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Age of Empires 4 im Test: Findet das RTS-Urgestein zu alter Stärke zurück?

Ende der 1990er-Jahre gehörte das Echtzeit-Strategiespiel „Age of Empires 2“ zum Pflichtprogramm auf jeder LAN-Party. Nachdem Teil 3 bei langjährigen Fans heftige Kritik einstecken musste, orientieren sich Publisher Xbox Game Studios und die zuständigen Entwickler Relic Entertainment für Age of Empires 4 an den Stärken des RTS-Urgesteins. Ob wir es hier mit einem würdigen Nachfolger zu tu bekommen, klärt unser Test.

Age of Empires 4 Gameplay: So wird’s gemacht

Nachdem man mit dem dritten Serienteil aus spielerischer Sicht einige Experimente einging, die bei Fans nur mäßig gut ankamen, orientiert man sich mit „Age of Empires 4“ an den alten Stärken, die die Reihe auszeichnen.

Der nunmehr vierte Hauptteil spielt sich genau so, wie man es von einem AoE-Ableger erwarten würde. Eine jede Partie beginnt mit einem Dorfzentrum und einer Handvoll Bewohner, die mit einem Mausklick unsererseits zur Arbeit streiten. So häufen wir im Laufe des Spiels Holz, Nahrung, Gold und Stein an, das wir dann wiederum in den Bau neuer Gebäude oder Einheiten stecken.

Hinsichtlich des Spielgefühls erinnert „Age of Empires 4“ stark an den legendären zweiten Teil, allerdings haben die Entwickler von Relic Entertainment ganze Arbeit geleistet, das etwas angestaubte Spielkonstrukt in das 21. Jahrhundert zu verfrachten.

So verzichtet der Titel beispielsweise auf das Dunkle Zeitalter, weshalb in einer Partie deutlich schneller die Post abgeht. Da gleichzeitig auch die KI in den Gefechten aggressiver agiert, spielt sich „Age of Empires 4“ flotter und moderner, aber auch einsteigerfreundlicher als seine Vorgänger. Jedoch ohne dabei die Stärken der Reihe vermissen zu lassen.

Und so dauert es nicht lang, bis uns die Kombination aus Städtebau und beeindruckenden Massenschlachten wieder absolut gepackt hat. „Age of Empires 4“ ist ein herrlich klassisches Echtzeit-Strategiespiel geworden, das aus spielerischer Sicht nur wenig Neues wagt – ob man das jetzt positiv oder negativ sehen möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Age of Empires 4 Gameplay England
Age of Empires 4 baut auf dem klassischen Spielgefühl auf © Relic Entertainment/Microsoft

Acht unterschiedliche Fraktionen

Für spielerische Varianz sorgen in „Age of Empires 4“ die verschiedenen Fraktionen. Insgesamt acht Völker stehen uns im Spiel zur Wahl, die sich nicht nur optisch, sondern auch spielerisch stark voneinander unterscheiden.

Während die defensiv-starken Engländer das klassische Age-Spielgefühl am ehesten widerspiegeln, bringen die Chinesen, Mongolen oder die Abbasid Dynastie tatsächlich frischen Wind ins Spiel. Das Reich der Mitte startet beispielsweise mit zwei zusätzlichen Bewohnern und kann sich daher im frühen Spiel einen ökonomischen Vorteil aneignen.

Die nomadisch lebenden Mongolen hingegen sind als einziges Volk in der Lage, ihr Dorfzentrum abzubauen und so die Einsatzzentrale an jeden beliebigen Ort auf der Karte zu verlagern. Dafür tut sich das Land aus Ostasien mit dem Aufbau einer florierenden Wirtschaft schwerer als die anderen Fraktionen.

Age of Empires 4 Kampagne Mongolen Gameplay
Alle Völker warten mit eigenen Einheiten und Spezialitäten auf. © Relic Entertainment/Microsoft

Insgesamt hinterlässt das Balancing von „Age of Empires 4“ im Test einen sehr guten Eindruck, denn auf jede Besonderheit einer Fraktion folgt ein ähnlich schwerwiegender Nachteil. Gleichzeitig spielen sich die Völker aber auch sehr unterschiedlich, was dem Titel eine ganz neue taktische Ebene hinzufügt.

Age of Empires 4Age of Empires 4: Neue Gameplay-Videos zeigen Seeschlachten & Kamelreiter

Viel zu erlernen

Da jede Fraktion in „Age of Empires 4“ zudem auf unterschiedliche Truppen und Spezialeinheiten setzt, ist das Echtzeit-Strategiespiel alles andere als leicht zu erlernen. Glücklicherweise haben die Entwickler aber auch an Genre-Neulinge gedacht, an die sich neben dem anfänglichen Kurz-Tutorial vor allem der Spielmodus Kunst des Krieges richtet.

