Trashfilm oder sehenswerter Actionfilm? Der Film "Hardcore Henry" zieht nicht nur wegen der angepriesenen Egoperspektive Aufmerksamkeit auf sich – auch in Sachen Brutalität und Unterhaltung möchte der kurze Streifen in vielerlei Hinsichten unterhalten. Wir haben uns den Film vor offiziellem Kinostart angeschaut und verraten euch in unserer Filmkritik, ob wir uns wirklich in den Film hineinversetzen konnten oder ob ihr euer hart verdientes Kinogeld lieber anderweitig investieren solltet.
Gerade wacht Henry noch in einem Behandlungsraum auf, um wenige Minuten später mit ansehen zu müssen, wie seine Frau Estelle (Haley Bennett) kurzerhand von Akan (Danila Kozlovsky) entführt wird, der ganz nebenbei noch krasse telekinetische Kräfte besitzt. Seiner Stimme und Identität beraubt, startet der Protagonist einen blutigen Rachefeldzug, um Estelle aus den Klauen des bösen Antagonisten zu befreien.
Die Videospielverfilmung, die keine ist
Ein Film aus der Ich-Perspektive – was sich anhört wie der prädestinierteste Trashfilm aller Zeiten, entpuppt sich tatsächlich als frischer Wind im teils kahlen Tal der Actionfilme. Klar, den Versuch einige Szenen eines Films aus der Egoperspektive zu präsentieren, gab es in der Vergangenheit bereits, aber konsequent den gesamten Film aus der Sicht des Zuschauers zu erzählen, ist ein angenehm unverbrauchtes Schema. Wenn man dieses Rezept nun noch mit brachialer Filmgewalt und viel Kunstblut vermischt, ergibt dies den Film "Hardcore Henry", der im kommenden April endlich in den Kinos starten soll.
Der russisch-amerikanische Actionfilm ist ein Musterbeispiel für einen Genrefilm mit einer bestimmten Zielgruppe. Schon in den ersten Sekunden des Films vermittelt Regisseur Ilya Naishuller dem Zuschauer das Gefühl, selber Teil des Films zu sein und besonders Gamer dürften sich in dieser Perspektive doch recht schnell ziemlich heimisch fühlen. Man könnte fast sagen, der gesamte Film fühlt sich wie eine ziemlich lange Zwischensequenz an, wo man sich nach einigen Dialogen gleich selber wieder ans blutige Werk machen möchte. Dies ist allgemein auch der Tatsache geschuldet, dass man beim knapp 90-minütigen Film nahezu keine Verschnaufpause geboten bekommt und permanent irgendwelche Gliedmaßen abgetrennt werden oder dem menschlichen Körper anderweitig Schaden zugefügt wird. Regisseur Naishuller geizt an dieser Stelle auch nicht und präsentiert den Zuschauern alles, was die fleischige Wunderkiste "Mensch" so hergibt. Ganz davon abgesehen, dass der Film mit Panzern, nackten Frauen, osteuropäischen Soldaten und wahnwitzigen Szenen auffährt und unserer Meinung nach zu den russischsten Filmen zählt, die wir seit langer Zeit gesehen haben. Falls ihr den Film seht, werdet ihr gleich verstehen, was wir meinen.
Damit wären wir auch schon beim zweiten großen Punkt, den wir bei Hardcore Henry ansprechen müssen. Es ist ein unterhaltsamer Actionfilm – nicht mehr und nicht weniger. Die Geschichte ist maximal simpel gehalten, das Kunstblut spritzt in alle Richtungen und letztlich geht es einfach nur darum die angesprochene Zielgruppe mit möglichst krassen, beziehungsweise unterhaltsamen Szenen zu unterhalten – hier trifft Egoshooter-Action aus Spielen wie Call of Duty auf die große Leinwandunterhaltung. Naishuller verzichtet dabei bewusst auf diverse Filmelemente und fokussiert sich somit umso stärker auf die Quintessenz des Films.
Wer derweil Angst hat, dass die verwendete Technik zu schlecht ist, beziehungsweise die wackelige Kameraführung zu akutem Brechreiz führen könnte, darf an dieser Stelle entwarnt werden. Klar, in hektischen Szenen wie Verfolgungsjagden wackelt die Kamera mal von links nach rechts, aber in einigen weiteren Szenen zeigt diese Art der Kameraführung auch ihre Stärken. Simples Beispiel: In einer Szene klettert Henry actionreich an einem Gebäude hoch – diese Klettertour aus den Augen des Protagonisten zu sehen, ist beeindruckend und zeigt, dass die Ich-Perspektive nicht nur als künstlerisches Element anzusehen ist, sondern auch selber aktiv zum Filmgeschehen beisteuert.
Fazit
Lucas Grunwitz:
Am Anfang hatte ich Angst. Viel Angst. Alles sah danach aus, dass ich mit Hardcore Henry einen Trashfilm serviert bekomme, der seinesgleichen sucht. Wackelige Kameraführung im Trailer, eine eher abgestumpfte Story und pures Gemetzel – alles schrie nach einem Film, den man sich höchstens mal auf einem DVD-Abend geben kann. Tatsächlich hat mir der Film aber eines Besseren belehrt. Was mir geboten worden ist, war Unterhaltung in ihrer reinsten Form. Wer auf blutige Verfolgungsjagden und schmerzhafte Schreie steht, wird mit diesem Film auf jeden Fall zufriedenstellend bedient. Aber auch genrefremde Zuschauer sollten unter Umständen einen Blick ins Spektakel werfen. Wer sich immer noch nicht sicher ist oder überhaupt noch nie vom Streifen gehört hat, sollte sich unten auf jeden Fall noch einmal den Trailer anschauen.