Nachdem wir vor zwei Wochen bereits einen ersten Blick auf die neue Netflix-Serie Arcane geworfen haben, gipfelte diese vor wenigen Tagen in ihrem großen Staffelfinale. Grund genug, um noch einmal einen genaueren Blick auf das Werk zu werfen, das derzeit in aller Munde ist. Soviel sei bereits vorab verraten: Wenn ihr eine Schwäche für gute (Fantasy-)Serien habt, solltet ihr der Videospiel-Adaption eine Chance geben.
Zwei Schwestern, zwei Städte, ein Kampf
Doch worum geht es? Im Zentrum der Handlung stehen die zwei Schwestern Vi und Powder, die aufgrund eines Schicksalsschlags ihre Eltern verloren haben. Sie wuchsen in den dreckigen Gassen und Gossen von Zaun auf, einer Stadt, die im Schatten ihres leuchtenden Nachbarn Piltover steht. Die Menschen dort streben nach Fortschritt und wollen diesen mittels wissenschaftlicher Errungenschaften erreichen.
Allerdings nehmen die Spannungen zwischen beiden Städten immer weiter zu und der ohnehin bereits äußerst fragile Frieden droht endgültig zu zerbrechen. Nach einem einschneidenden Ereignis, das bereits einige Jahre zurückliegt, finden sich Vi und Powder auf zwei Seiten dieses brodelnden Pulverfasses wieder. Nicht nur ihre Heimat ihr zerrüttet, sondern auch sie haben sich voneinander entfernt.
Vi will ihrer kleinen Schwester helfen und wieder mit ihr zusammen sein, Powder andererseits weiß nicht, ob sie ihrem Schwesterherz überhaupt noch vertrauen kann. Währenddessen machen zwei junge Wissenschaftler eine erstaunliche Entdeckung, denn es ist ihnen gelungen, Magie und Wissenschaft miteinander zu verschmelzen. Wird dies einen positiven Wandel herbeiführen oder letztendlich alles zerstören?
Mehr möchten wir euch an dieser Stelle nicht zur Story von „Arcane“ verraten, die, Netflix-untypisch, in drei Akten veröffentlicht wurde, die aus jeweils drei Episoden bestehen. Rückblickend macht diese eher unorthodoxe Veröffentlichung jedoch durchaus Sinn, denn jeder Akt bietet einen Auftakt, einen eigenen Spannungsbogen und ein Finale. Garniert wird dies mit viel Raum, in dem die verschiedenen Charaktere sich allmählich entwickeln können.
Komplexe Charaktere und sehr gutes Worldbuilding
Dabei gelingt der Animationsserie, woran viele andere Videospiel-Adaptionen in den vergangenen Jahren gescheitert sind: Die Geschichte steht für sich und ihr könnt sie auch dann verstehen, wenn ihr mit dem „League of Legends“-Universum bisher noch keine Erfahrungen gemacht haben solltet. Sicherlich, euch dürfte dann das eine oder andere Easter Egg entgehen, allerdings verlässt sich die Show nicht auf puren Fan-Service, sondern ist von Anfang an daran interessiert, euch in eine aufregende Welt mit vielschichtigen Charakteren hineinzuziehen – und das gelingt.
Der schwelende Konflikt zwischen Piltover und Zaun ist auf den ersten Blick simpel und klar verständlich. Im Laufe der neun Episoden entwickelt sich daraus jedoch ein waschechter Politthriller, in dessen Verlauf verschiedene Parteien, die alle ihre eigenen Ziele verfolgen, diese Welt immer tiefer ins Chaos stürzen. Dabei kommen jedoch die Figuren, wie bereits angeklungen, nicht zu kurz, sondern machen nachvollziehbare Wandlungen durch.
Die Charaktere sind liebens- und hassenswert, doch niemand von ihnen ist einfach nur gut oder nur böse, sie alle haben unterschiedliche Facetten, die sich im Laufe der drei Akte von „Arcane“ immer mehr entfalten. Der Serie gelingt es, verschiedene Aspekte und Genres wunderbar miteinander zu kombinieren: Sie ist Charakterstudie, Fantasy-Epos und Familiendrama in einem – und noch soviel mehr als das.
