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Nachdem die Reaktionen auf Marvel’s Avengers seitens der Spieler und Kritiker eher verhalten ausfielen, dürften selbst viele eingeschworene Fans das jüngste Superhelden-Game aus dem Haus Square Enix kritisch beäugen. All jene von euch, die bei Marvel’s Guardians of the Galaxy einen weiteren potentiellen Flop befürchten, können wir schon vorab beruhigen, denn dieses Action-Adventure ist gut geworden – richtig gut sogar!
„Wenn wir das machen, sind wir so gut wie tot. T-O-H-T!“
Im Mittelpunkt stehen natürlich die Guardians beziehungsweise Wächter der Galaxie, wie sie sich selbst in der deutschen Synchronfassung des Spiels nennen. Die Antiheldentruppe ist noch nicht sonderlich lange gemeinsam unterwegs, weshalb es beinahe schon regelmäßig noch kleinere wie größere Reibereien zwischen ihnen gibt, was unter anderem dazu führt, dass sie einen Auftrag gehörig in den Sand setzen.
Wie sehr hierbei alles schiefgelaufen ist, das soll ihnen schneller bewusst werden als gedacht: Kurz nach ihrer Mission werden sie vom Nova Corps, intergalaktischen Friedenshütern, ins Visier genommen, doch bereits kurz darauf deutet sich eine sehr viel größere Gefahr an. Ehe sie sich versehen, finden sie sich inmitten eines gewaltigen Konflikts wieder, der die Galaxie in ihren Grundfesten zu erschüttern droht. Werden die Wächter ihrem Namen gerecht werden können?
Die aufregende wie packende Story beinhaltet im Laufe ihrer knapp 16 bis 20 Stunden alles, was sich „Guardians of the Galaxy“-Fans wünschen – Action, Emotionen & Spaß – und bietet den Nährboden für ein spannendes Abenteuer, das die Gruppe auf verschiedene Planeten führt. Solltet ihr (noch) kein Fan der Marvel-Truppe sein, müsst ihr übrigens keine Angst haben: Das Spiel erzählt eine komplett eigenständige Original-Geschichte. Dabei beweisen die Verantwortlichen von Eidos Montreal ein tiefgreifendes Verständnis für die Comic-Vorlage, denn die Wesenszüge von Star-Lord, Gamora, Drax, Rocket und Groot haben die Macher hervorragend eingefangen.
Dies demonstrieren sie insbesondere in den zahlreichen toll geschriebenen Dialogen, die nicht nur in den schön inszenierten Zwischensequenzen vorkommen, sondern auch in den Gameplay-Abschnitten, etwa während der Erkundung der verschiedenen Schauplätze der 16 Story-Kapitel, oder auch unterwegs an Bord ihres Raumschiffs, der Milano. Hier kommen die RPG-Wurzeln des Studios durch, das in der Vergangenheit unter anderem für „Deus Ex: Mankind Divided“ verantwortlich war, und hier kann die größte Stärke des Action-Adventures regelrecht strahlen: die Charaktere.
Was bedeutet es, eine Familie zu sein?
Wie bereits in diversen Comic-Geschichten sowie den beiden Kinofilmen zum Franchise geht es nicht in erster Linie um die Rettung der Galaxie, sondern um das Thema Familie. Was bedeutet es, eine Familie zu sein? Wie verhält man sich als Teil einer Familie, wenn man womöglich nie eine hatte oder glaubt, man verdiene vielleicht keine? In vielen Gesprächen, deren Verlauf sich mittels regelmäßig eingestreuter Entscheidungen beeinflussen lassen, wird die Charakterentwicklung der Guardians schön veranschaulicht und als Spieler spürt man regelrecht, wie sie zu einer Einheit verschmelzen.
Dies gipfelt in sehr schönen kleinen Momenten zwischen den Charakteren, die zu den Highlights des Spiels zählen. Anfangs will Drax beispielsweise Rocket mehrfach über eine Schlucht werfen, damit dieser auf der anderen Seite eine Brücke aktivieren kann. Wir entschieden uns dagegen und sagten Drax, das könne er mit einem Teammitglied nicht machen. Gegen Ende des Spiels schlug Rocket schließlich widerwillig selbst vor, Drax solle ihn über eine Schlucht werfen, doch dieser lehnte mit der Begründung ab, sein Freund sei ein wichtiges Mitglied der Gruppe.
Generell schafften es Eidos Montreal immer wieder, überraschend emotionale Augenblicke in die Geschichte von „Marvel’s Guardians of the Galaxy“ einzubauen, die wirklich zu Herzen gehen. Hierin erhalten wir Einblick in die düstersten Momente im Leben der Antihelden und sehen ihre inneren Ängste und Dämonen, denen sie sich stellen müssen. Glücklicherweise haben sie ihre Freunde dabei, die ihnen helfen, dies durchzustehen. Das Spiel zeigt die Schwierigkeiten, die bei der Entstehung einer solch ungewöhnlichen Familie entstehen und die gemeinsamen Anstrengungen, die es benötigt, um zu einer solchen zu werden, absolut hervorragend.
