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Heroes of the Storm: Was steckt in Blizzards MOBA?

MOBAs werden einfach nicht langweilig. Man muss schon Monate und Jahre die gleichen Schlachten schlagen, um mit der Zeit Eintönigkeit in League of Legends oder Dota 2 zu verspüren. Dem Genre selbst schadet das keineswegs, denn wo man seine Laufbahn in einer Online-Arena beendet, beginnt in einer anderen meist schon der Neuanfang. Es ist ein schier nie enden wollender Kreislauf. Jahre nach League of Legends merkte das auch Blizzard und will 2015 endlich mit Heroes of the Storm (HotS) Teil des Phänomens werden statt nur blöder Zuschauer zu sein. Der scheinbare Underdog hat dabei echt gute Karten, denn er beseitigt das entscheidende Problem der großen Zwei.

Die Welt lachte sich ein Wenig ins Fäustchen, als das namhafte Studio hinter Diablo, StarCraft und World of Warcraft mit einer eigenen MOBA irgendwie nicht in die Gänge kam. Ausgerechnet die erfahrenen Spielemacher aus Kalifornien stolperten von einem Gerücht in die nächste Spekulation und mit dem Namen „Blizzard Dota“ über einen Streit mit Valve, ehe man nach „Blizzard All-Stars“ endlich bei Heroes of the Storm ankam. Heute scheint Blizzard routiniert und gefestigt. HotS ist seit Monaten auf beinahe skandalfreiem Kurs in Richtung Release und marschiert von einer Testphase in die nächste. Seit Januar läuft die Closed Beta mit einem tollen Nebeneffekt für das Unternehmen: Der Andrang ist so groß, dass Blizzard erstmals Gründerpakete verkauft, obwohl für den Gaming-Giganten überhaupt kein wirklicher Bedarf besteht.

Was zieht Spieler aus aller Welt in den „Nexus“? Dass hier die bekanntesten Charaktere aus drei Spieleuniversen zusammenstoßen, ist ein Pluspunkt, denn sowohl Diablo 3, StarCraft 2 und World of Warcraft haben noch starke Nutzerzahlen und viele Fans, die von einem Gastauftritt ihrer Lieblingshelden in einer MOBA gerne hören. Langfristig bringt das Blizzard aber wenig, denn Spieler, die alleine dadurch zufriedenzustellen sind, dass sie die Form von Thrall, Sylvana, Raynor oder Diablo annehmen können, gibt es nur selten. Will man Heroes of the Storm eine Erfolgsgeschichte voraussagen, so muss man schon unter die Oberfläche dieses Marketing-Tricks tauchen.

Besonders tief muss man hierfür nicht kommen, denn HotS ist eher frei von Tiefgang. Zahlreiche Elemente, die League of Legends oder Dota 2 schwer meisterbar machen, streicht die neue kostenlose MOBA einfach ein. Das fängt bei Kleinigkeiten an: Weder steigen einzelne Spieler individuell im Level auf, denn HotS regelt den Fortschritt des Teams über Gruppenerfahrung, noch kommt es darauf an, bei den Creeps den letzten tödlichen Schlag für den Erhalt von Gold zu machen. Denn auch einen Shop für Charakter-Items hat Blizzard ausgelassen. Den Spielstil zu individualisieren, indem in jeder Partie andere Charakterwerte durch Gegenstände verbessert werden, funktioniert daher nicht. Zu seinem eigenen Vorteil erscheint HotS deutlich abgespeckt. Eine Casual-MOBA von einem ambitionierten Entwickler fehlt dem Markt tatsächlich noch, nun da S2 Games mit seiner neuen Online-Arena Strife etwas zu bunt und kuschelig zu werden droht. Blizzard prescht in diese Lücke und erlaubt es so Anfängern und ambitionierten Spielern gleichermaßen, Spaß zu haben.

Wenn man einer MOBA abspricht, auf komplexes Gameplay zu verzichten und man festhalten muss, dass zur Zeit „nur“ 34 Helden zur Auswahl stehen, die auch noch für echtes Geld oder virtuelles Gold freizuschalten sind, dann bleibt einer MOBA scheinbar nur noch wenig Inhalt. Die Angst ist unbegründet, denn nur weil etwas nicht komplex oder umfangreich ist, ist es noch lange nicht einfach und eintönig. Alleine wegen des neu hinzugestoßenen Wikinger-Trios, dessen Charaktere gleichzeitig zu steuern sind, prasseln Schweißperlen neben das Gaming-Keyboard. Auch findet etwas Individualisierung statt, sobald die Spieler auf Stufe 1, 4, 7, 10, 13, 16 und 20 jeweils vor der Wahl zwischen verschiedenen Skills und deren Verbesserung stehen. Zusammengefasst erreicht Blizzard in einem strategischen Onlinespiel leichter als andere Studios genau das, woran manch anderer eben scheitert: Es kommt in HotS auf die spielerischen Fähigkeiten des Einzelnen an und nicht darauf, wer in den letzten 200 Partien den Shop auf der Karte besser studiert hat. Irgendwie ist HotS also doch pures, actionorientiertes Gameplay.

