Immer mehr große Spielereihen nutzen den Tag ihrer Veröffentlichung als eigentlichen Early-Access-Start. Das schadet nicht nur dem Ansehen der Entwickler, sondern auch dem Ruf einer Praxis, die ein wertvolles Werkzeug für junge Studios darstellen kann.
Für nur knapp vier Euro pro Monat erhalten Spieler Zutritt zu einem besonders erlauchten Kreis und kommen eine Woche vor dem niederen Pöbel in den Genuss des nächsten potenziellen AAA-Blockbusters. Denn genau so viel kostet die kleinstmögliche Abovariante von Origin Access, dem Pay-To-Play-Early-Programm des Publishers Electronic Arts. Dessen Aushängeschild ist natürlich Anthem, der nächste große Loot-Shooter, der im Vergleich zu Genrekollegen wie „Warframe“ oder „Destiny“ neben gutem Gunplay auch eine wirklich komplexe Story liefern soll.
Der Metascore zur Freischaltung des Origin-Access-Zugangs am 15. Februar, eine Woche vor dem offiziellen Release des Titels, ließ allerdings auf ein anderes Ergebnis schließen: Der Bioware-Blockbuster rauchte ab, Bugs und unverständliche Designentscheidungen, die auch ein mächtiger Day-One-Patch nicht alle beseitigen konnte, prägen bis jetzt die Wahrnehmung. Aber hatte man sich nicht mit dem Abonnieren von Origin Access versprochen, eine Woche vor allen anderen ein komplettes, fertiges Spiel genießen zu können? Was ist also passiert?
Don’t Call It A Beta
Um dieses Dilemma aufzudröseln, muss man die Geschichte des Early Access und dessen Reiz gerade für unabhängige Entwickler verstehen. Denn die Idee, Spielern gegen einen oftmals geringeren Kaufpreis Zugriff auf unfertige Versionen zu geben und sich Feedback sowie Verbesserungsvorschläge dazu abzuholen, kann bei kleinen Teams und schlechter Finanzierungslage ein wertvoller Zugewinn sein. Dass das Konzept funktioniert, beweiste der Blockbuster „Minecraft“ schon 2009, als Spieler bereits einen Monat nach dem ersten Alpha-Test die Möglichkeit bekammen, sich Zugang zum Spiel zu erkaufen und quasi als Ersatz-Qualitätsmanagement zu fungieren.
Der Erfolg des Minecraft-Modells zog schnell Nachahmer auf Firmenseite nach sich. Steam startete sein Early-Access-Programm 2013, GOG und Itch.io legten 2016 eigene, ähnlich ausgerichtete Programme vor. Obwohl die Voraussetzungen und Modalitäten je nach Plattform unterschiedlich waren, wurden digitale Spieleläden innerhalb kürzester Zeit zu einem waschechten Beta-Marktplatz. Der Reiz für Spieler ist klar: Alpha- und Beta-Tests sind zwar in der Branche Usus, aber oft zeitlich oder hinsichtlich der Teilnehmer und des verfügbaren Contents beschränkt. Early Access funktioniert anders. Käufer haben direkt Zugang zu allem, was das Spiel bisher enthält, erhalten regelmäßig Patches mit neuen Inhalten, verfolgen die Entwicklung mit und können sie in manchen Fällen sogar beeinflussen.
Eines der besten Beispiele dafür ist „Subnautica“. Obwohl das Spiel bei seinem Early-Access-Start 2014 eher maue Kritiken über sich ergehen lassen musste, fuhren die Entwickler von Unknown Worlds einen aggressiven Kurs und banden ihre Käufer aktiv in den Entwicklungsprozess ein. Interne Projektmanagement-Tools wurden geteilt und der Austausch mit der Community ernst genommen. Das Resultat ist eines der wohl interessantesten Survival-Spiele der letzten Jahre, das nicht nur für diverse Auszeichnungen nominiert wird, sondern mit „Subnautica: Below Zero“ auch ein Sequel spendiert bekommt – das momentan ebenfalls die barrierefreie und vollkommene offene Variante des Early Access nutzt.