Dabei achteten die Macher darauf, den Teamaspekt wirklich in nahezu alle Facetten ihres Spiels einfließen zu lassen, so auch in die Erkundung und natürlich die Kämpfe. Obwohl ihr nur als Star-Lord beziehungsweise Peter Quill unterwegs seid, erforscht ihr die unterschiedlichen Umgebungen (fast) nie alleine. Eure Begleiter unterhalten sich dabei stets munter miteinander, was die Bindung zu ihnen noch verstärkt. Diese müssen sie auch zueinander haben, denn wie in den Comics und im Marvel Cinematic Universe ist nicht jeder gut auf die Wächter der Galaxie zu sprechen.
„Wir schaffen das! Wahrscheinlich…“
Während der zahlreichen Kämpfe laufen wir als Star-Lord übers Schlachtfeld und teilen sowohl mit unseren Blastern als auch unseren Fäusten ordentlich aus. Den beiden Schießprügeln kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn dank Peters Spartax-Abstammung verfügen diese über Element-Kräfte, die geschickt eingesetzt werden wollen, um die verschiedenen Gegnertypen auseinanderzunehmen. Sollte das einmal nicht reichen, habt ihr ja noch euer Team.
Mittels eines Ringmenüs könnt ihr Gamora & Co. kurze Befehle für verschiedene Aktionen erteilen. Jedem Charakter kommt dabei eine eigene Rolle zu und ihre Kräfte lassen sich wunderbar miteinander kombinieren. Groot kann beispielsweise Gegner mit Wurzeln fesseln, woraufhin etwa Rocket ein paar Granaten auf die Feinde regnen lässt. Da einige Gegnertypen spezielle Vorgehensweisen erfordern, spielen sich diese Konfrontationen angenehm taktisch.
Wenn alle Stricke reißen, habt ihr noch den Huddle. Bei diesem Spezialmanöver versammeln sich die Wächter und Star-Lord muss eine kurze Motivationsrede im Rahmen eines Quick-Time-Events halten. Schließt ihr dieses erfolgreich ab, erhalten alle Spielfiguren kurzzeitig einen Boost.
Allerdings ändert dies auch nichts daran, dass sich die Kämpfe in „Marvel’s Guardians of the Galaxy“ mit zunehmender Spielzeit sehr repetitiv anfühlen. Dies liegt einmal an den Arenen, in denen ihr kämpft, die sich oftmals ziemlich stark ähneln. Des Weiteren ist Peters eigenes Move-Repertoire recht limitiert, weshalb sich die Action abnutzt. Über einen Talentbaum und die Werkbank lassen sich die Charaktere und Star-Lords Blaster zwar verbessern, dennoch sind ihre Möglichkeiten insgesamt, obwohl abwechslungsreich, recht überschaubar. Zudem empfanden wir während unseres Tests nicht alle Aktionen als gleichermaßen nützlich.
Für etwas Abwechslung von der Action sorgen schließlich einige kreative Minispiele sowie kleinere Umgebungsrätsel, bei denen die verschiedenen Stärken der einzelnen Charaktere zum Tragen kommen. Rocket kann etwa Terminals hacken und Drax brüchige Mauern zerschlagen. Auch Peters Blaster kommen immer wieder zum Einsatz, um den Weg freizuräumen. Wie die Kämpfe nutzen sich jedoch auch die Rätsel mit der Zeit ab, da diese oft sehr ähnlich aufgebaut sind und sich dementsprechend wiederholen.
Wunderschöne Welten treffen auf technische Ungereimtheiten
Wenig zu beanstanden haben wir dafür bei der Grafik und dem visuellen Stil des Spiels, denn sowohl die Charaktere als auch die verschiedenen Planeten und Weltraumstationen, die wir in „Marvel’s Guardians of the Galaxy“ erkunden, sehen wirklich umwerfend schön aus. Es gibt in dem linearen Singleplayer-Abenteuer zwar stets nur einen Hauptpfad, doch dieser ist stets schön gestaltet und beeindruckt mit zahlreichen Details und Geheimnissen in den Arealen.
Hinzu kommen meist geschmeidige Animationen sowie eine stimmungsvolle Beleuchtung und aufwendige Partikeleffekte. Abgerundet wird dies von einem treibenden Rocksoundtrack und guten deutsche Sprechern, auch wenn die englische Synchro im direkten Vergleich etwas die Nase vorn hat.
Allerdings läuft das Action-Adventure technisch nicht immer ganz rund und das, obwohl wir auf der PlayStation 5 den Day 1-Patch bereits installiert hatten. Es gab regelmäßig Textur-Pop-ups, einige wackelnde Objekte, flackernde Texturen und einmal war sogar ein ganzer Levelabschnitt verschwunden, nachdem wir einen zuvor abgeschlossenen Bereich erneut betreten hatten. Darüber hinaus wurden ab und an Controllereingaben nicht erkannt. All dies macht das Spiel natürlich nicht unspielbar, doch es schmälert die stimmungsvolle Atmosphäre und ist angesichts der ansonsten gebotenen Qualität des Titels schlicht ärgerlich. Hier liegt noch etwas Arbeit vor Eidos Montreal.