Von wirklicher Innovationskraft zeugt das alles noch nicht. Das Spielgefühl in den Kämpfen ähnelt auch dem anderer MOBAs. Es wird teleportiert, unsichtbar gemacht, gestunnt, geblockt, geheilt, getankt – und oft genug fehlt es nicht nur an Lebens-, sondern auch an Manapunkten. HotS macht das Rad hier keinesfalls runder. Gleichzeitig räumt Blizzard mit dem Problem auf, dass die großen Zwei plagt. Noch ein 5-vs-5-Geplänkel auf der symmetrischen Standardkarte à la Dota 2 oder League of Legends braucht die Welt nicht. Der größte Schatz von Heroes of the Storm ist die Vielfalt der Schlachtfelder. Damit setzt der Neuling auf einen Kurs, der von Dota 2 verschlafen wird und von League of Legends verschlafen beziehungsweise mit mangelndem Respekt behandelt wurde. Stichwort Magma Chamber. Sechs abwechslungsreiche Karten sind schon Teil der Beta. Ihre Namen klingen mit „Garten der Ängste“, „Schwarzherzbucht“, „Verfluchtes Tal“, „Drachengärten“, „Geisterminen“ und „Tempel des Himmels“ so vielfältig wie auch ihr Gameplay ist. Auch wenn HotS Abstriche von gewohnten Features einer solchen Online-Arena macht: Mit der Kartenvielfalt könnte der Befreiungsschlag vom gefürchteten MOBA-Einheitsbrei gelingen. Das Beste: Blizzard hält sich die Zukunft offen, denn die nächsten Karten können in verschiedensten Settings platziert sein, sich an verschiedensten Mechaniken orientieren und aus verschiedenen Blizzard-Spielen stammen. Nicht schlecht für die Bindung der Fans und als immer neuer Grund für die Rückkehr in den Nexus.

Ein Beispiel zu den Karten: In der Küstenregion „Schwarzherzbucht“ lassen die Creeps in den Camps kostbare Münzen fallen, die einen untoten Piratenkapitän in der Kartenmitte davon überzeugen, das Feuer auf die Gebäude des Feindes zu eröffnen. Dieser Spielmodus stellt eine Vielfalt von Fragen: Liegen die Prioritäten auf dem direkten oder indirekten Angriff? Wer verteidigt die Lanes? Wer verhindert zum richtigen Zeitpunkt die Bezahlung des Piraten durch die Feinde? Und wie viele Münzen darf ich überhaupt mit mir rumtragen, um kein zu attraktives Ziel für den Feind zu werden? Auf der Karte „Geisterminen“ lauten die Fragen hingegen anders, da es darauf ankommt, sich in einer speziellen Phase des Spiels um Totenschädel in einer unteren Ebene zu prügeln. Je mehr der 100 Schädel auf das Konto eines Teams gehen, desto stärker ist in den folgenden Minuten ein Golem, der auf einer Lane ordentlich Druck auf die Verteidigung des Feindes macht. Tolle Nebeneffekte des Ganzen: In der Mine kommt es immer zu vom Spiel erzwungenen Schlachten und diese unterbrechen die Routine auf den Lanes.

Insgesamt gibt Blizzard einen klaren Kurs für Heroes of the Storm vor. Spannend wird zu sehen, wie sich der Schützling des Genres in Sachen eSports schlägt beziehungsweise wie sehr HotS überhaupt für den elektronischen Sport taugt. Gute Voraussetzungen sind mit den Ranglistenspielen und dem klassischen Draft Mode schon Teil der Beta-Phase. Was fehlt, sind der große Hype, also die Begeisterung – die vollen Stadien. Auf seiner Karriereseite sucht Blizzard zumindest schon nach gleich mehreren Programmorganisatoren für den eSports-Bereich. Am Ende dürften also größere Turniere als ein jährliches Battle auf der BlizzCon auf der Agenda stehen.

Ausblick: Nicht besser. Nicht schlechter. Aber anders.

Spieler, die lange Jahre eine Leidenschaft für Dota 2 oder League of Legends entwickelt haben, drohen Heroes of the Storm nach wenigen Stunden und einem kurzen Kontrollbesuch wieder den Rücken zu kehren, denn Heroes of the Storm hat mit den bekannten MOBA-Größen nur den Arena- und Team-Gedanken gemeinsam. Abseits dessen schlägt sich HotS frei von Altbekanntem und gibt der aus dem letzten Jahrzehnt stammenden DotA-Karte ein neues Gesicht. Gerade mit den verschiedenen Karten und dem weniger komplexen Gameplay zeigt sich: Blizzard gibt dem Genre einen neuen Anstrich. Die Bewährungsprobe steht den Kaliforniern aber noch ins Haus, denn der Ernst des Lebens beginnt mit dem Release. Um sich dann zu beweisen, muss Heroes of the Storm eben nicht nur gut sein, sondern in Sachen Spielerzahlen souverän die großen Lücken zu League of Legends und Dota 2 schließen, die immerhin bis zu 7,5 Millionen beziehungsweise eine Million Spieler anlocken – gleichzeitig.

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