Die E3 2019 ist Geschichte. Uns wird sie als Konferenz vieler spannender Neuankündingungen positiv in Erinnerung bleiben. Allerdings gab es auch etliche Fails und Flops, die das Gesamtbild der E3 trübten. Eine nicht immer ganz ernst gemeinte Liste von Messe-Mehs.
Keanuisierung
Klar, mit dem Auftritt von Keanu Reeves ist CD Projekt ein Coup sondergleichen gelungen. Der Kurzauftritt des Hollywood-Stars versetzte Spielefans weltweit in Verzückung, die Twitteraner überschlugen sich, die Memes explodierten. Schlagartig konzentrierte sich sämtlich Aufmerksamkeit auf das Action-Rollenspiel Cyberpunk 2077, in dem Reeves die Rolle des Johnny Silverhand übernimmt. Die Begeisterung ist zu verstehen, denn der 54-jährige US-Amerikaner ist ja auch ein grundsympathischer Bursche und mit der John-Wick-Reihe derzeit fett im Geschäft.
Bei längerem Nachdenken ergeben sich aber durchaus Zweifel, ob geballte Star-Power für „Cyberpunk 2077“ – und für die Games-Branche insgesamt – wirklich so eine gute Sache ist. Wenn plötzlich alle nur noch in Keanu-Euphorie schwelgen, geht so ein bisschen der Blick auf das Spiel selbst verloren. Und eigentlich interessiert mich bei einem Spiel wie „Cyberpunk 2077“ vor allem, ob es spielerisch und erzählerisch überzeugt. Das Sci-Fi-Szenario bietet so viele Möglichkeiten für Charakterentwicklung, Geschichte und Gameplay, dass es doch schade wäre, wenn diese nicht voll ausgeschöpft würden.
Keanu kann helfen, das Spiel NOCH bekannter zu machen, als es ohnehin schon ist. Aber seine „atemberaubende“ Präsenz sorgt auch dafür, dass weniger über die neue E3-Demo diskutiert wird, die längst nicht jeden beeindruckte – Rockpapershotgun.com kritisiert beispielsweise schwaches Gunplay und Figuren-Klischees. Gewiss, bei „Cyberpunk 2077“ findet Jammern und Wehklagen stets auf astronomisch hohem Niveau statt. Dennoch kann jede Kritik – und wenn sie auch noch so kleinteilig ist – dazu beitragen, das Spiel besser zu machen. Alles Feedback, dass die Entwickler bekommen, können sie in ein besseres Spielerlebnis ummünzen. Doch zumindest im Moment gehen Anregungen und Kritik in der Keanu-Huldigung unter. Wie ein delikates Essen, das mit einer faden Soße übergossen wird.
„Aber Keanu ist doch super!“, werden viele jetzt rufen. „Dass er mitmacht, bringt Games endlich mehr Anerkennung!“ Ok, ok, es stimmt, dass Gastauftritte Hollywood-Stars ein Spiel boosten können, sei es nun Ellen Page in „Beyond: Two Souls“, Aaron Staton in „L.A. Noire“ oder Norman Reedus in „Death Stranding“. Aber diese Hollywoodisierung hat auch ihren Preis, denn die Games sind von da ab untrennbar mit dem Image der jeweiligen Stars verbunden. Ich habe als Protagonist lieber einen Gordon Freeman aus Half-Life: Eine Spielfigur, die selbst kaum Eigenschaften besitzt – und gerade dadurch als perfekte Projektionsfläche geeignet ist. Johnny Silverhand ist zwar nicht der Protagonist von „Cyberpunk 2077“. Dennoch wird Keanu mich im Spiel ständig an Neo aus „Matrix“ und „John Wick“ erinnern. Und das, obwohl ich für die Dauer des Spiels doch lieber die blaue als die rote Pille nehmen würde. Neo Silverhand? The Wicker? Pah!
Microsofts mangelnder Mumm
Xbox-Chef Phil Spencer hat Sehnsucht. „Ich wünschte, Sony wäre hier“, sagte er in einem Ganz offensichtlich gefällt Microsoft diese Rolle nämlich überhaupt nicht. Wie sonst ließe sich erklären, dass der Konzern seine Next-Gen-Konsole Xbox Scarlett nur mit langweiligen Hardware-Eckdaten ankündigte, statt das neue Gaming-Monster zumindest ansatzweise aus dem sprichwörtlichen Sack zu lassen. Wenn schnittiges Design über die Großbildschirme des Los Angeles Convention Centre flimmtert, dann steigert das die Vorfreude doch deutlich mehr, als wenn man Fakten (8K-Gaming, 120 FPS, neuartige SSD, schnarch) runterbetet. Ok, das Konsolendesign ist vielleicht noch nicht endgültig, schließlich erscheint Scarlett erst zum Weihnachtsgeschäft 2020. Aber hässlicher als der erste Xbox-One-Schuhkarton wird es definitiv nicht sein …
Auch sonst war die Xbox-PK nicht gerade das, was man spannend nennt. Erstens war sie überfrachtet mit unnötigen Details, etwa einer Ankündigung neuer Funko-Pop-Figuren zu „Gears of War“. Zweitens stellte Microsoft zwar etliche neue Spiele vor, zeigte aber nur Hochglanz-Trailer statt Gameplay-Footage. Drittens schwieg sich Microsoft über Spiele wie „Fable 4“ und „Forza“ aus, die ganz offensichtlich in der Entwicklung sind. Fazit: Die Xbox-PK war eine verpasste Chance – und Phils Bedauern echt.