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Rise of the Tomb Raider: Die schönste Lara bisher

Wir haben uns durch einen Schneesturm geschlagen, sind durch finstere Grabkammern geklettert, haben gegen einen sibirischen Bären gekämpft und das eine oder andere Gefecht gegen die Geheimorganisation Trinity bestritten. Kurz, wir haben Rise of the Tomb Raider gespielt und verraten euch in unserem Test, was der Titel richtig macht und wo wir ein wenig Kritik äußern müssen.

Der Weg zu einer Legende

Kräftig schlagen wir mit unseren Eispickeln in die Eiswand, an der wir uns mit letzter Kraft hinaufziehen – nur noch wenige Meter bis wir endlich den rettenden Gipfel erreicht haben. Über uns hören wir die gedämpften Schreie unseres Begleiters, die in dem Schneesturm kaum noch zu hören sind. Schlag für Schlag kommen wir unserem Ziel näher, als wir plötzlich ein lautes Knacken vernehmen: Zu unserer rechten Hand breitet sich ein immer größer werdender Riss aus. Bevor wir realisieren können, was gerade vor sich geht, löst sich ein großes Eisstück von der Wand und reißt uns mit sich in die Tiefe.

In letzter Sekunde bremst uns das Seil, mit dem wir an unserem Begleiter befestigt sind und lässt uns hilflos in schwindelerregender Höhe hängen. Doch wir beschließen, den sicherlich tödlichen Sturz auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen, schwingen uns zurück an die vertikale Wand und schlagen unsere Kletteraxt mit ganzer Kraft in das ewige Eis.

Zu Beginn von Rise of the Tomb Raider befinden wir uns im eiskalten Sibirien auf der Suche nach einem sagenumwobenden Artefakt, das seinem Besitzer Unsterblichkeit und damit ewiges Leben verspricht. Da überrascht es nicht, dass sich die skrupellose Sekte namens Trinity an unsere Fersen hängt. Doch während Lara nur dem Vermächtnis ihres ermordeten Vaters folgt und diesem seinen letzten Willen erfüllen möchte, verfolgt Trinity deutlich finsterere Pläne und ist weniger an dem Wohle der Menschheit interessiert. Unsere Aufgabe besteht also nicht nur darin das mächtige Artefakt zu finden, sondern vor allem auch dieses vor Trinity zu schützen.

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Ein Blick zurück

Rise of the Tomb Raider schließt nahtlos an den Serien-Reboot aus dem Jahre 2013 an, in dem die 21-jährige  Archäologin Lara Croft an einer Expedition teilnimmt, um die sagenumwobene Insel Yamatai zu finden. Schon hier mussten wir uns mit den Schergen von Trinity messen und bekamen mehr Gefechte geboten, als wir aus allen vorherigen Tomb Raider-Teilen zusammen gewohnt waren. Doch das soll in keinem Fall heißen, dass Tomb Raider schlecht war. Zwar veränderte Entwickler Crystal Dynamic viele Dinge von Grund auf, Gameplay und Spielmechaniken funktionieren allerdings die meiste Zeit fast perfekt.

Wir bekamen mit Lara eine junge, unerfahrene und noch ein wenig naive Protagonistin geboten, die ihren Weg erst noch finden musste. Zwar war die Entwicklung der ängstlichen Archäologin zu einer wahren Killerin nicht wirklich nachvollziehbar, Lara blieb insgesamt zu blass, der Spieler erfuhr zu wenig über ihre Hintergründe, Gefühle sowie die Motivation und den unbändigen Ehrgeiz, der sie auch am Ende ihrer Kräfte noch weitermachen ließ. Insgesamt ist der 2013-Ableger aber ein durchaus solides Action-Adventure.

In Rise of the Tomb Raider geht die Reise mit Lara in die zweite Runde, denn wie Publisher Square Enix während der diesjährigen gamescom 2015 unbeabsichtigt verriet, bildet die aktuelle Episode den Mittelteil einer Trilogie. So wird eine bisher noch nicht offiziell angekündigte Episode schließlich den Abschluss des neuen Tomb Raider-Konstrukts bilden.

Bleihagel und tödliche Gräber

Doch wie spielt sich der aktuelle Ableger? Gibt es wieder mehr Grabkammern und vor allem mehr Rätsel? Und welche Neuerungen hat Crystal Dynamics dem Action-Adventure spendiert?

