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Alien: Isolation: Das Grauen im Testlauf

Zugegeben, es war schon ein sehr mutiger Schritt für SEGA, nicht mal zwei Jahre nach dem kolossalen Flop von Alien: Colonial Marines mit Alien: Isolation direkt den nächsten Ableger von Ridley Scotts Kultfilm herauszubringen. Angst statt Action, Schleichen statt Ballern und verwinkelte Räume anstatt Schlauchlevel – das war der grobe Plan hinter dem Survial-Horror-Titel, der, soviel können wir schon verraten, nichts für schwache Nerven ist. Alien: Isolation will genretechnisch in eine völlig andere Kerbe schlagen, als seine Vorgänger und sich dabei vor allem genau an die Vorlage halten. Ob dieser Versuch von Erfolg gesegnet war und ob sich der Kauf lohnt, verraten wir euch in unserem Test.

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Das Pech liegt bei den Ripleys praktisch in der Familie

Nicht nur sexy Schiffsoffizierin Ellen Ripley, deren Endmonolog aus dem 1979 erschienen Kultstreifen: „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ uns gleich in den ersten Sekunden von Alien: Isolation begrüßt, auch ihre Tochter Amanda muss sich dem Grauen aus dem Weltall stellen. 15 Jahre nach der Zerstörung der Nostromo ist die junge Mechanikerin auf der Suche nach der Wahrheit über das Schicksal ihrer Mutter. Alien Isolation setzt damit rund 30 Jahre vor dem zweiten Teil an und erzählt eine unabhängige Geschichte. An Bord der Torrens begibt sie sich auf eine Mission zur Weltraumstation Sevastopol, wo der Flugschreiber der Nostromo aufgetaucht sein soll. Nach einer kurzen Aufwachszene aus der Kryokammer, einem Meeting mit der Mannschaft und ein paar Schritten durch das Schiff, beginnt das Andocken an die Sevastopol, mit dem auch das Unglück seinen Lauf nimmt.

Eine Explosion trennt das Team, Amanda ist alleine und muss feststellen, dass die Station in einem chaotischen Zustand ist. Ein Großteil der Elektronik scheint ausgefallen, die Besatzung verschwunden und überall befinden sich verschmierte Botschaften an den Wänden. Als sie auf ihrem Weg zum Kommunikations-Terminal vom durchgeknallten Axel abgefangen wird, wird die Sache noch verrückter. Auf der Station treibe ein „Killer“ sein Unwesen, der nach und nach alle Passagiere töte. Aber damit nicht genug, auch Plünderer drehen ihre Runden und sind schießwütiger als Psycho-Dad auf Speed. Gerade als wir dem Überlebenskünstler und Zwangsneurotiker anfangen zu vertrauen, erwischt ihn das größte Übel, das namensgebende Alien – ein ausgewachsener Xenomorph – das seinen Weg auf die Sevastopol gefunden hat.

Schnell wird Amanda klar, dass sie von der Station verschwinden muss, doch diese Erkenntnis ist nur der Anfang ihrer Odyssee, die uns noch den letzten Nerv kosten soll.

Überall lauert der Tod

Nachdem unser Freund Axel zu einem „Unhappy Meal“ geworden ist, sind wir auf uns allein gestellt. Amandas Ziel ist zum einen natürlich wieder sicher auf die Torrens zu gelangen und zuvor noch den Flugschreiber zu finden, wegen dem sie ja immerhin in dieses Schlamassel hinein geraten ist. Letzteren finden wir recht rasch, der aber entpuppt sich als Finte, da die Daten nicht ausgelesen werden können. Nun gilt es von dieser Station des Grauens zu entkommen, was leider nicht so leicht funktionieren wird, wie das Auffinden der Blackbox. Nicht nur, dass die Sevastopol durch die Explosion und die merkwürdigen Vorgänge an Bord in einem ziemlich maroden Zustand ist, zu allem Überfluss warten überall todbringende Feinde auf uns. Normalerweise würde man nun davon ausgehen, dass wir diese einfach mit einem großen Arsenal an Waffen niederstrecken, doch Alien Isolation tickt hier anders.

Ganz im Stil moderner Horror-Games wie Outlast, Daylight oder Amnesia sind wir völlig hilflos. Wir finden auf unserem Weg zwar einige Ballermänner, aber da Amanda nicht zur Kategorie Actionheldin gehört, sind wir eigentlich allen Kontrahenten maßlos unterlegen. Da wären zum Beispiel die Plünderer, Überlebende auf der Station, die unser Schicksal teilen, aber nicht der Meinung sind, mit uns zusammenzuarbeiten. Lieber wollen sie uns aus dem Weg räumen und so eröffnen sie sofort das Feuer, wenn sie uns erblicken. Da die durchschnittliche Lebensdauer von Amanda aber nicht mehr als zwei Treffer verträgt, sollten wir diese Schießereien vermeiden, da wir eh immer den Kürzeren ziehen. Unsere zweiten Gegenspieler sind die eigentlich freundlichen Hilfs-Roboter, die aber umprogrammiert worden sind und jeden Eindringling vernichten sollen. Das machen sie auch mit brachialer Härte. Ein Schuss aus unserem Revolver kann sie zwar für wenige Sekunden zurückschlagen, aber dann haben wir nur die Chance uns an ihnen vorbeizudrängen und das Weite zu suchen. Ebenso ergeht es uns mit den Soldaten von Weyland-Yutani, dem Konzern hinter unserer Mission, die irgendwie nicht so erpicht darauf sind, uns zu retten, und lieber ebenfalls gleich die Waffen scharfmachen. Auch hier hilft nur: Beine in die Hand nehmen!

