf Lager. Hier kann Deck 13 voll punkten und unserer Meinung sogar die Dark Souls-Bosse ausstechen. Einfach nur im richtigen Moment Schild hoch oder Sprint zur Seite hilft nicht, denn jeder Obermotz hat einige Extras im Kampf parat, die erkannt und beachtet werden müssen. Die Gehilfen eures Gegners sind da noch das kleinste Übel. Oft muss das ganze Kampfareal ausgenutzt werden. Die Dynamik und Abwechslung der Bosskämpfe macht sau viel Spaß und sorgte schon nach wenigen Stunden für positive Frustmomente, wenn einer der Klopper einfach nicht ins Gras beißen will.
Natürlich ist kein Fürst unbezwingbar, doch die richtige Taktik ist nicht immer gleich offensichtlich und selbst wenn, erfordert sie einiges an Geschick.
Spielzeit und NewGame+
Aber bei Lords of the Fallen geht es natürlich nicht nur ums Dreschen, sondern auch darum, die Spielwelt zu erkunden. Die wartet mit verwinkelten Arealen und etlichen Verstecken auf. Wer schnurstracks durchrennt, vergisst die Hälfte. Allen voran natürlich die Kisten, die nützliche Gegenstände enthalten können. Dazu kommen noch Schriftrollen, die, in bester Diablo 3-Manier, Audiologs enthalten und mehr über die Hintergründe der einzelnen Gebiete verraten, und Abkürzungen, die wir nutzen können, um uns viel Laufzeit zu bereits erkundeten Orten zu ersparen. So kommen insgesamt um die 25 bis 30 Stunden Spielzeit zustande, wobei es neben der Hauptstory wenig zu erleben gibt. Rund 10 Bosse zählt die Spielwelt pro Durchlauf, daneben gibt es noch eine Handvoll Sidequests, die aber nicht der Rede wert sind.
Ähnlich wie bei Dark Souls könnt ihr das RPG nach dem Tod des Endgegners noch mal durchspielen, als „NewGame+“. Im NG+ steigen nicht nur Lebenspunkte und Kraft der Gegner, ihr erhaltet auch mehr Erfahrungspunkte und Zugriff auf eine zweite Magie-Klasse. Habt ihr das Spiel erneut durchgespielt, wartet der „NewGame++“ als letzte und härteste Modifikation auf. Hier wird alles nochmals schwerer und ihr bekommt alle Magiearten zur Hand. Das motiviert aber nur, wenn man die Kombination der einzelnen Klassen untereinander ausprobieren will. Neue Inhalte gibt es keine.
Magiehandschuh und andere Ausrüstung
Eine weitere Spezialität von Harkyn ist sein mächtiger Magiehandschuh, den wir recht früh im Spiel erhalten. Mit diesem können wir spezielle Geschosse abfeuern oder andere Effekte bewirken. So müssen wir uns bei der Nebenhand immer für den Handschuh oder ein Schild bzw. eine zweite Waffe entscheiden. Wahlweise können wir natürlich auch unser Schwert in beide Hände nehmen und so mehr Schaden anrichten. Zusätzlich zum Magiehandschuh haben wir noch einen von vier Zaubern aktiv zur Verfügung. Das kann zum Beispiel ein Pappkamerad, der die Aufmerksamkeit der Gegner auf sich lenkt, ein Schutzschild, eine Art Unsichtbarkeit oder ein Sturmangriff sein. Dafür (und auch für den Handschuh) brauchen wir Manapunkte, die sich automatisch regenerieren. Später können wir die Regenerationsgeschwindigkeit mit unserer Ausrüstung verbessern.
