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Black Mirror: Urlaub auf Black Mirror Castle mit Wolken

Publisher THQ Nordic und Entwickler King Art lassen den Spieler mit dem Reboot der Adventure-Reihe erneut das namensgebende alte Anwesen Black Mirror Castle erkunden und somit die gewohnte Gothic-Horror-Atmosphäre der Vorgänger erleben. Ob ihr euch lieber einen Flug in die Karibik gönnen solltet oder die Reise nach Schottland wirklich lohnenswert ist, verraten wir euch in unserem Test zu Black Mirror.

Die Entwicklungsgeschichte der Black Mirror-Reihe

Wenn der Name Black Mirror fällt, denken wahrscheinlich die meisten Menschen an die zugegebenermaßen sehr gute TV-Serie, allerdings handelt es sich dabei auch um eine dreiteilige Computerspielreihe.
Während der erste Adventure-Teil 2004 noch von dem tschechischen Spieleentwickler Future Games entwickelt und von dem deutschen Publisher dtp Entertainment vertrieben worden ist, folgten 2009 sowie 2011 zwei Nachfolger, für die sich das Hannoveraner Studio Cranberry Production verantwortlich zeichnete.

2014 verkaufte der mittlerweile insolvente Publisher die Markenrechte an Black Mirror an den schwedischen Publisher Nordic Games. Dieser erwarb im Juni desselben Jahres auch die Markennamen an THQ und gab an, zukünftig die Spiele unter diesem Label veröffentlichen zu wollen.

Im August 2016 wurde Nordic Games im Rahmen einer Umfirmierung in THQ Nordic umbenannt, um damit die alte Marke THQ wieder zum Leben zu erwecken.
Im Rahmen der gamescom 2017 kündigte THQ Nordic schließlich ein neues Black Mirror für November an. Dabei soll der Reboot eine eigenständige Geschichte erzählen, um auch neue Spieler ins Adventure-Boot zu holen. Für die Entwicklung ist das unabhängige Bremer Entwicklerstudio King Art zuständig, das sich in der Vergangenheit unter anderem einen Namen durch die Adventure-Reihe The Book of Unwritten Tales machte und bereits bei Black Mirror 2 an der Entwicklung beteiligt war.

Eine schrecklich schöne Familie

Black Mirror spielt im Jahre 1926 und damit einige Jahrzehnte vor dem ersten Teil. Protagonist David Gordon wird nach dem überraschenden Selbstmord seines Vaters in das alte Anwesen seiner Familie nach Schottland berufen.
Im Black Mirror Castle angekommen trifft der junge Mann auf seine Großmutter Margaret Gordon, den Butler Angus McKinnon sowie den Anwalt der Familie, Andrew Harrison, der die Details der Erbschaft klären soll. Serien-Veteranen dürfte bereits in den ersten Spielminuten ein wohliger Schauer den Rücken hinunterlaufen, schließlich findet die Eröffnungssequenz in der großzügigen Eingangshalle von Black Mirror Castle statt und zieht damit direkt in die düstere und bedrückende Atmosphäre der Reihe.

Nachdem die ersten Formalitäten geklärt sind, führt uns Angus auf dem Weg zu unserem Schlafgemach durch einen Teil des sogenannten Sgathan Dubh Castle (bedeutet nichts anderes als Black Mirror Castle, klingt aber cooler!). Schon die ersten Schritte über die knarrende Treppe lassen bei uns leichte Gänsehaut entstehen. Die Kerze unseres Begleiters lässt riesige groteske Schatten an den Wänden entstehen, während das Anwesen bereits im Schwarz der Nacht versunken zu sein scheint.

Der Kampf mit der Steuerung

Anders als in den früheren Teilen, steuern wir David nun nicht mehr per Mausklick, sondern direkt aus der Third-Person-Ansicht mittels der WASD-Tasten durch das Schloss. Mit leichten Mausbewegungen können wir zudem die Perspektive anpassen. Meistens schwenkt das Spiel die Kamera aber dynamisch in die Richtung, in die wir vermeintlich gehen beziehungsweise laufen möchten. Das funktioniert ab und an gut, meistens aber bekommen wir durch die störrische Kamera eher einen Drehwurm und verfluchen diese innerlich. Dadurch kommt es immer wieder vor, dass wir bestimmte Winkel eines Schauplatzes ohne eine Anpassung der Perspektive überhaupt nicht zu Gesicht bekommen würden.

Oft behalten sich wichtige Hinweise aber gerade in solchen toten Winkeln versteckt. Hinzu kommt, dass wir Gegenstände mit der Taste „1“ oder durch einen gezielten Klick mit der linken Maustaste in unser Inventar packen können – allerdings nur dann, wenn wir uns in unmittelbarer Umgebung befinden. Richtig blöd wird es, wenn sich ein solcher Gegenstand in einem toten Winkel befindet. Dann müssen wir zusätzlich mit der Maus in die entsprechende Richtung schwenken und diesen gleichzeitig möglich schnell aufheben. Denn die Perspektive wechselt in Sekundenbruchteilen wieder zur Ausgangposition zurück und macht uns damit das Adventure-Leben oft schwerer, als eigentlich nötig.

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Weniger Rätsel und kein Komfort

Spieler sollten dementsprechend starke Nerven mitbringen, da die unterschiedlichen Stages zum Teil ganz genau untersucht werden möchten. Um zum Beispiel das Rätsel um einen Schreibtisch zu lösen, müssen wir diesen Stück für Stück unter die Lupe nehmen und dürfen dabei nicht die kleinste Ecke vergessen. Solche Rätsel finden aus der First-Person-Perspektive statt und lassen uns zumeist einen kleinen Bewegungsspielraum und per WASD-Tasten zum Teil sogar um Ecken fahren.