Das Rennen an sich aber eine eher schlechte Idee ist, merken wir gleich das erste Mal, als wir in einer wilden Verfolgungsjagd Besuch von oben bekommen. Über uns schleicht nämlich durchgehend der Xenomorph – das Alien – durch die Lüftungsschächte und reagiert extrem empfindlich auf Geräusche. Wenn wir also rennen und damit sehr laut sind, locken wir das Mistvieh wunderbar an und da die Station nur so von freien Stellen in der Decke überzogen ist, kann uns das unheimliche Wesen aus dem Weltraum auch jederzeit besuchen. Die KI funktioniert dabei etwas eigenwillig. Zum einen gibt es feste Stellen im Spielablauf, in dem sich das Monster in unserer Nähe von der Decke lässt, zum anderen kann es uns auch so immer wieder aufspüren und ohne erkennbares Muster angreifen. Manchmal gibt es sich netterweise vorher zu erkennen, indem wir ein Poltern über uns in den Schächten hören oder sein säurehaltiger Sabber aus einer Deckenöffnung tropft. Oft greift es aber auch spontan an, oder lässt sich lautlos hinter uns hinunter und wir sehen nur noch dabei zu, ohne Vorwarnung, wie uns sein Stachelschwanz durchbohrt.

Die Entwickler haben sich hier sehr viel Mühe gegeben, dieses unbarmherzige Monstrum möglichst furchterregend darzustellen. Furchterregend, weil es eben immer zuschlagen kann, ohne dass wir darauf vorbereitet sind. Draufballern bringt uns nichts, da der perfekte Organismus quasi unzerstörbar ist. Ganz im Gegenteil: Spürt es uns auf, sind wir tot – ganz schnell und chancenlos. Unsere einzige Möglichkeit ist extrem auf der Hut und leise zu sein. Wenn wir es dann doch mal erkennen, bevor es uns erblickt, sollten wir schnell ein Versteck in einem Schrank oder unter einem Tisch suchen und abwarten, bis es sich wieder verkrümelt.

Anders als die letzten Resident Evil-Teile orientiert sich Alien: Isolation hier vollkommen am aktuellen Trend des Horrorspiel-Genres und bietet uns dieses Gefühl, völlig auf uns allein gestellt, in einer todbringenden Umgebung, ohne Hilfe und Hoffnung zu sein. Das gibt dem Survival-Schrecken sehr viel Tiefe und sorgt für eine ungemein beklemmende Spannung, die wirklich Angst erzeugt.

Solid Snake, Aiden Pears und MacGyver in einer Person

Wenn uns der Gebrauch von Schusswaffen schon keinen Vorteil bringt, dann müssen wir eben andere Möglichkeiten suchen, unseren Gegnern überlegen zu sein. Exakt hier offenbart Alien: Isolation ein erfrischend abwechslungsreiches und durchdachtes Gameplay. So schleichen und verstecken wir uns die meiste Zeit, orientieren uns anhand der Bewegungen unserer Feinde und versuchen unentdeckt zu beleiben. Die vielen Lüftungsschächte und Versteckmöglichkeiten spielen uns dabei wunderbar in die Karten. Dazu haben wir noch eine Reihe Gadgets zur Hand, die wir uns teilweise selbst zusammenbauen müssen. Das geht anhand von Blaupausen und vieler Materialien, die wir überall auf unserem Weg finden. Das 'Crafting' funktioniert dabei sehr simpel nach dem Baukastenprinzip. Um Bösewichte oder auch Mister Alien himself besser zu orten, haben wir einen Bewegungsmelder in der Tasche, der auch als Zielfindung funktioniert.

