Ob durch Max Payne, Quantum Break oder Control – es dürfte nur wenige Spieler*innen geben, die noch nie den Namen Remedy Entertainment oder den des dazugehörigen Creative Directors und Autors Sam Lake gehört haben. Vor mehr als 25 Jahren eröffnete die Spieleschmiede ihre Pforten in Finnlands zweitgrößter Stadt Espoo und war seitdem ein Garant für Games der besonderen Art, womöglich auch, da es Remedy bis heute gelang, ihre Unabhängigkeit zu wahren. Dass sie gerne eine Fortsetzung zum 2010 veröffentlichten Psychohorror-Abenteuer Alan Wake entwickeln wollten, war bereits seit geraumer Zeit klar, nur konnte Remedy bis 2019 nicht frei über die Marke verfügen.
Inzwischen ist Alan Wake 2 nach dem Rückkauf der Rechte angeblich längst voll in Produktion, was läge also näher, als den Vorgänger noch einmal ins kollektive Gedächtnis der Spieler*innen zurückzurufen? Genau das machen Remedy und Publisher Epic Games nun in Form einer technisch aufgebrezelten Neuauflage für PC, Xbox One, Xbox Series X|S, PS4 und PS5. Wir haben Alan Wake Remastered bereits auf der aktuell stärksten Xbox gespielt und verraten euch, ob Serienanfänger*innen und Fans gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Wir beginnen indes mit den technischen Neuerungen. Wenn ihr erst mal wissen möchtet, um was es im Spiel eigentlich geht, findet ihr Infos dazu in den später folgenden Textabschnitten.
Unverfälschte Frischzellenkur
Die native Auflösung aufs Maximum hochschrauben, ein paar hübschere Texturen drüberklatschen und vielleicht noch ein wenig das HUD anpassen, damit die Spieler*innen sehen, dass man sich wirklich um alles gekümmert hat: So mag der ein oder andere Hersteller vorgehen, wenn es darum geht eine Remastered-Version eines älteren Spiels an den Mann oder die Frau zu bringen.
Remedy macht es bei der Neuauflage von „Alan Wake“ zum Glück anders. Natürlich nutzen auch die Finnen die Gelegenheit, die höchstmögliche Auflösung zu bieten (auf PS5 und Xbox Series X gibt es entsprechend sogar natives 4k), was allein schon massiv die Bildschärfe erhöht. Auch Texturen werden flächendeckend mit neuen HD-Assets ersetzt, aber eben nicht wahllos, sondern ganz gezielt und so, dass hier eine fotorealistische Tapete sichtbar wird, während an einer vermeintlich unsichtbaren Stelle der alte Matsch erhalten bleibt.
Man merkt einfach, dass am Ende zwar alles besser, aber nicht künstlich aussehen soll und vor allem der Stil des Originals erhalten bleibt. So werden in den meist bewusst eher karg eingerichteten Innenräumen nicht blind neue Objekte platziert. Die Charaktere kommen insbesondere in den inhaltlich identischen Cutscenes mit einer etwas natürlicheren Mimik daher, werden aber nicht so überzogen gepimpt, dass sie auf einmal wie Fremdkörper in der Szene wirken.
Wo es passt, geht Remedy einen Schritt weiter. Weshalb nicht die Weitsicht erhöhen, damit beispielsweise bei der Ankunft mit einer Autofähre die Kleinstadt Bright Falls zu Beginn bereits deutlich mehr als eine graubraune Fläche ist? Das zerstört nicht das Gesamtbild, sondern lässt die Szene authentischer wirken, zumal die im 360-Original sichtbaren Texturnachlader und das hässliche Kantenflimmern genauso wegfallen wie das störende Screentearing. Ähnlich handhabt das Studio es bei der Vegetation. Es mag auch den ein oder anderen zusätzlich platzierten Baum oder Strauch geben, aber in erster Linie sind schlichtweg dichtere Baumkronen und feiner verästelte Büsche zu erkennen. Beim Blick auf den Boden wächst der Detailgrad ebenfalls an, denn auch Gras, das wirklich wie Gras aussieht und sich bisweilen sanft im Wind wiegt, verfälscht ebenfalls nicht den Stil, sondern wertet ihn auf.
Übers Ziel hinaus schießt Remedy auch nicht bei den Effekten, die schon im Original etwa mit Blick auf Licht und Schatten eine der größten Stärken waren. Auch hier gibt es überwiegend Aufwertungen, die der Gesamtsteigerung und vor allem der höheren Auflösung angemessen sind. Nur in einem Bereich ist die Veränderung massiver, was sich im laufenden Spiel aber ebenfalls positiv bemerkbar macht. Denn den Bewegungsunschärfe-Effekt drehen die Finnen bis zum Anschlag auf, wobei der einzig negative Effekt davon der ist, dass wir es nicht so leicht hatten, halbwegs scharfe Screenshots aus Kämpfen zu erstellen.
