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FIFA 18: Weiterentwicklung oder Rückschritt?

Es ist erneut so weit und die Fußballsimulation FIFA aus dem Hause EA Sports lädt zum alljährlichen Stelldichein. In diesem Jahr wirken die Neuerungen im ersten Moment eher gering und großartige Neuerungen, wie die Einführung der Frostbite-Engine oder des Story-Modus The Journey, gehören der Vergangenheit an. Bedeutet das im Gegenzug auch, dass das Spiel auf der Stelle tritt oder konnte die Zeit gut für eine Weiterentwicklung des Spiels genutzt werden? Das und vieles mehr erfahrt ihr in unserem Test zum brandneuen FIFA 18!

Mit der Einführung der Frostbite-Engine im vergangenen Jahr versprach EA Sports, dass man mehr Realismus denn je bieten könne – sei es durch neue Animationen, verbesserte Optik oder allgemeines Gameplay-Verhalten. Die Implementierung wurde eigentlich größtenteils positiv aufgenommen, doch man merkte schnell, dass das Entwicklerteam noch recht jungfräulich im Umgang mit der neuen Engine war. Es fehlte schlussendlich einfach die Erfahrung und das merkte man dem Spiel leider stellenweise auch an. Eigentlich wäre der Zeitpunkt doch perfekt, damit FIFA 18 beweisen kann, dass der Umstieg der Engine wirklich lohnenswert war und aus den Fehlern gelernt wurde.

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"Entscheidend is auf’m Platz"

Um festzustellen, ob FIFA 18 den Vorschusslorbeeren gerecht wird, hilft aber nur ein erstes Testspiel. Glücklicherweise erwartet uns direkt zum ersten Start eine cineastisch ausgearbeitete Partie zwischen den Stadtrivalen Atlético und Real Madrid. Actiongeladen werden wir in das Spiel eingeführt und nach einem üblen Foul übernehmen wir die Rolle von Cristiano Ronaldo, der in gewohnter Pose breitbeinig zum Freistoß antritt. Die Spannung steigt und nach einer präzisen Positionierung des Schusses trifft der Portugiese und das Stadion droht zu explodieren. Die Präsentation ist dermaßen gut gemacht, dass die Vorfreude auf das Spiel noch mehr steigt, obwohl man den Titel bereits endlich in den Händen hält. Nach diesem Traumtor wird die Partie normal fortgesetzt und wir stellen schnell fest, dass FIFA 18 ungewohnt behäbig daherkommt. Während wir aus der Vergangenheit einen eher schnellen und flüssigen Ablauf gewohnt waren, wirkt die langsamere Geschwindigkeit mehr denn je wie die Pro Evolution Soccer-Reihe von Konami. Das ist jedoch keinesfalls schlecht, denn FIFA wird oft der fehlende Realismus nachgesagt, den es beim Konkurrenzprodukt PES in der Art und Weise nicht gibt.

Langsamer = gut?

Das fehlende Tempo kommt durch unterschiedliche Dinge zustande, die mit FIFA 18 integriert, bzw. stark verändert wurden. Am stärksten dafür verantwortlich dürfte dabei die Veränderung der Spieler sein, die jetzt nach sogenannten Archetypen aufgeteilt werden. Während es in der Vergangenheit eigentlich immer so war, dass die Größe der Spieler wenig ausmachte, setzt FIFA 18 endlich auf diesen wichtigen Faktor. Ein großer und bulliger Spieler wird somit etwas langsamer auf dem Feld sein und Kopfbälle zwar aufgrund seiner Größe bekommen, aber eher weniger hoch springen. Dafür wird er in der Lage sein, besser in Zweikämpfen abzuschneiden und die personifizierte Angst der gegnerischen Offensive darstellen.

Ein kleinerer und quirligerer Spieler hingegen wird dafür flott über den Rasen flitzen und Freiräume eher ausnutzen können. Logischerweise wirkt sich die Größe und somit auch die Länge der Beine auf die einzelnen Schritte aus, die Spieler für die gleiche Strecke benötigen. Auch wenn diese Änderung eher im Hintergrund auftritt, bemerkt man sie dennoch stark, wenn man darauf achtet oder es gar direkt mit den Vorgängern vergleicht. Dem Realismus schadet es jedenfalls überhaupt nicht und sorgt sogar noch eher für eine taktischere Strategie der eingesetzten Spieler – fernab vom einfachen Schauen auf die einzelnen Wertungen.