Hier werden wir im Rahmen mehrerer kurzer Missionen mit den einzelnen Spielelementen sowie -faktoren vertraut gemacht. Dabei lernen wir, wie wir in den ersten Spielminuten unsere Wirtschaft in Gang bringen und diese mithilfe von Handelsposten weiter ausbauen. Später drehen sich die Aufgaben darum, die Grundlagen innerhalb der Schlachten zu erlernen und den richtigen Einsatz von Belagerungswaffen zu verinnerlichen.

Texteinblendungen und Sprachaufnahmen liefern dabei nützliche Tipps, dank denen auch Neulinge schnell ins Spiel finden. Außerdem können wir darin eine Medaille erreichen, wenn wir alle Ziele innerhalb eines vordefinierten Zeitfensters erfüllen – das sorgt für zusätzliche Motivation.

Age of Empires 4 Kampagne Spielmodi
© Relic Entertainment/Microsoft

Allerdings gehen die Tutorials in „Age of Empires 4“ für unseren Geschmack nicht weit genug und decken kaum die Besonderheiten der einzelnen Fraktionen ab. Dass das Delhi Sultanat beispielsweise ohne die Ausbildung von Scholaren einen enormen Nachteil hat, während das Heilige Römische Reich mithilfe der Prälaten eigene Einheiten buffen kann, müssen wir mühsam selbst herausfinden.

Spannende Schlachten mit KI-Aussetzern

Nachdem wir unsere eigene Wirtschaft auf Vordermann gebracht und eine Armee aufgestellt haben, kommt es in „Age of Empires 4“ irgendwann unweigerlich zum Kampf. Auch hier gibt sich der RTS-Titel aufgrund seiner Einheitenvielfalt enorm abwechslungsreich. Allerdings wirken die auf maximal 200 Bewohner begrenzten Zivilisationen aus heutiger Sicht nicht mehr ganz zeitgemäß.

In Zeiten, in denen eine „Total War“-Reihe gigantische Massenschlachten auf dem Bildschirm inszeniert, wirken die Schlachten in AoE 4 eher wie nette, kleine Scharmützel. Warum die Entwickler hier nicht einfach die Bevölkerungsgrenze erhöht oder Truppenverbände statt einzelner Einheiten eingeführt haben, ist unverständlich.

Dafür überzeugen die Kämpfe in „Age of Empires 4“ durch enormen taktischen Tiefgang. Das liegt einerseits an der enormen Vielfalt an Einheiten: jede Fraktion schickt ihre ganz eigenen Truppen in den Kampf, die mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen aufwarten. Im Falle des Delhi Sultanats sind das schwere, aber langsame Kriegselefanten, während die Mongolen auf berittene Bogenschützen und ihren Khan als Heldeneinheit zurückgreifen.

Khans sind dadurch in der Lage, in der Nähe befindliche Einheiten mit einem Signalpfeil zu buffen und gleichzeitig Falken zur Aufklärung loszuschicken. Das Repertoire an defensiven wie offensiven Einheiten innerhalb aller Völker ist derart groß, dass man im Vorfeld nie wissen kann, was einen im Kampf letztlich erwartet.

Age of Empires 4 Gameplay - Dschingis Khan greift mit seiner Armee an
© Relic Entertainment/Microsoft

So ergeben sich in einer Partie ganz unterschiedliche Spielstile, was uns ausgesprochen gut gefallen hat. Besonders im Multiplayermodus von „Age of Empires 4“, in dem bis zu acht Spieler in zwei Teams gegeneinander antreten.

Weniger gut gefielen uns allerdings einige teils herbe KI-Aussetzer, sowohl bei den normalen Arbeitern als auch bei den Truppen. So kommt es mitunter vor, dass die Zuordnung der Bewohner bei Feldern oder dem Holzhacken etwas träge vonstattengeht, während unsere Truppen sich gerne mal an Berghängen oder Engpässen verkeilen oder nicht immer die kürzeste Route wählen.

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Motivierende Kampagne

Kernstück für Solospieler stellt in „Age of Empires 4“ die Kampagne dar. Oder besser gesagt: die Kampagnen, denn hier erwarten euch insgesamt vier Story-Zweige, die mit 35 Missionen aufwarten. Anders als im zweiten Teil richten die Entwickler darin nicht den Fokus auf historische Persönlichkeiten, sondern auf wichtige Schlachten.

Den Auftakt der Kampagne bildet die Schlacht bei Hastings, bei der ihr in der Haut des normannischen Heeres um Herzog Wilhelm der Eroberung Englands beiwohnt. Die weiteren Kampagnen behandeln den Huntertjährigen Krieg, den Kampf der Mongolen gegen die Chinesen oder den Aufstieg Moskaus zu einer Weltmacht.

