Was für ein nerviger Mist …
In den ersten Spielstunden macht es uns „Ancestors“ wahrlich nicht leicht. Das ist dem ultra-realistischen Ansatz geschuldet, denn da wir nahezu nichts wissen und alles und jeder uns töten will, beginnt der nackte Kampf ums Überleben.
Ein kleiner Bach fließt durch unsere Basis und das erste was wir tun, ist daraus zu trinken. Das sorgt für ein neues Verständnis im Hirn unseres Primaten. Wasser kann man trinken, Wasser ist wichtig. Unsere Clan-Kollegen haben unser Treiben natürlich beobachtet und sobald sie bemerken, dass wir das Trinken überlebt haben, machen sie es uns nach.
Ab sofort wissen die Affen, dass man Wasser trinken kann. Und genau das beschreibt das Spielerlebnis, das uns in „Ancestors: The Humankind Odyssey“ erwartet. Unsere Affen wissen nichts, kennen nichts und fürchten sich vor allem. Unser Ziel liegt darin, neues Wissen zu erlangen und es Generation um Generation weiterzuvererben, um langsam aber sicher zu dem zu werden, was einem klugen Menschen am nächsten kommt.
Dies gelingt uns, indem wir mittels kontextsensitiver Aktionen mit unserer Umgebung interagieren. In den ersten Stunden hatten wir mit dem Survivalspiel nahezu gar keinen Spaß. Missionsbeschreibungen gibt es nicht, mal abgesehen vom Laufen und Springen können die Primaten überhaupt nichts und da wir keine Ahnung haben, was wir überhaupt tun sollen, macht sich Frust breit.
Schließlich steuern wir aber auch keinen einzelnen Helden, keinen Super-Affen der zur Geheimwaffe der Evolution wird. Wir steuern unseren gesamten Clan und wir alleine sind durch unser Handeln für das Überleben unserer Spezies verantwortlich.
Und dann macht es Klick
Haben wir diesen Grundsatz erst einmal verinnerlicht und hat es in unserem Kopf Klick gemacht, entfaltet „Ancestors: The Humankind Odyssey“ ein unglaubliches Suchtpotential. Ich bin wahrlich kein Fan von Survivalspielen und habe in den vergangenen Jahren schon einige Genrevertreter ausprobiert, diese aber genauso schnell wieder zur Seite gelegt, wie ich sie angefangen habe.
Doch „Ancestors“ ist anders. Das Spielgefühl ist absolut einzigartig und gleichermaßen komplex wie motivierend. Es handelt sich um ein Spiel, das man nur schwer beschreiben kann, denn mit einem konventionellen Videospiel hat das Abenteuer im urzeitlichen Afrika eigentlich nur wenig zu tun.
Das einzige Feature, das einer klassischen Spielmechanik nahekommt und verrät, dass wir es hier mit einem Videospiel zu tun haben, ist das Evolutionsmenü. Dieses können wir an unserem Schlafplatz aufrufen, um darin in einer Art Talentbaum neues Wissen freizuschalten. Allerdings gelingt uns dies nur, wenn wir genügend neuronale Energie gesammelt haben.
Diese häufen wir an, indem wir mit einem Baby auf dem Rücken auf Erkundungstour gehen und selbst neues Wissen erlangen. Durch Herumprobieren. Wir knabbern dreimal an diesen äußerst lecker anmutenden roten Blättern, bis wir herausfinden, dass sie uns als Nahrungsquelle dienen.
Kurz darauf finden wir einen Pilz. Neue Objekte sollten per Knopfdruck immer erst inspiziert werden, um deren Zweck aufzudecken. So finden wir heraus, dass Pilze, Beeren oder Datteln grundsätzlich essbar sind. Doch ob sie tatsächlich auch genießbar sind oder wir eine Nahrungsmittelvergiftung riskieren, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Das Überleben des Stärksten
In den ersten Spielstunden mit „Ancestors: The Humankind Odyssey“ sammeln wir uns ein Grundwissen über die Dinge in unserer Umgebung an. Blätter sind essbar, Wasser können wir trinken, Steine dienen uns irgendwie als Werkzeug.
Doch wie geht es nun überhaupt weiter, wie machen wir Fortschritte im Spiel? Das liegt ganz alleine bei uns und unseren Entscheidungen. „Ancestors“ bietet unzählige Möglichkeiten um voranzukommen.
Wir könnten nun erst einmal versuchen, in unserer Heimatbasis neues Wissen zu erlangen. Oder wir gehen hinaus in die Wildnis und schauen, was der afrikanische Urwald zu bieten hat. Sämtliche Bäume, Hügel und Berge, die wir sehen, können auch erklommen werden.
Tatsächlich sind die Gewächse unsere beste Chance auf das Überleben, denn am Boden tummeln sich zahlreiche Gefahren. Gift- und Würgeschlangen schlängeln sich über die Erde, Wildschweine scharren nach Nahrung, ganz zu schweigen von den verschiedenen Säbelzahnkatzen, die den Urwald durchkämmen.
Anfangs sind wir noch nicht einmal in der Lage uns gegen eines der Tiere zur Wehr zu setzen. Wir können lediglich versuchen ihren Attacken auszuweichen. Zumindest, wenn wir im richtigen Moment die entsprechende Taste drücken. Danach sollten wir unsere Beine in die Hand nehmen und den nächstgelegenen Baum erklimmen, denn die Gehölze sind unsere einzige Sicherheit und können von den Feinden nicht erklommen werden.
In einem Video erklärte Creative Director Patrice Désilets, dass in der Evolution nur die stärkste Spezies überleben kann. Wie und ob uns das überhaupt gelingt, hängt einzig und alleine von unseren Entscheidungen ab. Finden wir nicht heraus, wie wir den Biss einer Giftschlange heilen oder unsere Blutung vom Aufeinandertreffen mit einer Säbelzahnkatze stoppen, sterben unsere Affen schneller als es uns lieb ist. Doch mit eben diesem Wissen sind einige der Gefahren plötzlich gar nicht mehr so schlimm.
Es dauert nicht lange bis „Ancestors: The Humankind Odyssey“ eine unglaubliche Sucht entfaltet. Jegliches Wissen das wir uns aneignen, bringt uns irgendwie weiter. Vielleicht nicht sofort, vielleicht nicht offensichtlich, aber garantiert auf lange Sicht.