Gewiss gibt es auch Bereiche, in denen Remedy mehr hätte tun können. Geschadet hätte es beispielsweise nicht, die manchmal hakeligen Animationen etwa beim Springen oder Klettern durch neue zu ersetzen. Verkehrt wäre es zudem nicht gewesen, den Abstand der Verfolgerkamera zu Alan zumindest außerhalb der Kämpfe zu vergrößern. Denn an diesen Stellen ist der für unseren Geschmack zu gering. Das sind alles aber keine kriegsentscheidenden Punkte. Wir sind mit dem Gesamtergebnis durchweg zufrieden, können dies allerdings nur für die Series X bewerten, also nicht, wie sich die Versionen auf der Xbox One, PS4 und PS5 schlagen. Nur eine Sache bedauern wir: Die Gelegenheit, die insgesamt starke Akustik mit ihren satten Soundeffekten und dem exzellenten Soundtrack durch eine neue und vor allem bessere deutsche Sprachausgabe zu ersetzen, hat Remedy leider verpasst.
Schriftsteller in der Psychokrise
Während Remedy „Alan Wake Remastered“ visuell ansprechend und gekonnt auf ein Next-Gen-würdiges Niveau hievt, bleibt alles andere praktisch beim Alten. Ihr spielt also wie gehabt den namensgebenden Schriftsteller, der seit mehreren Jahren unter einer Schreibblockade und wiederkehrenden Alpträumen leidet. Eigentlich will er mit seiner Frau Alice in Bright Falls Urlaub machen, aber dazu kommt es nicht. Zu Beginn verschwindet Alice spurlos und Alans Alpträume scheinen auf seinen nächtlichen Streifzügen durch den Wald Realität zu werden, als er von rätselhaften Schattenwesen oder sogar von einem von einer dunklen Macht ergriffenen Bulldozer attackiert wird.
Besonders verstören ihn einzelne Seiten eines Manuskripts, von dem Alan glaubt, es noch gar nicht geschrieben zu haben. Viel mehr möchten wir euch dazu an dieser Stelle auch gar nicht verraten, obgleich das Spiel bis zum Schluss auf so manche zentrale Frage keine Antwort liefert, sondern sie eurer eignen Fantasie überlässt. Die toll inszenierte Story aber bleibt bis zum Ende spannend, während Alan und damit auch ihr selbst zunehmend die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen seht.
Auf unzählige Anspielungen aus der Horror-Literatur oder berühmten Thrillern wie Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ müsst ihr dabei indes genauso wenig verzichten wie auf für Remedy fast schon typische skurrile Elemente wie die seltsamen, an „Twin Peaks“ erinnernden Bewohner von Bright Falls oder verschiedene Ausgaben einer Mystery-TV-Sendung, die entfernt an „Twilight Zone“ erinnert. Vertiefen könnt ihr das Spielerlebnis in „Alan Wake Remastered“ nach dem Abschluss des grob zwölfstündigen Hauptspiels in den zwei Bonusepisoden, die ursprünglich als DLC-Erweiterungen auf dem Xbox Markplatz veröffentlicht wurden.
Mit Knarre und Taschenlampe
Auch an der Spielmechanik ändert sich mit der Remastered-Version von „Alan Wake“ nichts. Ihr bekämpft die besagten Schattenwesen also wie gehabt mit einer Kombination aus klassischen Schusswaffen wie Pistole oder Schrotflinte und verschiedenen lichterzeugenden Ausrüstungsobjekten, nicht zuletzt mit eurer Taschenlampe, deren Batterievorrat ihr besser nie aufbrauchen solltet. Die dunkle Aura, von der die überwiegend menschenähnlichen Widersacher umgeben sind, müsst ihr nämlich zunächst mithilfe des Lichts vertreiben, um mit euren Knarren überhaupt Schaden anrichten zu können.
Das klingt zunächst womöglich sogar regelrecht überflüssig, tatsächlich aber passt es eben perfekt zur Thematik und verleiht den Kämpfen nicht zuletzt eine nicht zu unterschätzende taktische Komponente. Da die Feinde oft in Gruppen angreifen und sich relativ zügig nähern, entsteht selbst mit einer gewissen Routine noch eine gewisse Panik, die sich durchaus mit klassischen Survival-Actionspielen messen kann.
Die Kämpfe an sich machen uns jedes Mal aufs Neue Spaß, allerdings können wir nicht verleugnen, dass sie sich vom Prinzip her später fast nur noch wiederholen. Aber es gibt Ausnahmen. Insbesondere die späteren Bossfights haben es in sich, zumal sie teils auf so verrückten Ideen basieren, wie man sie, im Games-Bereich, fast nur einem Sam Lake zutraut.
Zudem variiert Remedy doch immer wieder clever zwischen ruhigeren Abschnitten am Tag und actionlastigeren in der Nacht. Ab und zu müsst ihr euch auch mal ohne Waffe durchschlagen und beispielsweise nur mithilfe von Taschenlampe und Leuchtfackeln sowie einen Begleiter vor den Schattenkreaturen beschützen. Hier und dort gibt es sogar auch mal kleinere, wenn auch seichte Rätsel und in den prinzipiell linear angelegten Levels lohnenswerten Raum zur Erkundung.