Dabei dienen die Missionen eher als ausgedehntes Tutorial, um euch mit dem nötigen Verständnis für den Gefechts- und Multiplayermodus fit zu machen. Spätere Aufträge erstrecken sich mitunter über mehrere Stunden Spielzeit, sodass wir hier bei rund 30 bis 50 Stunden Spielzeit liegen – nur für die Kampagne, wohlgemerkt.

Dass „Age of Empires 4“ dabei einem dokumentarischen Ansatz folgt und die Kampagnen mit beeindruckenden Landschaftsaufnahmen samt akkurater historischer Details garniert, markiert einen frischen und gelungenen Ansatz.

Age of Empires 4 Kampagne - Die Belagerung von York
Die Kampagne mischt reale Filmaufnahmen mit Computeranimationen. © Relic Entertainment/Microsoft

Für jede abgeschlossene Aufgabe schaltet ihr neue Videos frei, die euch mehr über die Hintergründe des gerade erlebten oder die Besonderheiten der unterschiedlichen Völker verrät. Das motiviert nicht nur Geschichtsfans am Ball zu bleiben.

Gefechte und Multiplayer in Age of Empires 4

Sein volles Potenzial entfaltet „Age of Empires 4“ aber erst im Gefechts- oder Multiplayer-Modus. Während ihr in ersterem gegen KI-Gegner antretet, bekommt ihr es im Online-Modus mit bis zu sieben weiteren menschlichen Spieler*innen zu tun.

Da im Rahmen unseres Tests nur wenige andere auf den Servern unterwegs waren, können wir zur Verbindungsqualität noch kein Urteil fällen. Allerdings ist AoE 4 mit schnellen Spielen, individuell anpassbaren Partien, einem Ranglistenmodus, sowie einer Option zum Zuschauen mehr als gut aufgestellt.

In den Gefechten gibt sich das Echtzeit-Strategiespiel erfreulich abwechslungsreich. So legt ihr nicht nur die Spielerzahl oder Größe der Karte fest, sondern bestimmt auch eine von maximal drei Siegbestimmungen, wählt auf Wunsch ein späteres Start-Zeitalter oder nehmt dank verschiedener Biome direkt Einfluss auf die Beschaffenheit der Maps.

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Gerade hinsichtlich der Karten bietet „Age of Empires 4“ eine Menge Abwechslung. Denn ob ihr es mit vielen Engpässen, breiten Flüssen, üppigen Wäldern oder kleinen Inselgruppen zu tun bekommt, hat enorme Auswirkungen auf das Gameplay des RTS-Titels. Insgesamt stehen dabei so viele verschiedene Optionen zur Wahl, dass sich keine zwei Partien gleich anfühlen.

Die Technik von Age of Empires 4

Aus technischer Sicht ist „Age of Empires 4“ ein zweischneidiges Schwert. Auf der Haben-Seite verbucht das Strategiespiel ein herausragendes Sounddesign, das mit beeindruckenden Effekten, atmosphärischen Stimmen und einem mitreißenden Soundtrack überzeugt. Gerade, wenn wir einer Schlacht beiwohnen, die Bogenschützen ihre Pfeile in den Himmel jagen und die Speere aufeinanderprallen, dann klingt der RTS-Titel schlicht bombastisch.

Auf der anderen Seite fällt die Optik des Spiels im Vergleich dazu stark ab und dient eher als Mittel zum Zweck. Im Vergleich zum dritten Teil haben die Entwickler das Grafikgerüst stark entschlackt und den Detailgrad spürbar heruntergeschraubt, was dem Spielfluss und Überblick zugutekommt. Und doch ist es verwunderlich, dass Wasser- und Feuereffekte, aber auch die Animationen im 16 Jahre alten Vorgänger mitunter deutlich besser aussahen.

Mit aktuellen Genre-Highlights wie einem „Total War: Troy“ kann das Spiel keineswegs mithalten. Während wir uns gewünscht hätten, noch eine Spur näher an das Spielgeschehen heranzoomen zu können, überzeugen die Einheiten und Bauwerke zumindest aus der Ferne noch immer durch einen hohen Detailgrad. Der bunte Look ist hingegen Geschmackssache.

Age of Empires 4 Grafik
© Relic Entertainment/Microsoft

Schwerer wiegen allerdings einige fragwürdige Entscheidungen hinsichtlich des User Interface, das beispielsweise teils simple, aber wichtige Kommandos unnötig schwer gestaltet. Sei es die Auswahl einzelner Einheitentypen aus seinem gesamten Heer oder fehlende Hotkeys, die sich negativ auf das Spielgefühl auswirken.

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Philipp Briel

Liebt Games und Serien auf allen Plattformen. Klemmt sich bevorzugt hinter das Lenkrad virtueller Rennwagen oder erholt sich an den Gewässern offener Spielwelten. Fühlt sich im Auenland aber genauso heimisch, wie in Battle-Royale-Shootern oder der nordischen Mythologie.
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