Im Grunde könnte ich an dieser Stelle innerhalb von nur zwei Sätzen die oberen Fragen beantworten. Denn Rise of the Tomb Raider setzt in großen Teilen auf Bewährtes aus dem Vorgänger und geht mit Neuerungen recht zimperlich um. Auch in Rise of the Tomb Raider gibt es wieder optionale, meist tödliche Gräber, die erkundet werden können und das eine oder andere Rätsel beinhalten. Wer sich jedoch eher auf die Handlung konzentriert und nur ungerne von diesem Weg abweicht, bekommt überraschend wenige und viel zu einfache Rätsel vor die Nase gesetzt. Stattdessen stehen besonders die Kämpfe gegen die Trinity-Anhänger im Vordergrund.

Fliehen wir also gerade mal nicht aus einem in sich zusammenstürzenden, wahrscheinlich recht antiken Tempel, stürzen eine Klippe hinunter oder zwängen uns durch einen engen, von tausenden Skorpionen bevölkerten Tunnel, nimmt Lara ihren Bogen oder eine Bleispritze in die Hand, um sich ihrer Haut zu erwehren.

Diese dürfen wir übrigens, genau wie im Vorgänger, an einmal gefundenen und freigeschalteten Basislagern nach Herzenslust verbessern und aufrüsten. So wird aus unserem normalen Bogen später ein Compoundbogen samt Spreng-, Gift- oder Feuerpfeilen. Auch unsere Schusswaffen, zu denen sich im späteren Spielverlauf verschiedene Gewehre und Pistolen sowie eine Schrottflinte addieren, dürfen nach und nach verbessert werden, um beispielshalber weniger Rückstoß zu erleiden oder mehr Schaden auszuteilen. Natürlich können wir durch erworbene Fähigkeitspunke auch Lara selbst in verschiedenen Kategorien upgraden und so zum Beispiel widerstandsfähiger gegen Feinde machen.

Open World-Feeling

Ab und an lässt uns das Spiel aber auch ein wenig Zeit zum Verschnaufen und setzt uns größere Levelareale vor die Nase, die wir mehr oder weniger frei erkunden können. "Mehr oder weniger frei" weil sich bestimmte Passagen erst durch besondere Ausrüstungsgegenstände erschließen lassen. Wer die benötigten Hilfsmittel noch nicht freigeschaltet hat und auch der Story erst einmal nicht folgen möchte, der kann optionale Missionen erfüllen, die uns als Gegenleistung Erfahrungspunkte versprechen.

Mithilfe eines Atemgeräts lässt es sich länger unter Wasser aushalten, mit Seilpfeilen bahnen wir uns einen Weg über Abgründe oder ziehen Gegenstände zu uns heran und mit den neuen Breitblatt-Pfeilspitzen können wir uns eigene Klettersteige an Holzwänden errichten. Es lohnt sich also zu einem späteren Zeitpunkt bereits freigeschaltete Gebiete erneut zu besuchen, um optionale Gräber, Kisten mit Strandgut, Aufzeichnungen, Karten, Artefakte oder andere Gegenstände zu finden. Auch wer nach 10 bis 20 Stunden Spielzeit die Credits vorbeilaufen sieht, kann anschließend noch nicht gelüftete Geheimnisse suchen oder das jeweilige Level unter erschwerten Bedingungen und mit einem höheren Schwierigkeitsgrad erneut angehen.

Wenig Handlung, blasse Charaktere

Doch auch wer sich mehr auf die Handlung konzentriert und alle Inschriften und Aufzeichnungen in aller Ruhe studiert, wird schnell merken, dass hier deutlich Luft nach oben vorhanden ist. Nicht nur dass sämtliche Charaktere von Beginn an überraschend blass bleiben, auch die Story will nie so richtig in Fahrt kommen und speist uns dann sogar mit einem Finale ab, dass sehr stark an den Vorgänger erinnert und schlicht einfallslos daherkommt. Kleiner Tipp: Unbedingt die Credits durchlaufen lassen. Gerade an deren Ende ist zu erkennen, dass noch ein dritter Teil mit der jungen Lara folgen wird. Ein wenig mehr Kreativität hätten wir Crystal Dynamics an dieser Stelle aber schon zugetraut.

