Assassin’s Creed Valhalla ist aktuell in aller Munde und weiß sowohl Fans als auch Rückkehrer in mannigfaltiger Art und Weise zu begeistern. Einige begeistert das Setting rund um die Wikinger, woran auch TV-Serien wie „Vikings“ nicht ganz unschuldig sein dürften. Wiederum andere freuen sich über eine Reise in die nordische Mythologie, wie wir sie auch bereits in anderen Titeln wie God of War erleben durften.
Wenngleich sich die Reihe rund um Assassin’s Creed in der letzten Zeit mehr und mehr zu einem Kampf gegen mystische Bestien entwickelt hat, so ist das Markenzeichen der Serie noch immer die Inspiration aus wahren Begebenheiten der Menschheitsgeschichte. Nicht anders zu erwarten, lehnt sich auch „Assassin’s Creed Valhalla“ an wahre Ereignisse an, die gegen 873 nach Christus stattgefunden haben. Wir entführen euch in eine kurze Geschichtsstunde und versuchen zu ergründen, was vor über 1200 Jahren geschehen ist und wie sich das Ganze auf die Story von Valhalla auswirken könnte.
Kurze Vorgeschichte: Die Angelsachsen in Britannien
Angelsächsisch ist eine historisch verwendete Bezeichnung für jedes Mitglied der germanischen Völker, das vom 5. Jahrhundert n. Chr. bis zur Zeit der normannischen Eroberung (1066), Gebiete bewohnte und regierte, die heute zu England und Wales gehören.
Laut St. Bede, einem angelsächsischen Geschichtsschreiber und Theologen, waren die Angelsachsen die Nachkommen von drei verschiedenen germanischen Völkern – den Angeln (ja, kein Schreibfehler), Sachsen und Jüten. Nach Bedes Darstellung wanderten diese Völker ursprünglich im 5. Jahrhundert auf Einladung des britischen Herrschers Vortigern aus Norddeutschland auf die britische Insel ein, um dessen Königreich gegen die marodierenden Invasionen der Pikten und Schotten zu verteidigen, die das heutige Schottland besetzten. Ethnisch gesehen stellten die Angelsachsen tatsächlich eine Mischung aus germanischen Völkern mit den bereits in Großbritannien vorhandenen keltischen Einwohnern und den späteren Wikinger- und Däneneinfällen dar.
Ab etwa 400 n. Chr. siedelten sich Angelsachsen daher in Dörfern neben ihrem Ackerland an. Sie errichteten eine Reihe verschiedener Königreiche, angeführt von Lords und Häuptlingen, wobei sich die mächtigsten Lords wie selbsternannte Könige verhielten und daher um das Land ihrer Mitstreiter in den Kampf zogen.
Die stärksten angelsächsischen Stammeshäuptlinge waren als Bretwalda oder „Herrscher von Großbritannien“ bekannt. Bis 800 n. Chr. waren die meisten Angelsachsen zum Christentum konvertiert, und Kaufleute handelten mit Waren im ganzen Land und nach Europa.
Was bedeutet das für Assassin’s Creed Valhalla? Ganz interessant ist der geschichtliche Hintergrund, dass die Angelsachsen bereits bei ihrer eigenen Ankunft rund 400 n. Chr. ein zersplittertes Volk zu sein schienen. Eingereiste Lords kämpften um ihr Territorium und sehen sich als Repräsentanten des Christentums als möglicherweise überlegene Rasse an. Dass Religion ein immens wichtiges Thema sein wird, wird sich im späteren Geschichtsverlauf dieses Artikels noch zeigen.
Wer oder was sind überhaupt die Wikinger?
Im Gegensatz zu einigen populären Vorstellungen von den Wikingern, waren diese keine bestimmte „Rasse“, die durch Bindungen gemeinsamer Abstammung oder Patriotismus verbunden war. Dementsprechend wurden sie per se auch nie durch ein Gefühl des „Wikingertums“ verbunden, wie es heutzutage oft in Serien und Videospielen suggeriert wird. Die meisten der Wikinger, deren Aktivitäten wir auch im Rahmen von „Assassin’s Creed Valhalla“ beleuchten werden, stammen vielmehr aus den Gebieten, die heute als Dänemark, Norwegen und Schweden bekannt sind, obwohl in historischen Aufzeichnungen auch finnische, estnische und Saami-Wikinger erwähnt werden. Ihre Gemeinsamkeiten – und das, was sie von den europäischen Völkern unterschied, mit denen sie konfrontiert waren – bestanden darin, dass sie aus einem fremden Land kamen, das als unzivilisiert angesehen wurde. Unzivilisiert, weil sie eben nicht christlich waren – dies geht auf die Tatsache zurück, dass das Christentum zu dieser Zeit eine besondere Stellung im heutigen Europa genoss und andere religiöse Ansichten daher eher ungern gesehen waren.
