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Allgemein: Das Frauenbild in Spielen: Weg vom Klischee

Hilflose Püppchen, Sexobjekte oder einfach nur platte Nebendarsteller: Über Jahrzehnten waren Frauen in Videospielen unterrepräsentiert. Das ändert sich jetzt langsam – wurde auch Zeit!

Tomb Raider, Horizon: Zero Dawn, The Last of Us 2: All diese Spiele haben weibliche Hauptcharaktere. Und dennoch ist die Diskussion um die Darstellung von Frauen in Videospielen so alt wie das Medium selbst: Erst sexualisiert und später als nicht publikumswirksam deklariert, schafften Heldinnen in den vergangenen Jahren den Sprung aus dem Schattendasein auf die große Bühne.

Die Sünden der Vergangenheit

Ich lebe inzwischen seit 38 Jahren auf unserer schönen Welt. Ich spiele Video- und Computerspiele seitdem ich vier Jahre alt bin. Noch bevor ich vernünftig lesen oder gar englisch sprechen konnte, habe ich die Befehlszeilen am C64 meines Bruders eingetippt, um endlich damit zocken zu können. Mein Lieblingsspiel damals: The Great Giana Sisters. Natürlich handelte es sich dabei nur um einen dreisten Super-Mario-Klon, doch das war mir egal. Und dass ich dabei 80er-Mädels durch bunte Klötzchenwelten steuerte, hätte mir nicht egaler sein können. Denn The Great Giana Sisters machte Spaß – genauso wie Bubble Bobble, California Games oder das super maskuline Turrican.

Trotzdem erlebte auch ich die dunklen Zeiten mit. Etwa als Lara Croft dank Technik-Problemen zum Busenwunder mit Kantenkörbchen mutierte. Wie schnell sprangen damals  nahezu alle Medien auf den Sexikonen-Zug um Lady Croft auf. Tomb Raider wurde zum Kultspiel – aber zu welchem Preis?

Frauen stellten über viele Jahre wahlweise den hübschen Eye-Candy oder das hilflose Opfer dar. Selbst die heile Nintendo-Welt machte vor den platten Klischees nicht Halt. Oder wie erklärt ihr euch beispielsweise die straffe Bikini-Braut Samus Aran aus Metroid oder Dummchen Prinzessin Peach, die natürlich nur Vorzeige-Klempner Mario retten kann. In der Vergangenheit wurden viele Fehler gemacht. Doch diese Zeiten sind glücklicherweise schon etwas länger vorbei.

Die Trendwende des virtuellen Frauenbilds

Die Vergangenheit war nicht immer dunkel. Es gibt Hoffnungsschimmer. Erinnert ihr euch noch an Kate Archer aus No One Lives Forever? Die Spezialagentin mischte mit Witz, Verstand und Kanone eine von Männern dominierte Welt auf. Selbst wenn ihr die Machosprüche nur so um die Ohren ballerten, behielt Ms. Archer ihre Coolness und verpasste dem Spiel mit viel Charme ihren ganz eigenen Twist.

Wenn wir in die vergangenen zehn Jahre zurückblicken, erinnern wir uns aber an viele Damen, die den Weg für die „virtuelle Emanzipation“ geebnet haben. Wie wäre es beispielsweise mit Jade aus Beyond Good & Evil, die als mutige Reporterin gegen ein betrügerisches Regime aufbegehrte? Oder etwa an Trip aus Ninja Theorys Enslaved: Odyssey to the West? Natürlich dürfen wir auch nicht den Reboot von Tomb Raider vergessen. Die neue Lara Croft kratzt zwar arg am Klischee des blutrünstigen Actionhelden, gefällt uns aber tausend Mal besser als das Busenwunder vergangener Zeiten.

Doch wenn es um echte Charakterköpfe geht, dann kommen wir nicht an Clementine aus Telltales The Walking Dead, Ellie aus The Last of Us oder auch an Elena Fisher, Chloe Frazer und Nadine Ross aus der Uncharted-Serie vorbei. Letzteren spendierte Naughty Dog sogar mit Uncharted: Lost Legacy ein ganz eigenes Abenteuer. Denn: Beide Figuren waren starke Charaktere mit viel Tiefe und passender Attitüde. Und genau dabei geht es letztlich auch bei dieser ewigen Diskussion.

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Olaf Bleich

Seit über 20 Jahren Spielejournalist, der sich in Polen die Hand gebrochen und trotzdem weiter Artikel geschrieben hat. Videospielgeschmack mäandert zwischen Shootern, Spaß und Stardew Valley – abgesehen davon besitzt er eine obskure Vorliebe für Wrestling.
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