Von exklusiven Waffen in Online-Shootern bis zu pixeligen Rosen für den nächsten Abend zu zweit: Virtuelle Güter sind zu einem der größten Geschäfte im Bereich des Internets geworden. Doch wie baut sich so ein Geschäft auf und lohnt ein solches sich überhaupt? Kann man reines Item-Sammeln als Hauptberuf ausführen und welche Grenzen sind dem Handel mit Essenzen oder Klingen gesetzt? In dieser Kolumne gebe ich euch einen Einblick in diese boomende Branche.
26 Euro für einen hoch ausgerüsteten Weltraumkreuzer? Ein Schnäppchen! Der Goliath K2 sieht nicht nur gut aus, sondern zerstört auch so ziemlich alles, was sich ihm in den verschiedenen Sonnensystemen in den Weg stellt. Ich gebe zu, es ist offensichtlich, dass es den Goliath K2 nicht wirklich gibt, für die 26 Euro erhält man lediglich ein paar Pixel auf dem Bildschirm, welche man durch die virtuellen Asteroidengürtel im Dark-Orbit-Universum schicken kann. So ist es möglich, Missionen (Quests) leichter zu erledigen oder eben auch den einen oder anderen Gegenspieler über den Jordan zu schicken. Zwar gibt es auch andere Raumschiffe, die meisten sogar kostenlos, jedoch ist keines von ihnen so gut wie eben jener Goliath K2. Deshalb ist es auch das meistverkaufte Schiff im Spiel. Deshalb kaufen sich Tausende Spieler einen Gegenstand, den es streng genommen gar nicht gibt. Deshalb bezahlt man hart erarbeitetes Geld für eine kleine Computergrafik: Man möchte eben besser sein als die anderen.
Der Markt mit virtuellen Gütern: ein Milliardengeschäft
Virtuelle Güter, sprich Gegenstände, die nur digital existieren, sind in der letzten Zeit zu einem Milliardengeschäft geworden. Ich denke dabei nicht nur Weltallkreuzer, sondern auch an Riesenräder für CityVille oder an eine Blume, welche man der Freundin innerhalb des sozialen Netzwerks Facebook „schenkt“. Eines sollte man sich dabei immer vor Augen halten: Der Markt der virtuellen Güter boomt. Beispielsweise ist Zynga, der Entwickler eines der beliebtesten Facebook-Spiele, dem wir auch Mafia Wars oder FarmVille zu verdanken haben, vor ungefähr einem Jahr für eine Milliarde Dollar an die Börse gegangen. Auch wenn die Aktienkurse der beiden Unternehmen seitdem stetig sinken, steigen die Einnahmen durch digitale Gegenstände rapide. Allein im Jahr 2010 verdiente man 7,3 Milliarden Dollar mit virtuellem Gut, bis 2014 sollen es 14 Milliarden werden, vermuten Analysten. Die Plattformen der Spiele verdienen übrigens ordentlich mit, beispielsweise behält Facebook 30% der Einnahmen, Apple streicht den gleichen Prozentsatz für In-App-Einkäufe ein. Im Hack’n’slay Diablo 3 wurde ein eigens für Echtgeld-Item-Einkäufe eingerichteter Shop eröffnet.
Kostenlose Spiele: Wie wird damit Geld verdient?