Was bedeutet das für „Assassin’s Creed Valhalla“? Die hier aufgelisteten Informationen zu den Wikingern sind konsistent zur Darstellung des Volkes im Ankündigungs-Trailer zu Valhalla. Sie werden als gottlose, herzlose Barbaren bezeichnet, die unzivilisiert durch die Lande ziehen und aus Lust und Laune töten. Das Thema der unzivilisierten Barbaren schöpft aus deren Religion – bereits in einem vorherigen Artikel haben wir über die nordischen Mythologien und deren Götter geschrieben. Dass die Wikinger kein „gottloses“ Volk sind, wissen wir – mit dem Christentum lassen sich die dort beschriebenen Ansichten aber keineswegs verbinden.
Die Motivation für zukünftige Überfälle und der Flucht aus dem eigenen Heimatland
Die tatsächlichen Hintergrundmotive der Wikinger sind aus historischer Sicht unklar. Der allgemeine Konsensus geht davon aus, dass viele Wikinger aufgrund einer Überpopulation aufgebrochen sind, wobei klar nachweisbar ist, dass die ersten Wikinger eher auf der Suche nach Reichtum als nach Wohnplatz waren. Britannien war für die damals lebenden Wikinger ein beliebtes Ziel, da die im Umfeld von Skandinavien angesiedelten Länder kaum Lösungen für aktuelle Probleme boten. Dänemarks sandiger Boden bot den Wikingern keine attraktive Möglichkeit Tiere zu bewirtschaften. Norwegens teils hügelige Landschaften machten hingegen einen Anbau pflanzlicher Produkte schwer. Britannien hingegen war im mittleren, geographischen Umfeld der Wikinger und löste sowohl das Problem der Tierhaltung als auch des pflanzlichen Anbaus.
Was bedeutet das für „Assassin’s Creed Valhalla“? Auch diese Darstellung passt zu den Informationen, die wir aus dem Trailer kennen. Die Wikinger rund um Eivor werden auf die Reise geschickt, um nach einer neuen Heimat zu suchen. Denkbar wäre also, dass sich der Anfang des Titels mit den heimischen Problemen der Nordmänner auseinandersetzt. Hunger, Überpopulation – die Suche nach einem neuen Zuhause und der damit verbundene Wille zum Überleben. Ganz interessant unter dem Aspekt, dass sich die Story rund um Eivor daher eher unwahrscheinlich um ein Familiendrama drehen wird, sondern genau jenen Überlebensinstinkt zum Hauptmotiv wählen wird.
Der Überfall der Wikinger auf Linidsfarne
Langsam bewegen wir uns nun in einem historischen Zeitfenster, das für „Assassin’s Creed Valhalla“ von Interesse sein könnte, auch wenn Hauptcharakter Eivor erst rund 60-70 Jahre später zur Welt kommen sollte.
Wenngleich der Überfall auf Linidsfarne als tatsächlicher Startpunkt der Wikinger-Invasionen in die Geschichtsbücher eingehen sollte, so fanden die Wikinger bereits einige Jahre zuvor ihren Weg auf die angelsächsischen Inseln. Im Jahre 787 verzeichneten die Angelsachsen das Ankommen „dreier Schiffe von Nordmännern“, die die lokalen Einheimischen sofort umbrachten, noch bevor sie zum König überführt werden konnten. Der Angriff auf Lindisfarne, rund sechs Jahre später im Jahre 793, war jedoch der erste dokumentierte Wikingerüberfall in England und in Europa im weiteren Sinne, und seine Bedeutung wird durch die seltsamen Vorkommnisse, die ihn in den historischen Aufzeichnungen begleiten, signalisiert. Die Quellen zeigen, dass der Überfall für die englischen Christen nicht nur wegen der großen Gewalt, die ihnen zugefügt wurde, erschreckend war, sondern auch weil ein christliches Heiligtum von einem heidnischen Volk verwüstet wurde. Der Überfall wird vor allem als Schändung dargestellt – die Schädigung eines heiligen Ortes.
