Es gibt gleich mehrere unschöne Gründe, warum die Live-Action-Adaption von Arielle, die Meerjungfrau aktuell in aller Munde ist, und über keinen davon wollen wir hier diskutieren. Wir nehmen den Film wie er ist und wollen ihn als das bewerten, was er sein will. Keine Dokumentation und kein Eins-zu-eins-Remake, sondern etwas Altes im neuen Gewand.
Das flaue Magengefühl war bei der Pressevorführung dennoch dabei, aber nicht weil die Fische (annähernd) realistisch aussehen oder weil rothaarige Schauspieler*innen in Hollywood eine schwere Zeit haben, sondern weil die Qualität von Disneys Realverfilmungen schlimmer schwankt als ein Betrunkener auf dem Jahrmarkt.
Wir haben uns das mehr als zweistündige Werk dennoch so gut es geht ohne Vorurteile angesehen und mussten feststellen, dass kaum ein negativer Kritikpunkt, der so vorschnell im Vorfeld die Runde gemacht hat, Halt finden konnte. Nein, „Arielle, die Meerjungfrau“ von 2023 ist kein Meisterwerk im klassischen Sinne, aber dennoch unterhaltsame Kost.
Arielle, die Meerjungfrau: Unsere spoilerfreie Kritik zur Live-Action-Adaption
Die Handlung dieser Realverfilmung bleibt dem Original über weite Strecken treu, erlaubt sich aber absolut nachvollziehbare Freiheiten. Dank dieser Abweichungen ergeben gewisse Schlüsselelemente der Handlung deutlich mehr Sinn, wie beispielsweise die Frage, wieso sich Arielle und Erik zueinander hingezogen fühlen.
Der visuell beeindruckende Film beklagt zwar ein paar Leerläufe und wenige Szenen, die nur mit zugekniffenen Augen und abgelenkter Hirnaktivität Sinn ergeben, dafür verfügt er aber auch über so manch eine Eigenidee, die so gut in die Story passt, dass man sie im Nachhinein im Zeichentrickfilm von 1989 vermisst.
Generell merkt man dem Film an, dass sich die Schöpfer*innen dieses Werks durchaus Gedanken darüber gemacht haben, was in der Vorlage keinen Sinn ergeben hat beziehungsweise, welche Elemente gefehlt haben. Die Motivationen der handlungstragenden Figuren sind besser nachvollziehbar, die Handlung in sich schlüssiger.
Ein Film, der bisher kaum mehr als eine angenehme Kindheitserinnerung war, wird dadurch zu einem Werk, dass man sich auch ohne nostalgische Gefühle ansehen und das man abseits der Zurschaustellung eigener Liebeleien genießen kann. Abgerundet wird dieses Erlebnis durch tolle Kulissen und einem sichtbaren Auge für Details in Garderobe, Kulisse, etc.
Die originalen Lieder aus dem Zeichentrickfilm von John Musker und Ron Clements wurden hier ebenfalls sehr detailverliebt und nah an der Vorlage umgesetzt, lediglich durch wenige, verzeihbare und sogar sinnige Änderungen verfremdet. Was die neu eingeführten Lieder angeht, dürften sich die Gemüter jedoch scheiden.
Wir bezeichnen diese Musikeinlagen, die es 1989 noch nicht gab, einfach mal als generische Musical-Nummern, die nicht hätten sein müssen, die das Boot aber auch nicht versenken. Lediglich die kleine Rap-Einlage von Disney-Liebling Awkwafina wirkt etwas fehlplatziert, da sie so gut in den Film und zur Prämisse passt wie Kakteen im Streichelzoo.
Wenn man „Arielle, die Meerjungfrau“ (2023) etwas vorwerfen kann, dann, dass es sich die Drehbuchautoren hier und dort zu leicht gemacht haben. Beispielsweise dann, wenn die Antagonistin all ihre Pläne und ihre Motivation in Selbstgesprächen aufrollt oder wenn das Finale die gleichen höchst langweiligen Fehler begeht wie im Original.
Zudem sind die realistisch angehauchten Unterwasserbewohner schwer verdaulich. Aber nicht, weil sie sich mit der restlichen Darstellungsform beißen, sondern, weil sie im Meeresäquivalent des Uncanny Valley schwimmen, und es geneigten Kinogänger*innen damit schwer machen, Zuneigung und Vertrautheit zu spüren.
Doch auch wenn wir uns bei der Qualität des Getiers in „Arielle, die Meerjungfrau“ nicht einig sein sollten, dürften wir es doch zumindest bei der schauspielerischen Leistung der engagierten Darsteller*innen sein. Die meisten Akteure in diesem Streifen leisten einen guten Job, allen voran (Überraschung, Überraschung) Melissa McCarthy als Ursula.
Halle Bailey (Arielle) und Jonah Hauer-King (Prinz Erik) schlagen sich ganz gut, doch es ist sichtbar Luft nach oben. Javier Bardem (König Triton), eigentlich ein guter Schauspieler, schwächelt jedoch über die komplette Länge des Films hinweg. Höchstwahrscheinlich ließ die Ausarbeitung seiner Rolle aber einfach nicht mehr zu als dieses unnahbare Steingesicht.
Pro:
- Sinnige Abweichungen vom Original
- Gutes Auge für Details in Kulisse, Garderobe, etc.
- Schöne, dem Original getreue Musikeinlagen
Kontra:
- Wenige Leerläufe und unsinnige Einzelmomente
- CGI-Unterwasserbewohner sehen gruselig aus
Allem Hass, den der Film lange vor seiner Veröffentlichung erhalten hat, zum Trotz ist „Arielle, die Meerjungfrau“ ein schöner, gut gemachter Film mit einigen netten Eigenideen und viel Liebe zum Detail. Hier und dort schmälern gewisse Kontrapunkte zwar das Filmerlebnis, die lassen sich aber an einer Hand eines Sägewerkmitarbeiters abzählen.