Kleine Änderungen – große Auswirkungen

Ein weiteres neues Feature in FIFA 18 stellt die als "Motion-Technology-System" betitelte Technik dar, die die einzelnen Bewegungsabläufe besser berechnen und dementsprechend auch besser präsentieren soll. Optisch fällt dies tatsächlich auf und gerade der Übergang vom Laufen in die Drehung wirkt um ein vielfaches fließender und nicht so abgehackt, wie man es in der Vergangenheit leider zu oft sehen musste. Doch laut EA Sports soll sich das auch technisch auf das Verhalten der Spieler auswirken und bpsw. ein versprungener Ball schneller vom Spieler wieder kontrolliert werden können. Ob das wirklich so ist, lässt sich in der Praxis eher weniger sagen und daher belassen wir es einfach dabei, dass das Motion-Technology-System für bessere Animationen sorgt. Das ist immerhin schon positiv genug.

Wenn wir schon beim Verhalten der Spieler sind, müssen wir natürlich auch einen Blick auf die Vorgehensweise der Künstlichen Intelligenz werfen. Oftmals wirkten die vom Computer gesteuerten Mitspieler einfach vollkommen dämlich und machten nahezu nie das, was man eigentlich von ihnen erwartete. Dieses Phänomen tritt bei FIFA 18 weiterhin auf, doch um einiges seltener. EA Sports hat offensichtlich stark an der KI geschraubt, um diese noch intelligenter mitlaufen oder Freiräume erkennen zu lassen. Das bezieht sich nicht nur auf die Offensive, sondern besonders auf die Defensive. Die KI-Kollegen sind durchaus in der Lage die Gegenspieler zu umzingeln, doch der schlussendliche Befreiungsschlag gelingt meist erst durch aktives Eingreifen des realen Videospielers. Sowas ist einerseits nervig, andererseits nur logisch, denn wer will schon, dass die KI alles alleine macht und somit die Defensive wie von Zauberhand automatisch geregelt wird.

Taktische Verteidigung und Schnellauswechslungen

Dabei ist die Defensive überhaupt ein interessanter Aspekt, denn durch das "Tactical Defending" habt ihr mehr Möglichkeiten, den Gegnern den Ball abzuluchsen. Aber Achtung: Wer nicht aufpasst, wird schnell mit einem Freistoß oder sogar einer Karte bestraft, denn die Spieler gehen teilweise übermotiviert in den Zweikampf. Aber das ist genau das, was man als Spieler vielleicht auch möchte, denn ein wirklich robustes Vorgehen war in den vorhergehenden FIFA-Teilen oftmals nur durch die Grätsche möglich und die Zweikämpfe verliefen nur im Stochern nach dem Ball. Dennoch vermuten wir, dass in diesem Bereich zukünftig noch mehr möglich sein könnte und mit FIFA 19 das Tactical Defending perfektioniert werden könnte.

Das wahrscheinlich als kleinste Neuerung zu bezeichnende Feature, ist zeitgleich aber auch eines der wichtigsten und langersehntesten: Die Quick-Subs oder Schnellauswechslungen. Hierbei handelt es sich – wie der Name bereits vermuten lässt – um eine Möglichkeit, eure Spieler schnell auszutauschen. So waren Spieler bisher gezwungen, ins Pausen-Menü zu gehen und die Spieler so auszuwechseln. Durch die Einführung der Quick-Subs könnt ihr jedoch bereits vor Start der Partie drei Auswechslungen festlegen, die ihr dann bei Spielunterbrechungen mit dem Drücken der rechten Schultertaste auslösen könnt. Das sorgt gerade bei Online-Matches für weniger Frust und zumindest hin und wieder dafür, dass der Gegenspieler nicht dauerhaft im Menü verharrt. Eine wirklich tolle Sache, auf die seit Jahren gewartet wurde.

Alex Hunter ist zurück!

Wieder mit an Bord ist der Storymodus The Journey, der die Geschichte aus dem Vorjahr fortsetzt. So seid ihr sogar in der Lage, den Spielstand aus dem letzten Jahr zu übernehmen und euren Alex Hunter weiter zu spielen. Dabei erlebt ihr die Geschichte des Superstars in spe noch emotionaler als im Vorgänger und es kommt zu einigen Momenten, die einen mitfühlen und leiden lassen. Sicherlich sind diese Emotionen oft mit dem Vorschlaghammer hervorgerufen, doch der gesamte Aufbau aus Story und den einzelnen liebenswerten Charakteren ist sehr gut gelungen. Ohne zu viel über den Ablauf der Geschichte spoilern zu wollen, bringt The Journey – Hunter Returns auch endlich Themen wie Frauen-Fußball oder Probleme während einer Profi-Karriere ins Gespräch und ruht sich nicht auf dem "Friede, Freude, Eierkuchen"-Prinzip aus. Der Modus ist noch lohnenswerter als letztes Jahr und bietet mehr Abwechslung durch unterschiedliche Vereine und der persönlichen Geschichte eines Jungen, der es ganz nach oben schaffen will und dabei von seiner Familie unterstützt wird – trotz aller Probleme.