In der Mitte des neunten Jahrhunderts waren Irland, Schottland und England zu wichtigen Zielen für Wikingersiedlungen und -überfälle geworden. Die Wikinger erlangten die Kontrolle über die nördlichen Inseln Schottlands (Shetland und die Orkneys), die Hebriden und einen Großteil des schottischen Festlands.
Was bedeutet das für „Assassin’s Creed Valhalla“? Die Ereignisse rund um Linidsfarne finden rund 80 Jahre vor der eigentlichen Datierung des Titels statt. Laut Angaben soll dieser nämlich im Jahr 873 ansetzen. Denkbar wäre jedoch, dass dieser gar historische Moment als erstes Kapitel für Assassin’s Creed Valhalla genutzt wird – bereits in der Vergangenheit schlüpften wir in den ersten Spielminuten in die Haut eines anderen Charakters, um so geschichtlich relevante Ereignisse miterleben zu können.
Die darauffolgenden Jahre sind eher einer global-europäischen Expansion zuzuordnen. Die Wikinger überfielen weite Teile Europas und suchten demzufolge immer mehr nach potenziellen Siedlungsräumen für das eigene Volk. Da sich „Assassin’s Creed Valhalla“ jedoch explizit mit König Alfred und den Angelsachsen auseinandersetzt, ist davon auszugehen, dass wir von diesen Besuchen, wenn überhaupt, nur am Rande etwas mitbekommen werden.
Das große Heidnische Heer – das Zeitalter von Eivor aus Assassin’s Creed Valhalla
Ein relativ großer Zeitsprung führt uns ins Jahr 865. Es markiert einen der wichtigsten Zeitpunkte in der Geschichte der Wikinger. Nach Jahrzehnten kleinerer Überfälle und politischer Konflikte mit den Angelsachsen entschließen sich diverse nordische Länder dazu, ihre Streitkräfte miteinander zu verbinden und gemeinsam die fruchtbaren Lange der Angelsachsen zu überfallen. In den Geschichtsbüchern wird der Zusammenschluss dieser Armeen als Wikinger-Koalition bezeichnet. Die dazugehörige Armee wird als großes Heidnisches Heer bezeichnet.
England war zu dieser Zeit in vier kleine Königreiche aufgeteilt – East Anglia, Mercia, Northumbria und Wessex. Angesichts eines so zersplitterten Feindes war die Große Heidenarmee in ihren Feldzügen recht erfolgreich und konnte einen Großteil des Landes überrennen. In der Welle der Wikingerangriffe in England konnte nur ein Königreich – Wessex – erfolgreich Widerstand leisten. Wikinger-Armeen (zumeist dänische) eroberten East Anglia und Northumberland und zerschlugen Mercia, während König Alfred der Große von Wessex 871 als einziger König eine dänische Armee in England entscheidend besiegte.
König Alfred stellte sein taktisches Geschickt erneut im Jahre 878 im Rahmen der Schlacht von Edington unter Beweis. Trotz der anhaltenden Eroberungswelle der Dänen hatte der König seine Truppen im Frühling 878 versammelt und die Nordmänner bei Edington und London zum Kampf gestellt. Die Dänen verloren und ergaben sich – trotz des jahrelangen Konflikts zwischen den beiden Völkern bot König Alfred den Wikingern eine überraschend friedliche Lösung. Statt einer absoluten Auslöschung bot er ihnen ein temporäres Zuhause – im Gegenzug musste der König der Wikinger eine Konvertierung zum Christentum über sich ergehen lassen.
Was bedeutet das für „Assassin’s Creed Valhalla“? Das Zeitalter der Überfälle auf angelsächsische Territorien wird einen wichtigen Teil der Geschichte aus „Assassin’s Creed Valhalla“ repräsentieren. Das wird allein aufgrund der Darstellung von König Alfred im Trailer klar, der den Konflikt mit den Wikingern in „einer Sprache, die sie verstehen“ angekündigt hat. Aktuell unklar ist jedoch, ob sich dieser Satz auch auf die Schlacht von Edington bezieht, die bekanntlich einen fatalen Moment in der Geschichte der Wikinger darstellt.