Besonders schade für Rätselfreunde ist die Tatsache, dass die ersten Knobelaufgaben zu Beginn von Black Mirror direkt zu den schwersten im gesamten Spiel gehören und einige Zeit in Anspruch nehmen können. Später werden diese aber stetig einfacher und vor allem seltener. Überhaupt bekommen wir im Vergleich zu den Vorgängern in den rund neun Spielstunden deutlich weniger Gegenstände in unser Inventar gepackt, was zwar der Übersichtlichkeit zugutekommt, aber damit auch den Anspruch spürbar hinunterschraubt. Möglich, dass King Art dadurch eine größere Zielgruppe ansprechen möchte und eher die Richtung eines Story-Adventures einschlagen möchte. Die fehlenden Komfortfunktionen lassen immer wieder Frust aufkommen. So gibt es keine Möglichkeit, Hilfe vom Spiel zu erhalten oder eine Funktion, um alle Hotspots angezeigt zu bekommen.

Dadurch müssen wir mit David nicht nur jederzeit wachsam die Augen offen halten, sondern jeden Winkel im Level penibel abgrasen und drauf achten, dass uns das entsprechende Symbol angezeigt wird. Insgesamt funktioniert die Steuerung von David mit dem Gamepad zwar ein wenig besser, dafür müsst ihr aber auf einen Teil der Präzision bei der Untersuchung von Inventargegenständen verzichten.

Der aktuelle Ableger spielt ausschließlich in Black Mirror Castle sowie den sehr begrenzten Ländereien der Gordons. Eine Schnellreisefunktion oder eine Karte, wie bei den Vorgängern, steht nicht zur Verfügung. Wir hätten uns aber die Möglichkeit gewünscht, per Doppelklick die jeweilige Location zu verlassen, um uns einige Lauferei und Ladezeiten zu ersparen. Denn selbst auf dem PC mussten wir nach jedem Schauplatzwechsel mehrere Sekunden auf einen schwarzen Bildschirm starren, ehe es weiterging. Das klingt zwar im ersten Moment nicht sonderlich lang, müssen wir aber mehrere Zimmer durchqueren, summieren sich die Sekunden schnell. Unverständlich: Selbst wenn wir die Papiere auf einem Schreibtisch begutachten möchten, müssen wir eine kurze Ladezeit in Kauf nehmen. Dadurch überlegt ihr euch nach wenigen Stunden mehrfach, ob sich ein Blick überhaupt lohnt.

Technik-Horror und Gruselatmosphäre

Unsere Testversion verfügte über einige Bugs. Ein Fehler resultierte sogar darin, dass ein automatischer Speicherstand nicht mehr geladen werden konnte und in diesem Fall das Spiel abstürzte und uns zurück auf den Desktop warf. Ein anderes Mal konnten wir mit unserer Umgebung nicht mehr interagieren. Das Laden des Spielstandes brachte ebenfalls keine Besserung. Erst der Neustart des Spiels war die Lösung. Während einer grausigen Entdeckung auf dem Dachboden wechselte die deutsche Synchronisation plötzlich auf Englisch. Kurz danach entschied sich auch der Untertitel die Sprache zu wechseln. Wenige Minuten später behob sich das Problem von selbst.

Abseits der technischen Probleme sowie der störrischen Kamera hat Entwickler King Art es geschafft, die subtile Gruselatmosphäre der Vorgänger einzufangen und eine spannende Geschichte zu erzählen, die an den Bildschirm zu fesseln weiß, aber auch mit einigen Logiklücken zu kämpfen hat. Ab und an bekommen wir zudem eine Quick-Time-Sequenz vor die Nase gesetzt, die absolut anspruchslos und mehr gewollt als gekonnt in den Titel hineingezwängt worden ist. Auch die gelegentlichen spielbaren Geistervisionen von David, in denen wir frühere Verbrechen von Edward Gordon erleben, können lediglich auf narrativer Ebene überzeugen, bringen aber spielerischer keinen Mehrwert.

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Der ganz große Pluspunkt sind klar die deutschen Sprecher, die dem Spiel deutlich mehr Tiefe und so etwas wie eine Seele verpassen, aber den Text gelegentlich zu stark betonen. Wer lieber der englischen Sprachausgabe vertraut, ist ebenfalls sehr gut bedient. Auch hinsichtlich der Soundkulisse wurde alles richtig gemacht. Es macht ungemein viel aus, wenn die Stufen einer Holztreppe laut knarren oder sich Türen quietschend öffnen.

Die Schauplätze sind insgesamt sehr detailverliebt ausgearbeitet und erinnern immer wieder an vergangene durchzocke Nächte mit den Vorgängern und besitzen für Serien-Veteranen einen klaren Nostalgiebonus. Bei Tag kann die Grafik zwar nicht ganz überzeugen und fällt durch matschige Texturen auf, des Nachts bekommen wir dagegen durch schicke Beleuchtungseffekte aber atmosphärische Schauplätze geboten. Blöd nur, wenn wir mit unserer Kollegin Dr. Leah Farber unterwegs sind, nur sie eine Kerze trägt, aber deutlich langsamer hinter David herläuft.

Auch die Zwischensequenzen wissen durch ihre Inszenierung zu überzeugen, wären da nicht die Charaktermodelle, die nur wenige menschliche Gefühle und Regungen bei den Figuren erkennen lassen. Potenzial ist außerdem während der Dialoge verschenkt worden. Zwar müssen wir uns einige Male für eine bestimmte Antwortmöglichkeit entscheiden, im Grunde macht es aber keinen großen Unterschied, welche Wahl wir treffen.

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Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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