All dies gipfelt schließlich in einem bittersüßen Finale, das den Raum für die bereits bestätigte 2. Staffel bereitet, sich allerdings gleichzeitig wie ein durchaus runder und herzzerreißender vorläufiger Abschluss anfühlt. Trotz kleinerer Schwächen, im Laufe des 2. Akts gibt es beispielsweise durchaus die eine oder andere erzählerische Länge, wachsen einem die Figuren langsam ans Herz und ehe wir uns versahen, waren mit mittendrin in dieser Welt, die sich uns natürlich und organisch eröffnet, indem wir den Charakteren auf ihren Abenteuern folgten.
Die bestaussehende Serie 2021?
Doch „Arcane“ kann nicht nur mit hervorragend geschriebenen Figuren und einem sehr guten Worldbuilding überzeugen, sondern ebenfalls mit einem einzigartigen visuellen Stil. Ohne Übertreibung zählt die Videospiel-Adaption zu den bestaussehenden Animationsserien des Jahres, vielleicht ist es sogar die optisch beeindruckendste Show, die 2021 an den Start ging und das liegt daran, dass auch hier mehrere Faktoren zusammenspielen.
Zunächst kombiniert die Zeichentrickserie gekonnt 2D- mit 3D-Animationen, woraus sich ein sehr besonderer und einprägsamer Stil entwickelt. Abgerundet wird dieser mit einer ausgezeichneten Farbkomposition, die die Welt zum Leben erweckt, welche der Serie einen sehr malerischen Look verleiht. Dadurch wirken Piltover, Zaun und auch die verschiedenen Figuren schön plastisch und greifbar, allerdings auch nicht zu realistisch. Darüber hinaus wird dies mit Techniken kombiniert, die wir ansonsten eher aus Live-Action- also Realfilmproduktionen kennen.
Insbesondere während der krachenden und hervorragend inszenierten Actionszenen spielen die Macher immer wieder mit der Beleuchtung sowie dem Kontrast und vermischen dies mit flüssigen Kamerafahrten in der einen und dynamischen, wackligen Kameraaufnahmen in der anderen Einstellung. Die Bewegungen der Charaktere und ihre Schläge haben dabei ein spürbares Gewicht und jeder Schlag, den unsere Helden austeilen und einstecken müssen, fühlt sich richtig wuchtig an. Es ist vielleicht die bestaussehende Serie, die ihr dieses Jahr anschauen könnt.
Abgerundet wird all dies von einem treibenden und gleichzeitig atmosphärischen Soundtrack, auf dem unter anderem namhafte Bands wie Imagine Dragons oder auch Woodkid vertreten sind. Die rockigen Beats passen hervorragend zu den dynamischen Kampfszenen und unterstreichen die Hektik dieser Momente wunderbar. Darüber hinaus hauchen die Synchronsprecher, sowohl im englischen Original als auch in der deutschen Übersetzung, den verschiedenen Charakteren glaubhaft Leben ein.
Arcane: Die beste Serie des Jahres?
Bis hierhin haben wir bereits viel zu „Arcane“ geschrieben und wir könnten noch lange so weitermachen, denn die Animationsserie gibt schlicht und ergreifend viel her. Dabei ist es schön zu sehen, dass die Verantwortlichen die Charaktere, diese Welt und auch uns Zuschauer ernst nehmen. Die Show ist düster und brutal und richtet sich damit klar an ein etwas älteres Publikum. Dies hilft dabei, dieses Universum glaubhaft zum Leben zu erwecken, mutet aufgrund einer gut eingestreuten Portion Humor jedoch nie zu deprimierend an.
Um es kurz zu machen: „Arcane“ ist nicht nur die bisher vielleicht beste Videospiel-Adaption, sondern eine der besten Serien des Jahres. Unabhängig davon, ob ihr sonderlich große Fans von Animationsserien seid oder nicht, wenn ihr einfach nur Fans von guten Serien und guten Fantasy-Geschichten mit einer reichhaltigen Welt und vielschichtigen Charakteren seid, dann solltet ihr unbedingt einen genaueren Blick riskieren. Es lohnt sich.