Am 29. Februar 2015 trat das Ensemble von Video Games Live zum ersten Mal im Berliner Tempodrom auf. Wir waren vor Ort und haben mit großer Freude erlebt, wie typische Gaming-Soundtracks in höchster Qualität von einem echten Orchester gespielt wurden. Dirigiert wurde das Event dabei von niemand Geringerem als Russell Brower, dem Lead-Composer von Blizzard, der zeigte, dass auch Games Kultur sind, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir hatten glücklicherweise nicht nur die Möglichkeit in den vorderen Reihen zu sitzen, sondern uns auch noch mit dem Mann zu unterhalten, der für viele epische Momente bei World of Warcraft verantwortlich ist.
Keine Kultur? Video Games Live beweist das Gegenteil
Er wirkt wie eine Mischung aus gealtertem Rocker und durchtriebenen Spieler. Russell Brower wirkt auf den ersten Blick nicht gerade wie ein Mann von Welt, doch das täuscht und er hat viel zu erzählen. Als Lead-Composer bei Blizzard ist er für viele der dortigen Soundtracks, vorrangig für World of Warcraft, verantwortlich und das schon seit der Erweiterung The Burning Crusade. Er tourt derzeit zusammen mit Video Games Live durch Europa und gibt sich dabei als Dirigent die Ehre. In der vergangenen Woche war die Truppe in Wien, was Brower sogleich dazu nutzte, auf den Spuren von Beethoven zu wandeln. Der Mann mit der Löwenmähne und dem Diablo-Shirt offenbart uns seine Liebe zu dieser Form der Musik.
„Meine Wurzeln liegen im Gaming“
Bevor er zu Blizzard kam, hat er als Komponist für NovaLogics gearbeitet, die vor allem in den späten 90ern und Anfang der 2000er für ihre Kriegssimulationen bekannt waren. Aber Fantasy liegt ihm eben dann doch näher, was er bei der Arbeit an World of Warcraft sehr gut ausleben kann. Er ist kritisch mit sich selbst, aber versucht auch Abstand zu seiner Arbeit zu halten. Auf unsere Frage, ob er beim Spielen über seine Kompositionen nachdenkt, sagt er, dass er in seinem Privatleben eher Gamer als Lead-Composer ist.
„Ich habe einen Blizzard-Kopf und einen Gamer-Kopf. Wenn ich das Büro verlasse, dann tausche ich die beiden aus.“
Das heißt aber nicht, dass er nachlässig mit seiner Arbeit umgeht. Um Inspiration für die Soundtracks zu sammeln, spielt er natürlich die Spiele und liest auch die Begleitromane dazu. Eines seiner schönsten Erlebnisse, wie er beschreibt, war sein Auftritt auf der Bühne bei Diablo 3, als er mit einer zwölfsaitigen Gitarre das neue Tristram-Theme angespielt hat. Da wusste jeder gleich, dass Diablo 3 auch ein echtes Diablo wird. Okay, das werden einige Fans nun sicher anders sehen, aber der Wiedererkennungswert sei sehr wichtig, bei den Soundtracks von Blizzard. Wenn die Fans sie hören, sollen sie sofort wissen, zu welchem Spiel sie gehören. Ein Umstand, der den Schöpfern durchaus gelinkt. Nicht wenige Lieder genießen mittlerweile Kultstatus und die Fans wissen sofort, was sie da gerade hören.
„Unser Ziel ist es, der heutigen Jugend die klassische Musik zu zeigen“
Heute Abend ist er Live auf der Bühne, aber nicht alleine. Zusammen mit einem kompletten Orchester und der Sängerin Jillian Aversa präsentiert er Video Games Live. Die Show rund um Musik aus der Gamingwelt existiert bereits seit 2005 und tourt jährlich durch die Welt – mittlerweile auch durch Deutschland. In München war die Show ausverkauft und auch in Berlin sind die meisten Plätze vergeben. Dabei sind die rund zwei Stunden nicht gerade Fre-2-Listen. Rund 50 Euro kostet eine Eintrittskarte für das Berliner Tempodrom, aber dafür bekommen die Fans auch einiges geboten.
Stolz erzählt uns Brower, dass es das Ziel der Veranstaltung ist, vor allem den jungen Spielern zu zeigen, wie schön klassische Musik sein kann. Und das gelingt ihnen auch. Egal ob Final Fantasy, Journey, Mass Effect, Metal Gear Solid oder Kingdom Hearts. Die Profimusiker hauen ein Highlight nach dem anderen raus. Dazwischen warten immer wieder lustige Clips und heizen die Stimmung noch weiter an. Besonderer Höhepunkt für Brower: Der 10. Geburtstag von World of Warcraft mit einer Mischung aus bekannten Stücken sowie dem gewaltigen Cinematic-Lied „Arthas, My Son“ aus der Erweiterung Wrath of the Lich King.
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"Wenn du da oben stehst, dann siehst du die Leute nicht, aber du hörst sie und das tut gut"
Jedem Stück folgt anhaltender Applaus und die Freude steht ihm ins verschwitzte Gesicht geschrieben. Wie ein Rockstar verlässt er kurz vor Schluss die Bühne, um dann unter großem Getose zurückzukehren und das Finale, das berühmte „One Winged Angel“ aus Final Fantasy VII, einzuläuten. Danach wieder Applaus und leider auch das Ende der Show – aber nicht des Abends. In der Lobby stehen die Stars der Video Games Live für die Zuschauer bereit, machen Fotos, geben Autogramme und wollen Feedback hören. Welche Lieder haben den Fans gefehlt? Die Auswahl ist bestimmt endlos. Aber selbst wenn, könnte die Stimmung nicht besser sein.
Es ist schon etwas Besonderes, als Videospieler in einem Konzerthaus zu sitzen und solche Musik zu hören. Wenn Violinen auf Kontrabässe treffen und das Ganze von einem epischen Chor begleitet wird, sorgt das für absolute Gänsehautstimmung. Wer da noch behauptet, dass Gaming keine Kultur wäre, der sollte sich das Ticket gönnen und vom Gegenteil überzeugen lassen. Wir sind mehr als zufrieden mit dem Abend und legen es euch ans Herz, wenn ihr die Möglichkeit haben solltet, euch Video Games Live nicht entgehen zu lassen.