Unsere Ausrüstung besteht aus den üblichen Rüstungstypen und Waffenarten, die wir in verschiedenen Seltenheitsstufen während unserer Abenteuer finden. Fernkämpfer werden hier allerdings einen Bogen oder eine Armbrust vermissen. Besonders wertvolle Stücke erhalten wir durch Bosskämpfe, wenn wir spezielle Herausforderungen meistern. Diese teilen sich in knackige Challanges auf, wie zum Beispiel kein einziges Mal Schaden zu erleiden, Gehilfen durch die Fähigkeiten des Bosses zu töten oder den Todesstoß mit einer bestimmten Waffe durchzuführen. Durch ein simples Craftingsystem können wir unsere Waffen und Rüstungen mit verschiedenen Runen, die wir ebenfalls finden müssen, aufwerten. So zaubern wir uns zum Beispiel zusätzlichen Feuerschaden auf eine Klinge oder ändern die Wirkungsweise unseres Magiehandschuhs – so kann er unter anderem Giftgeschosse abfeuern oder Gegner kurzzeitig lahmlegen. Das ist ziemlich cool! Allerdings müssen wir auch mit unserer Ausrüstung haushalten, denn uns steht nämlich nur eine gewisse Menge Belastung zur Verfügung, was unser Lauftempo sowie das Ausweichen erschwert. Dabei gilt natürlich: je dicker und schwerer wir sind, desto mehr halten wir aus, sind aber beweglich wie eine Brechstange und schnell wie ein Hauklotz. Um unsere Belastbarkeit und andere Werte zu erhöhen, müssen wir die Erfahrungspunkte einsetzen, die es von jedem Gegner gibt. Dies geht wie bei Dark Souls nur an den Checkpoints. Die kommen in erträglichen Abständen zueinander und bilden einen Wiedereinstieg nach dem Tod. Außerdem können wir nur hier Talentpunkte verteilen.
Ein Leben nach dem Tod
Dabei hat sich Deck 13 aber etwas Tolles einfallen lassen. Je mehr Erfahrungspunkte wir gesammelt haben, desto höher steigt unser Multiplikator für Beute und EXP. Entscheiden wir uns also dazu, ganz viele Punkte mit uns zu schleppen, bekommen wir am Ende eine größere Belohnung. Allerdings verlieren wir alles, wenn wir sterben und auf dem Weg zu unseren Überresten erneut das Zeitliche segnen oder zu viel Zeit benötigen. Unsere Überreste (im Spiel EP-Geist genannt) liegen nicht ewig da. So müssen wir uns also entscheiden, ob wir mutig sind oder immer schnell alle Erfahrung in Talentpunkte umwandeln. Die Werte sind ebenfalls die Standards, die man aus allen Rollenspielen so kennt. Hinzu kommt, dass wir unsere Erfahrung auch wahlweise in die Verbesserung unserer Magie stecken können.
Tolle Grafik, super Sound, leider Bugs
Was Deck 13 dafür sehr gut gemacht hat, ist die Grafik, die durch ihre hoch aufgelösten Texturen, die tollen Lichteffekte und die sauberen Animationen zu begeistern weiß. Lords of the Fallen fühlt sich wirklich wie ein modernes Spiel an und protzt auf einem technisch hohen Niveau. Dazu gehören auch der satte Sound, mit dem orchestralen Soundtrack und der sehr guten deutschen Vertonung. Da kann man absolut nicht meckern.
Auf dem PC und auf den Konsolen kommt das Rollenspiel mit 1080p-Auflösung daher, allerdings schafft der Rechenknecht die vollen 60 FPS, während Xbox One und PlayStation 4 mit nur 30 Bilder-pro-Sekunde auskommen müssen. Das stört allerdings den Spielspaß nicht. Schade nur, dass Lords of the Fallen zum Release noch mit einigen Problemen zu kämpfen hatte. So gab es für alle Plattformen einen mehrere Gigabyte großen Day0-Patch und PC-Spieler bekommen immer noch Hotfixes für Performance-Probleme mit einigen Hardware-Komponenten nachgeschoben.
Das deutsche Dark Souls ist nämlich etwas gierig und verlangt mindestens 6GB-RAM, einen AMD FX oder Intel Core i Prozessor sowie eine GTX 660 oder AMD HD 7870 Grafikkarte. Trotz vieler Patches treten einige Bugs immer noch auf, die aber nicht zwingend negativ ins Gewicht fallen.
Was ebenfalls nicht im Paket enthalten ist, ist ein Mehrspieler-Modus. Weder für PvP noch zum Helfen bei den Bossen können andere Spieler in unsere Welt eindringen. Lords of the Fallen ist ein reiner Singleplayer ohne CoOp-Funktion. Da das Spiel aber auch so angekündigt war, nehmen wir dies nicht mit in die Bewertung auf.