Wir haben uns einige Zeit mit The Last Guardian von Sony beschäftigt und gemeinsam mit Trico versucht, zurück in unser Heimatdorf zu kommen. Wie sich der Weg bis dahin gestaltet hat und wie sich das Rätselabenteuer spielt, erfahrt ihr in unserem Test.
Mein bester Freund
Vor elf Jahren wurde Ico veröffentlicht und war als Geheimtipp erfolgreich. Nun setzt Fumio Ueda mit seinem Team von Sony womöglich noch einen oben drauf. The Last Guardian wurde bereits auf der E3 2015 angeteasert (erste Erwähnung bereits 2009). Damals noch für die PlayStation 3. Dann wurde es zunächst still um das außergewöhnliche Rätselabenteuer, bis vor einigen Monaten erneut ein Lebenszeichen aufflackerte. Nun ist es endlich soweit und The Last Guardian kam am 6. Dezember 2016 in Europa auf den Markt.
Das ungewöhnliche Spiel startet in einer dunklen und feuchten Höhle, aus der es zunächst kein Entrinnen zu geben scheint. Wir schlüpfen dabei in die Rolle eines kleinen Jungen, während eine Erzählerstimme aus dem Off die Geschichte um die Bilder und Geschehnisse im Spiel erzählt. Der Junge wacht verwirrt in dem dunklen Verließ auf und sein Körper ist übersäht mit schwarzen Zeichen. Er spricht kein deutsch oder englisch, aber auch japanisch ist es nicht. Dank der Untertitel können wir allerdings verstehen, was der Kleine denkt und spricht. The Last Guardian kommt insgesamt ohne viele Worte oder gar Dialoge aus und weiß mit kleinen Gesten und atmosphärischen Einsätzen zu überzeugen.
Aufgewacht und aufgestanden treffen wir in der Höhle ein großes Tier, das wir so noch nie gesehen haben. Das Fabelwesen hat die Füße eines Greifvogels, den Kopf eines Wolfes und sein Körper schmückt ein dichtes Federkleid. Es liegt verwundet am Boden der dunklen Grotte, mit einem Halsband aus Stahl und einer Kette daran. Er kann sich kaum vom Fleck bewegen, aber auch ohne Kette hätte das große Monster wohl kaum eine Chance. Verwundet und schwach schnaubt es uns argwöhnisch weg, wenn wir ihm zu nahe kommen. Aus einem unbekannten Grund sind die Verletzungen durch die Speere in seinem Rumpf nicht das einzige, was ihm angetan wurde. Obwohl es über schwarze Flügel verfügt, kann es scheinbar nicht fliegen. Sie scheinen gerupft und gar verstümmelt zu sein, sodass das haushohe Geschöpf nur Laufen und Springen kann.
Die lange Reise
Wir besorgen dem großen Tier ein wenig Nahrung und kümmern uns, so gut es als kleiner Junge geht, zumindest darum, dass die Waffen aus seinen Wunden weichen. Nach einiger Zeit und ein paar Streicheleinheiten wird das scheue Tier aber doch vertrauensseelig und schon bald unser engster Gefährte.
The Last Guardian verzichtet auf Schwerter, große Gefechte oder andere Kampfsequenzen mit dem kleinen Jungen. Die wenigen Auseinandersetzungen bestreitet hauptsächlich das große Fabelwesen. Dieses Spiel besticht durch seine ruhige Atmosphäre und die sich entwickelnde Bindung zwischen Trico und dem kleinen Jungen, die gemeinsam durch die Welt reisen, um ihn wieder in sein Heimatorf zu bringen. Dabei müssen immer wieder kleinere und größere Rätsel gelöst werden, um weiter voranzukommen. Durch verschiedene Denksportaufgaben und Hüpfpassagen bewegt sich das Zweiergespann voran.