Die schönste Lara bisher

Tomb Raider-Veteranen wird schon beim Vorgänger aufgefallen sein, dass sich der Titel nicht nur immer weiter an Genre-Kollegen wie die Uncharted-Reihe annähert und die Schusswechsel genau wie Action-Sequenzen in immer kürzeren Abständen folgen, insgesamt ist das Gameplay deutlich einfacher und unpräziser geworden. Während wir früher noch zentimetergenau abspringen mussten, dürfen wir mittlerweile mehr Fehler machen. Lächerlich wird dies, wenn wir merken, dass Lara mitten in der Luft deutlich nach vorne katapultiert wird, um heil die gegenüberliegende Seite zu erreichen. Zwar funktioniert das Gameplay die meiste Zeit über sehr gut, durch die zum Teil aber etwas schwammige Steuerung werden gerade alte Hasen des Öfteren zu kämpfen haben und die eine oder andere Klippe hinunterfallen. Nervig ist, dass wir nicht einmal manuell unsere Lichstäbe aktivieren dürfen, in den Schleichmodus gehen oder Deckung suchen können. 

Auf technischer Seite können wir uns allerdings fast nicht beschweren. Die Bilder, die uns Rise of the Tomb Raider auf den Bildschirm zaubert, sehen einfach nur fantastisch aus und könnten so auch aus einem der Indianer Jones-Film stammen. Mal erkunden wir ein altes Grab in Syrien, während im Hintergrund der Krieg tobt und fühlen fast die Hitze und die staubige Luft, ein anderes Mal stehen wir im ewigen Eis von Sibirien und hinterlassen tiefe Spuren im Schnee. Besonders haben uns die verschiedenen Effekte im Spiel überzeugt. So wirkt der zu Beginn tobende Schneesturm beinahe echt und lässt uns leicht frösteln.

Gerade das Spiel mit dem Licht wird in Rise of the Tomb Raider perfektioniert. Betreten wir mit Lara eine finstere Höhle, greift die Archäologin automatisch zu einem Leuchtstab, der die Umgebung in einem gespenstiges Licht taucht und bizarre Schatten an die Wände wirft. Wer wollte nicht schon immer durch eine bläulich schimmernde Gletscher-Höhle stapfen und mit einem rötlichen Leuchtstab die Umgebung erkunden. Wenn wir dann noch ein Rätsel lösen dürfen, sind wir wieder bei dem guten alten Tomb Raider-Feeling, das wir sonst leider oft schmerzlich vermissen. Schließlich erwartet uns am Ende der Höhle der nächste Schusswechsel.

An dieser Stelle sei übrigens ebenfalls erwähnt, dass auch bei der Soundkulisse so gut wie keine Wünsche unerfüllt bleiben. Das aus dem Vorgänger bekannte Hauptthema begleitet uns beispielsweise in verschiedenen Variationen durch die einzelnen Level. Einzig der Klang unserer Waffen hätte ein wenig wuchtiger sein können. Besonders gut gefallen hat uns übrigens auch Laras neue deutsche Synchronstimme. In Rise of the Tomb Raider wird die Britin nämlich nicht mehr von der Schauspielerin Nora Tschirner, sondern von Maria Koschny gesprochen. Die Synchronsprecherin lieh unter anderem der Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) aus Die Tribute von Panem ihre Stimme und macht ihren Job sehr gut. Wer allerdings auf einen britischen Akzent nicht verzichten möchte, der sollte zur englischen Version mit der Schauspielerin Camilla Luddington greifen.

Die Sache mit den Karten

Zwar gibt es im neusten Ableger keinen richtigen Multiplayer-Modus, ihr habt aber die Möglichkeit, euch mit euren Freunden innerhalb verschiedener Herausforderungen zu vergleichen. So gibt es nun den Modus Expeditionen, in dem ihr euch mit euren Freunden im Kampf um Punkte messen könnt. Durch bestimmte Ereignisse im Singleplayer winken euch Credits, die ihr in verschiedene Sammelkarten investieren könnt. Mit diesen lassen sich die Regeln der nächsten Runde verändern – mal zu eurem Vorteil, mal zu eurem Nachteil.

Durch Karten die euch Nachteile im Spiel bescheren, erhaltet ihr allerdings auch mehr Punkte und damit mehr Credits. Die erworbenen Karten entscheiden übrigens auch über eurer Outfit im Spiel und welche Waffen in welcher Upgrade-Stufe ihr bei euch tragt. Zwar hätten wir uns einen Koop-Modus gewünscht, in dem wir gemeinsam mit Freunden gegen Wellen an Wildtieren antreten können, spaßig ist die neue Online-Komponente aber in jedem Fall.

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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