Allerdings stehen uns nicht alle Türen sofort offen, daher müssen wir oft kleine Hacking-Minispiele absolvieren, um Zugriff auf ein Computerterminal oder einen Durchgang zu erhalten. Um unsere Gegner besser abzulenken, können wir immer wieder die Elektronik einzelner Abschnitte manipulieren und so zum Beispiel die Belüftung ausschalten, damit ein Raum im Dunstnebel versinkt, oder die Sicherheitskameras deaktivieren. Dabei ist diese Vorgehensweise völlig optional und wir werden vom Spiel selbst nicht darauf hingewiesen. Augen auf, lautet hier das Motto. Wer einfach nur schnell die Gänge durchqueren will, lässt dabei links uns rechts viel interessantes Zeug, wie eben Rohstoffe oder Computerterminals, liegen. Letztere benötigen wir, um mehr über die Hintergründe der Story oder sogar Türcodes zu erfahren. Zwar gibt es, dank unserer Karte, die wir in traditioneller Manier Stück für Stück zusammensammeln müssen, eine Art Wegfindung, aber diese zeigt lediglich den Bereich an, in dem sich das Ziel befindet. Den Weg und die Vorgehensweise dahin müssen wir selbst erarbeiten.

So schleichen, hacken und fürchten wir uns also durch die, je nach Spielweise, rund 15-stündige Story. Unser Weg verläuft dabei wenig geradlinig und oft laufen wir noch einmal ein gutes Stück zurück, um mit einem neu erworbenen Gegenstand zuvor verschlossene Bereiche zu öffnen und so wirklich alles mitzunehmen, was das Spiel so bietet. Das Crafting völlig außer Acht lassen können wir nicht, da wir uns nur so zum Beispiel die lebensrettenden Heilspritzen oder verschiedene Tools zur Ablenkung bauen können. Gerade zum Ende hin legt das Spiel noch mal ein wenig zu und wird deutlich knackiger. Wer da mit leeren Händen dasteht, darf ein älteres Savegame laden. Apropos Savegames, diese liegen ziemlich weit auseinander und eine Art Quicksave gibt es nicht. Scheiden wir also aus dem Leben, dürfen wir teilweise über 15 Minuten Spielzeit wiederholen. Das gibt dem Gazen natürlich noch eine Extraportion Spannung. Die Geschichte selbst ist durchweg spannend, wenn auch streckenweise etwas zäh. Dafür erwarten uns aber einige unvorhersehbare Elemente und eine große Verschwörung. Was sind die wahren Absichten der Weyland-Yutani Corporation?

Der Überlebensmodus als nette Beigabe

Wem die Spannung im Hauptspiel nicht reicht, der kann noch das Zusatzspiel, den Überlebensmodus, ausprobieren. Hier geht es einfach nur darum, in einer Extremsituation nicht ins Graß zu beißen – mit einem knackigen Timer im Nacken. Das ist jetzt „nett gemeint“ und wird eigentlich nur durch die DLCs der Ripley-Edition interessant, die uns zwei Szenarios mit der Originalcrew der Nostromo, darunter eben auch Ellen Ripley, erleben lassen. Diese wurden von den damaligen Schauspielern, sofern noch am Leben, sogar selbst eingesprochen, was vor allem für das Retro-Feeling sehr cool ist, aber keinen wirklichen Mehrwert bietet, da wir hier keine Story erfahren.

Sehr nah am Original und doch mit Macken

Was die Fans, vor allem vom ersten Alien-Film, mehr als freuen dürfte, und alle anderen dazu motiviert sich den Streifen von 1979 noch mal reinzuziehen, ist die astreine Nähe am Original, die den Entwicklern sehr wichtig war. So gut wie jede Textur, jeder Apparat und jede Anzeige erinnert an Ridley Scotts Kultfilm. Kleine Einspieler zwischen den Ladebalken und auch das das Markenintro von 20th Century Fox sehen glatt so aus, als hätte man das VHS-Band einige Male überspielt. Ein Fest für Kenner also, das zwar technisch noch nicht ganz in der Next-Gen angekommen ist, dafür aber deutlich zeigt, wie gut ein „Ableger“ sein kann und soll.

Dafür ist leider kein Effektfeuerwerk zu erwarten und gerade auf der PlayStation 4 waren wir über die stotternden Zwischensequenzen, die Miniruckler beim Nachladen und die doch eher schwache Kantenglättung ziemlich enttäuscht. Auf den aktuellen Konsolen sieht Alien: Isolation gerade mal ein wenig besser als auf Xbox 360 und PlayStation 3 aus, auf denen der stimmungsvolle Schocker leider nicht zu empfehlen ist. Wer kann, entscheidet sich für die aktuelle Generation, wer das bestmöglichste Ergebnis will, nimmt sich den Überlebenskampf auf dem PC vor, auf dem das Spiel zweifellos am besten läuft.

Alles richtig macht dafür die Sound-Kulisse, die uns mit vielen nervenaufreibenden Geräuschen immer wieder hastig zum Umdrehen zwingt, wenn es mal wieder hinter uns klappert oder schellt. Hören wir dann über uns das schnelle Trampeln des Aliens, sind wir gefangen in der Anspannung. Die Abmischung und die Qualität klingen großartig und wir empfehlen die Verwendung eines Headsets, damit ihr euch voll in die Lage von Amanda Ripley hineinversetzen könnt.

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