„Der Kunde kauft sich im Spiel Farmerama unseren Superdünger und wir ändern auf unseren Servern einen Parameter so, dass seine Felder schneller wachsen“, erklärt Gründer und CEO von Bigpoint Heiko Hubertz. „Streng genommen verkaufen wir Datenbankeinträge.“. Das Hamburger Unternehmen Bigpoint hat sich auf Onlinespiele spezialisiert. Bei einem ihrer Titel, welcher unter dem Namen Farmerama kostenlos zu spielen ist, bestellt man, genauso wie im Vorbild FarmVille aus dem Hause Zynga, einen Bauernhof. In Seafight stellt man den Piraten in sich auf die Probe und bei Dark Orbit darf man futuristische Kreuzer durch fremde Galaxien steuern. Alle diese Spiele sind endgeldfrei ohne Einschränkungen zu spielen, wer jedoch in seinen Geldbeutel greift, bekommt exklusive Neuerungen freigeschaltet und hat somit einen Vorteil gegenüber den anderen. Laut Bigpoint kaufen sich weniger als zehn Prozent der Spieler jemals einen Gegenstand im Echtgeld-Shop, das heißt mehr als 90% erleben das Spielerlebnis ohne Zahlungen. Es kann sich also jeder entscheiden.
Phänomen Free-to-Play
Bigpoint hat heute ungefähr 800 Mitarbeiter, die meisten in der Hamburger Region, jedoch gibt es auch Standpunkte in San Francisco, Frankreich und Brasilien. Statistisch gesehen sind die Deutschen vor England und Frankreich in Europa diejenigen, die am meisten für virtuelle Güter ausgeben. Zunächst vermutete man nicht, dass eine so simple Idee so ein Potenzial hat. Man wollte einfach nur ein Spiel kostenlos bereitstellen, statt es für 50 Euro im Laden zu verkaufen. Jeder sollte den Titel ausprobieren können und wenn er ihm gefällt, das eine oder andere virtuelle Gut in den Warenkorb legen. Das heißt im Endeffekt, dass diejenigen, die es sich leisten können und auch wollen, bezahlen – und alle anderen davon profitieren und kostenlos in den Genuss des Spiels kommen. Der Verkauf von digitalen Dingen ist längst kein unbekanntes Thema mehr, in allen Altersgruppen kennt man diese Problematik bereits – auch, wenn einige den Gedanken immer noch mit asiatischen Nerds verbinden. Durch den Wandel der Kosten eines Spiels sind Computerspiele längst aus Zimmern von Heranwachsenden oder jungen Menschen in den Mainstream gewandert. Jeder spielt. Entweder in der Mittagspause im Büro oder in der Bahn auf dem Handy. Und damit setzt sich auch jeder der Versuchung aus, für ein paar Cents eine Lösungshilfe für ein scheinbar unschaffbares Angry-Birds-Level zu ergattern. Doch ist es nicht auch ein wenig absurt, dass Erwachsene Geld für etwas ausgeben, dass es eigentlich überhaupt nicht gibt?
Ein System, nicht nur für Spiele
Ein immer größerer Teil unseres Lebens findet im Internet statt. Sei es E-Mails schreiben, Musik hören oder eben Spiele spielen. Wir sind online. Also macht es dann nicht Sinn, einen Teil unseres Konsums auch in die digitale Welt zu verlegen? Klar. Und das ist bereits im Gange. So ist das Prinzip des kostenlosen Nutzens und freiwilligen Bezahlens nicht nur in Spiele integriert, sondern auch beispielsweise in die Retrofoto-App Hipstamatic, welche zunächst auf die Grundausstattung beschränkt ist. Für den normalen Nutzer, der nur einmal schnell ein Bild bearbeiten möchte, reicht diese völlig aus. Will man jedoch eine weitere Linse oder einen neuen Filter, muss man sich diesen für ein paar Cents aus dem Shop herunterladen. Ein bisschen perfider wird es, wenn man sich die App Tap Fish anschaut, eine kleine Erweiterung für das Smartphone oder Tablet, welche ein niedlich-animiertes Aquarium auf den Bildschirm zaubert. Doch nach einiger Zeit sterben die Fische, bis irgendwann keiner mehr übrig ist. Tippt man einmal vorsichtig auf den Wiederbeleben-Button, wird man aufgefordert, sogenannte Fish Bucks zu bezahlen, welche man gegen Echtgeld erhält. Eine andere Variante, an die Fisch-Währung zu kommen, ist, das Spiel seinen Freunden zu empfehlen, was ich persönlich noch schlimmer finde, schließlich werden die Fische bei ihnen auch nach einiger Zeit verschwinden. Man kann sich jetzt natürlich darüber streiten, dass ein erwachsener Mensch selbst entscheiden kann, ob er sein Geld für das Wiederbeleben virtueller Fische ausgibt oder nicht, aber jeder mit einem klaren Verstand kann gut erkennen, dass das „Spiel“ das Allerletzte ist.