Interessant hingegen ist auch die geschichtliche Betrachtung, dass die Schlacht von Edington im Jahre 878 stattfindet. Das macht zu der offiziellen Datierung von 873 eine Differenz von rund fünf Jahren. Kenner von Assassin’s Creed hingegen wissen, dass die Spiele meist einen deutlich längeren Zeitraum abdecken. Denkbar wäre also tatsächlich, dass die Niederlage gegen das angelsächsische Reich bereits zur Mitte des Titels passiert. Eivor und seine Landsleute verlieren gegen König Alfred den Großen und müssten sich mit der „Zwangskonvertierung“ zum Christentum herumschlagen. In Anbetracht der Tatsache, dass die nordische Religion und auch Odin eine immens wichtige Rolle in Eivors Leben zu spielen scheint, dürfte dieser Religionswechsel keineswegs auf Gegenliebe stoßen. Denkbar wäre also tatsächlich, dass genau diese Geschichtsphase einen wichtigen Teil des Titels repräsentiert und wir eben nicht nur die brutalen Überfälle der Wikinger miterleben, sondern auch, wie sich die Wikinger in ihrem neuen Zuhause einleben.
Der Tod von König Alfred
Zu guter Letzt wollen wir uns das Ableben von König Alfred anschauen, der im Jahre 899 verstorben ist. Verschiedenen Aufzeichnungen zufolge litt König Alfred bereits viele Jahre zuvor an schmerzhaften Krankheiten, die sein Handeln und Tun einschränkten. Nichtdestotrotz ist die tatsächliche Todesursache bis heute ungeklärt, wenngleich er nicht im Kampf gestorben ist.
Was bedeutet das für „Assassin’s Creed Valhalla“? Vergangene Ableger der Assassin’s Creed-Reihe haben eines gemeinsam: Tode bekannter Figuren der Geschichte, die nicht unbedingt geklärt sind, werden gern in den Kontext der Assassinen eingegliedert – so beispielsweise geschehen bei Julius Caeser, dem wir im Rahmen von „Assassin’s Creed Origins“ einen kurzen Besuch abgestattet haben.
Unklar, wenngleich naheliegend, ist die Information, ob es sich bei König Alfred um den Hauptantagonisten von „Assassin’s Creed Valhalla“ handelt. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, so würde uns die Angabe des Todesjahrs 899 ein relativ detailliertes Zeitfenster geben, in dem Valhalla spielt. In Anbetracht der unklaren Todesursache wäre eine finale Abschlussszene zwischen Eivor und König Alfred denkbar – eben auch, weil König Alfred im Alter von rund 50 Jahren verstorben ist. Dies mag für die damalige Zeit ein weit fortgeschrittenes, jedoch nicht unrealistisches Alter sein.
Zusätzlich interessant könnte noch die Information sein, dass König Alfred auch über seinen Tod hinaus als heiliger Christ angesehen wurde. Dies würde bedeuten, dass schreckliche Taten von König Alfred nicht im öffentlichen Kontext bekannt würden, selbst wenn Eivor diese im Rahmen der Handlung von „Assassin’s Creed Valhalla“ aufdecken würde.
Kurzfazit: Das erwartet uns in Assassin’s Creed Valhalla
Die Geschichte beweist, dass die Zeit der Wikingerüberfälle einerseits blutig und grausam war, andererseits aber auch in einem überraschend religiösen Kontext verläuft. Die Akzente im Ankündigungstrailer bezüglich der nordischen Mythologie und Odin werden kein reiner Fan-Service sein. Klar zu erwarten ist hingegen, dass die Thematik „Christentum vs. nordische Mythologie“ einen festen Bestandteil der Story einnehmen wird und Eivor sie im Verlauf der Geschichte womöglich nicht nur einmal wird hinterfragen müssen.
Erscheinen wird „Assassin’s Creed Valhalla“ im Winter 2020 für PC, PS4, Xbox One, Stadia und die beiden Next-Gen-Konsolen Xbox Series X und PlayStation 5. Alle weiteren Infos, Bilder und Daten zum Spiel findet ihr auf unserer Themenseite zum Game.