Mit Another Lost Phone: Laura's Story erschien nun das nächste narrative Mysteryspiel von Accidental Queens. Wir haben uns das Spiel rund um ein zufällig gefundenes Handy, das ein dunkles Geheimnis birgt, genauer angeschaut und sagen euch in unserem Test, ob der Titel unseren Erwartungen gerecht wurde.
Gerade einmal acht Monate ist es her, dass A Normal Lost Phone von Entwickler Accidental Queens und Publisher Playdius mit seiner authentischen Umsetzung gesellschaftskritischer Themen wie Homophobie, Victim Blaming nach sexuellen Übergriffen und vielen weiteren nicht nur die Fachpresse, sondern auch allerlei Spieler begeisterte. Über 100.000 verkaufte Exemplare und einige Auszeichnungen später veröffentlichte das kleine französische Entwicklerstudio nun mit Another Lost Phone: Laura's Story den spirituellen Nachfolger des Überraschungserfolgs.
Das narrative Mysteryspiel greift dabei das Grundprinzip des Vorgängers auf, denn auch hier stoßen wir auf ein herrenloses Mobiltelefon, das wir aus einer Mischung aus voyeuristischer Neugierde und dem Wunsch, den Eigentümer zu identifizieren und ausfindig zu machen, zu durchforsten beginnen. Schnell wird klar, dass es hier irgendetwas geschehen sein muss, denn die Besitzerin namens Laura wird von ihrem Freund bereits mit besorgten und immer eindringlicher werdenden Nachrichten überschüttet.
Ein dunkles Geheimnis
Sämtliche moralischen Bedenken über Bord werfend, versuchen wir jetzt alles, um dem Smartphone sein Geheimnis zu entlocken, scheint es doch die einzige Spur zu sein, die uns zu Laura führen könnte. Wir durchstöbern Nachrichten, Emails, Notizen, Bilder und ihren persönlichen Kalender, treiben uns in sozialen Netzwerken herum und lernen die Frau schon bald besser kennen, als ihr lieb sein dürfte. Wir graben tiefer, stoßen auf passwortgeschützte Bereiche und ein mysteriöses zweites Emailkonto und decken so Stück für Stück die Geschehnisse auf, die zu Lauras Verschwinden führten.
Auch in Another Lost Phone: Laura's Story nimmt sich Accidental Queens einer Thematik an, die es bisher nur vereinzelt in Bücher, Filme oder gar Videospiele schaffte, ist sie doch sehr sensibel und mit viel Fingerspitzengefühl zu behandeln und gilt auch heute oft noch als Tabuthema. Wie auch im Vorgänger vermag es das Entwicklerteam auch hier, die Problematik und die hiermit verbundenen Emotionen authentisch und einfühlsam zu vermitteln, ohne künstlich auf die Tränendrüse zu drücken. Stattdessen erzählt Accidental Queens eine Geschichte aus dem Leben, eine Geschichte, die für viele Menschen genau in diesem Moment Realität ist und von Scham, Isolation und einem Gefühl der Ausweglosigkeit genährt wird.
Über die Magie des Spiels
Es braucht keine Actionsequenzen, keine hinzugefügte Dramatik mit verzweifeltem Gebrüll, um uns mitzureißen. Stattdessen finden wir überall kleine Puzzlestücke, die bei uns von Anfang an ein flaues Gefühl im Magen hinterlassen und sich Stück für Stück zu einer Erkenntnis zusammensetzen. Als wir am Ende angekommen sind, fühlt sich keine unserer Entdeckungen erzwungen oder aufgesetzt an. Stattdessen fühlen wir uns betroffen und involviert und das, obwohl wir in den letzten zwei Stunden doch eigentlich nur haufenweise Texte gelesen haben. Und das ist die Magie des Spiels: Es fühlt sich nicht an wie ein Videospiel, sondern eher so, als wären wir gerade Zeuge von etwas geworden, was sich in der Realität fast unsichtbar in den Schatten menschlicher Beziehungen zu bewegen vermag.
Wie bereits erwähnt, ist das Gameplay recht simpel gehalten. Wir klicken uns durch verschiedene Apps, lesen Emails, scrollen durch teils seitenlange Nachrichten, schauen uns Bilder an und können nebenbei noch der Musik lauschen, die Laura auf ihrem Handy gespeichert hat. Immer wieder ist dabei aber auch logisches Denken benötigt, um beispielsweise Passwörter zu knacken: Manchmal gilt es wichtige Daten unter der Zuhilfenahme mehrerer Apps zu kombinieren, an anderer Stelle müssen wir verschiedene Personen identifizieren oder Bilder genau analysieren, um voran zu kommen. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel ist dabei genau richtig, denn wir benötigen zwar ordentlich Köpfchen, um sie zu lösen, beißen uns an ihnen aber auch nicht ewig die Zähne aus.
Minimalistische Umsetzung mit großer Wirkung
Während die musikalische Untermalung optional ist und am Smartphone jederzeit an- oder ausgestellt werden kann, müsst ihr auf eine Vertonung vollständig verzichten. Obwohl das Spiel sehr leselastig ist, empfinden wir die fehlende auditive Unterstützung nicht als Makel, sondern als logische Konsequenz, schließlich unterstreicht sie nur die Szenerie eines gefundenen Handys, das vom Spieler durchforstet wird und in der Realität natürlich auch keinen Erzähler mit sich bringen würde.
Dafür könnt ihr sechs verschiedene Sprachen einstellen und so die Texte beispielsweise auf Deutsch, Englisch oder Französisch lesen. Außerdem gibt es zehn freischaltbare Steam-Errungenschaften.
Another Lost Phone: Laura's Story ist seit dem 21. September 2017 auf Steam für PC, Mac und Linux sowie für Android und iOS erhältlich. Die iOS-Version kostet 3,49 Euro, alle anderen Ausgaben sind für 2,99 Euro zu haben.