Aus der Geschichte: Sechs teure digitale Güter
Bei den meisten Einkäufen von digitalen Gütern muss man nur ein paar Cents oder Euro opfern, doch für so manch Virtuelles muss man schon einmal sein Bankkonto plündern – mindestens.
Unveröffentlichtes Schwert
Im Dezember 2011 bezahlte ein chinesischer Spieler von Age of Wulin 16000 US-Dollar für ein besonderes virtuelles Schwert, welches zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal erschienen ist. Das Besondere an der Waffe war, dass es eben nur ein einziges Mal, äh, „produziert“ und somit unverwechselbar wurde.
Ring aus Diamant
In Ballerspielen ist kein Platz für Romantik? Stimmt nicht! Für günstige 100 Euro kann man sich im Free-2-Play Shooter Team Fortress 2 einen Diamantring kaufen – und ihn sogar mit einem speziellen Namen versehen und/oder verschenken. Ein echtes Schnäppchen, oder?
Verbotene Nachtelfe
Im ehemalig meistgespielten Spiel der Welt World of Warcraft wechselte der Account mit einem gut ausgerüsteten Nachtelfenschurken – damals auf der höchsten Stufe (70) – für ganze 7000 Euro den Besitzer. Doch der Käufer, der nun als Spieler mit dem Pseudonym „Shaks“ durch die Welten lief, bedachte nicht, dass der Entwickler Blizzard solche Transaktionen untersagte. Das Konto wurde binnen weniger Tage gesperrt und bis heute nicht wieder freigegeben.
Weltraumstation für eine drittel Million
Regelmäßige Rekorde für teuere virtuelle Güter stellt das von einer schwedischen Firma entwickelte Online-Universum Entropia auf. So erzielte Ende 2009 die „Crystal Place Space Station“ einen Preis von knapp 330000 US-Dollar.
Schnäppchen-Insel
Ebenfalls in der virtuellen Welt von Eutropia kaufte sich der Australier David Storey 2010 ein Eiland, auf dem immer wieder besondere Dinge erscheinen. Der Clou daran: Er lässt andere Spieler seltene Tiere jagen und verdient damit jährlich nach eigenen Angaben ca. 100000 Dollar.
Raumschiff XXL
Ihr wollt einen „Titanen“ – also einen Weltraumkreuzer aus EVE Online – besitzen? Dann solltet ihr für die gesamte Ausrüstung Kosten zwischen 6000 und 7500 Euro einplanen. Der Haken daran ist nur, dass, im Unterschied zu anderen Spielen, ein Raumschiff in EVE Online wirklich zerstört werden kann. Und dann ist es für immer weg.
Digitales Leben?
Zusammenfassend stellt man schnell fest, dass der Markt mit digitalen Gütern derzeit an Fahrt aufnimmt. Gerade die kleinen Angebote verlocken zum schnellen Zugreifen und so baut sich Stück für Stück ein Imperium des Handels mit nicht realistischen Gütern auf. Es obliegt einem selbst, ob man hier den einen oder anderen Euro lässt, wobei man oft mit verlockenden Vorteilen und netten Angeboten angezogen wird. Schlussendlich bleibt nur noch zu sagen, dass man sich selbst ein wenig überlegen sollte, wofür man dort eigentlich die Cents fallen lässt und an welcher Stelle die Grenze zwischen Goliath K2 und kleinen Fischen ist. Denn manchmal vergisst man eben doch, dass es sich bei dem Ganzen nur um ein Spiel handelt.