Der Weg ist steinig und nicht immer ist die korrekte Richtung leicht zu finden. The Last Guardian bringt die Spieler dazu, sich genaustens mit der Umgebung zu beschäftigen und nach neuen Lösungen und Ansätzen zu suchen. Mit einem zu Anfang im Spiel gefundenen Spiegel können zunächst neue Wege geschaffen werden. Dieser projiziert ein Symbol an die Wand, woraufhin wenige Sekunden später Trico einen Blitz mithilfe seines Schweifes einschlagen lässt. So findet sich am Anfang immer mal wieder ein neuer Weg.
Die Spielmechanik geht Hand in Hand mit der Story und so macht der kleine Junge auch nur das, was ihr ihn mit dem Controller auch machen lasst. Helft ihr dem jungen Mann nicht aufzustehen, bleibt er liegen. Drückt ihr nicht Dreieck zum Springen, was im übrigen absolut ungewöhnlich ist, wird er nicht den Vorsprung hinauf kraxeln. Zu Anfang passt die ungewohnte und doch recht ungenaue Steuerung zu der Story des unbeholfenen und verwirrten Jungen, doch im Laufe des Spiels fanden wir diese Schwerfälligkeit ab und an hinderlich.
Fast wie echt
Da uns keine Kämpfe erwarten und die Landschaften mit einem Aquarellpinsel wunderschön gemalt und idyllisch zu sein scheinen, stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, in diesem Spiel zu sterben und wenn ja: wo wird es weiter gehen? Speicherpunkte zum manuellen Absichern haben wir nicht finden können. Also gedacht, getan und einfach mal versucht von einer Kante zu fallen. Der kleine Junge überlebt Sprünge aus beachtlichen Höhen, aber ein Sturz von einer Klippe sorgt letztendlich doch für das Beenden des Spiels. Dank Autosave an wichtigen Punkten und geschafften Spielabschnitten mussten wir aber kaum etwas doppelt spielen.
Das absolute Highlight des Spiels ist die überaus gelungene KI von Trico. Das Fabelwesen, das aus unterschiedlichen Tieren zusammengesetzt wurde und eigentlich für uns gar nicht real wirken kann, besticht durch seine Echtheit und perfekte Programmierung. Wenn wir darüber hinweg sehen, dass sein Federkleid selbst in Höhlen des Öfteren wild herum wirbelt als würde ein starker Wind wehen, ist die Darstellung unseres Begleiters ein absoluter Hingucker.
Wir haben uns selbst mehrmals dabei erwischt, völlig vom Spiel abgelassen und die Kamera auf Trico gedreht zu haben, nur um sein Verhalten zu beobachten. Das große Tier schnaubt, winselt und gibt schreiende Laute von sich, je nach Situation passend. Mit den großen Klauen die an einen Greifvogel erinnern, versucht er sich seine Nahrung so positionieren, um sie dann komplett zu verschlingen. Auch wie sich das riesige Tier durch schmale Gänge schiebt wenn wir es rufen, ist absolut sehenswert.
Trico verhält sich ganz ähnlich wie ein scheuer Hund, der sich nach und nach an seinen neuen Besitzer gewöhnt und ihm dann nicht mehr von der Seite weicht. Wird das große Tier nass, schüttelt es sich wieder trocken, manchmal legt er sich auf den Boden und möchte gestreichelt werden und wissen wir einmal nicht weiter, schaut Trico nach einigen Minuten unterstützend in die richtige Richtung.
Für The Last Guardian gibt es, je nach Schnelligkeit, verschiedene Trophies, wenn ihr das Spiel beendet. So sollte für jeden eigentlich die 30-Stunden-Trophäe zu holen sein. Wer es bereits durchgespielt hat, kann im Speedrun auch eine Trophy für das Beenden unter 5 Stunden erhalten. Eine realistische Spielzeit von 15 Stunden würden wir dem Spiel geben, denn die angeteaserten 10 Stunden lassen sich ohne es wirklich zu bemerken durch das Beobachten von Trico und der Landschaft mehr als leicht etwas ausdehenen.