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Modi en masse

Ansonsten sind natürlich auch alle anderen bekannten Modi wieder mit dabei: Ob Freundschaftsspiele, Turniere oder der Karriemodus, für genug Spaß sollte gesorgt sein. Eine Besonderheit des diesjährigen Karrieremodus ist, dass die Vertragsverhandlungen jetzt visuell als Gespräche dargestellt und mithilfe von Dialogen voran gebracht werden. Das ist anfangs ganz nett, nervt auf Dauer aber extrem, da die Gespräche immer gleich ablaufen und die Transfers nur unnötig in die Länge ziehen. Gute Idee – schlechte Umsetzung.

Für den Großteil der Spielerschaft dürfte wahrscheinlich aber sowieso FIFA Ultimate Team der Kernaspekt des Spiels sein. Hier ersteht ihr – wie bereits bekannt – Sammelkarten, die für die jeweiligen Spieler stehen und baut euch eure eigene Mannschaft. Dabei kann man weiterhin viele Hunderte Euro lassen oder einfach Zeit investieren, um das eigene Team voran zu bringen und wirkliche Erfolgserlebnisse zu haben. In diesem Jahr halten auch die Spieler der 3. Liga Einzug, da diese endlich im Hauptspiel enthalten ist. Somit könnt ihr auch eure Lieblingsspieler der dritten deutschen Liga zu einem Teil eurer Truppe werden lassen. Dies dürfte aber, verglichen mit den Ikonen, nur von geringer Relevanz sein: Die Ikonen ersetzen die bisherigen Legenden, die exklusiv für die Xbox-Konsolen erschienen. Es handelt es sich dabei um legendäre Spieler, die sich in den Jahrzehnten der Fußballgeschichte hervorgetan haben und jetzt nur darauf warten, euch zum Sieg zu führen. Logischerweise sind diese Karten äußerst selten und werden auch eher bei Spielern auftauchen, die den einen oder anderen Euro in den Modus investieren. Das ist zwar schade, aber dürfte allen Spielern von FUT bekannt sein. Man muss sich eben damit abfinden, dass der Modus mehr oder weniger als "Pay-to-win" zu bezeichnen ist. Spaß macht der Modus aber auch ohne weiteres Echtgeld allemal.

Nachspielzeit im Bereich Technik

Die letzten Zeilen unseres Tests brechen an: Das Team von FIFA 18 hat bisher eigentlich alles gut gemacht, doch wie sieht es eigentlich technisch aus? Klar, wir sind schon auf allerlei Features eingegangen, aber wie wirkt bspw. die Atmosphäre in den Stadien? EA Sports hat endlich etwas mehr Zeit in die Zuschauer investiert, die jetzt glaubhafter agieren – jedoch noch immer fern vom realistischen Fan wirken. Dafür ist aber die gesamte Stimmung besser denn je und man spürt nahezu die Euphorie, die die Fans den Spielern auf dem Platz entgegen schreien. Der Sound wirkt stimmig und lässt wirklich keinerlei Platz für Kritiken. Einzig die Kommentatoren sind wieder einmal stellenweise katastrophal: Wenn ein Angriff läuft und Frank Buschmann anmerkt, dass jetzt ein Einwurf folgt, wirkt das schon arg deplatziert und frustrierend. Durch solch eine Kleinigkeit wird das Gefühl einer TV-Übertragung komplett getrübt und ist unglaublich ärgerlich. Das ist nicht die Schuld der Sprecher, sondern wie die einzelnen Soundfiles implementiert wurden. Hier wünschen wir uns zukünftig einfach mehr Zeit und gute Zusammenarbeit zwischen den Teams der Entwicklung und der Lokalisierung. 

All das sorgt letztendlich jedoch nicht dafür, dass man FIFA 18 als schlechtes Spiel bezeichnen kann, denn ganz im Gegenteil wirkt es wie ein Schritt in die richtige Richtung – wenn auch ein kleiner Schritt. Es bleibt zu hoffen, dass EA in den kommenden Wochen und Monaten mithilfe von Patches kleinere Probleme beseitigen kann und FIFA 19 erneut die Qualität des sehr guten Vorgängers toppen wird.

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