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Nintendo Labo: Kinderspielzeug oder Pappbaukasten für Erwachsene?

Wir haben unzählige Stunden mit Nintendos experimentellen Pappbaukasten verbracht und am eigenen Leib erfahren, wie der japanische Hersteller traditionelles Basteln mit Videospielen kombiniert. Für welche Zielgruppe die beiden verfügbaren Sets geeignet sind, wie der Baukasten überhaupt funktioniert und wie viel Spiel in Nintendo Labo wirklich steckt, verraten wir euch in unserem umfangreichen Artikel.

Spaß beim Lernen und Entdecken

Mit Nintendo Labo hat der japanische Hersteller Anfang des Jahres ein neues interaktives Erlebnis angekündigt, das vor allem eines fördern soll – die Kreativität. Der experimentelle Pappbaukasten ist mittlerweile für die Hybrid-Konsole Nintendo Switch erhältlich.

Der Fokus liegt vor allem auf dem Lernen während des Bastelns. Ihr erfahrt durch einfache Erklärungen, wie Dinge funktionieren und steckt mit einfachsten Materialien simple Mechanismen zusammen. Trotzdem funktionieren die zusammengebauten Objekte letztendlich genau so, wie man es gewohnt ist.

Zur Verfügung stehen dabei zwei verschiedene Sets – zum einen das Multi-Kit (70 Euro) und zum anderen das Roboter-Kit (80 Euro). Mit ersterem lassen sich ein ferngesteuertes Auto, eine Angel, ein Motorradlenker sowie ein Miniklavier basteln. Mit letzterem bauen wir uns gleich einen ganzen Roboteranzug, der in Kombination mit dem beiliegenden Spiel für die eine oder andere Überraschung gut ist.

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Kreativität und Bastellust

Nachdem Nintendo Anfang des Jahres den offiziellen Ankündigungs-Trailer zu Nintendo Labo veröffentlicht hatte, war das Staunen groß. Schließlich konnten die darin vorgestellten Basteleinen unmöglich nur mit Pappe umgesetzt worden sein. Mittlerweile ist das allgemeine Prinzip hinter Nintendo Labo kein Geheimnis mehr. Dadurch ist die Idee des experimentellen Pappbaukastens in Verbindung mit der Nintendo Switch aber nicht weniger beeindruckend.

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Wir haben von Nintendo das Roboter-Kit zur Verfügung gestellt bekommen und uns direkt in kindlicher Naivität an den Aufbau gewagt. Während das ferngesteuerte Auto die leichteste Übung im Paket ist, müssen für den Roboter gleich mehrere Stunden in den Aufbau investiert werden.

Solltet ihr von vornherein keine Lust auf den stundenlangen Aufbau haben, der Geduld und vor allem ruhige Hände benötigt, dann ist Nintendo Labo definitiv nichts für euch. Solltet ihr allerdings generell Spaß am Basteln haben, werdet ihr garantiert einige unterhaltsame Abende mit der Pappe verbringen. Als Belohnung darf später außerdem auch gespielt werden.

Der Aufbau

Bevor ihr loslegen könnt, solltet ihr darauf achten, genügend Platz zur Verfügung stehen zu haben. Nachdem wir den Deckel des vor uns liegenden Pappkartons geöffnet hatten, erwarteten uns nämlich gefühlt unzählige Pappbögen. Wie daraus eines der Objekte entstehen kann, die auf der Verpackung abgebildet sind, ist erst einmal völlig unverständlich.

Trotz anfänglicher Euphorie hat uns der Inhalt deshalb im ersten Moment ein wenig erschlagen. Insgesamt liegen dem Roboter-Kit über 20 Pappbögen, Schnüre, Riemen, Ösen sowie ein Reflektorbogen bei, auf den wir später noch genauer eingehen werden. Für den Aufbau werden kein Kleber und keine Schere benötigt. Alle benötigten Bestandteile für den Aufbau sind, bis auf die Nintendo Switch, in dem Set enthalten.

Eine Anleitung in gewohnter Papierform suchten wir in dem Karton hingegen vergeblich. Für den Aufbau wird das jeweilige beiliegende Modul benutzt, auf dem sich nicht nur das Spiel befindet, sondern auch eine hervorragende Anleitung. Schritt für Schritt erklärt uns diese welche Pappbögen und vorgestanzten Elemente benötigt werden, an welcher Falz ihr diese knicken solltet und wie die anderen Kleinteile verwendet werden. Haltet ihr die Vorwärtstaste gedrückt, werden euch die einzelnen Schritte übersichtlich gezeigt. Lasst ihr diese los, stoppt das interaktive Video. Wenn ihr die Taste auf dem Touchdisplay weiter nach rechts zieht, läuft die Anleitung entsprechend schneller ab.

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Solltet ihr euch vertan haben oder euren aktuellen Schritt gerne noch einmal überprüfen wollen, könnt ihr zu jeder Zeit zurückspulen. Auf dem Display eurer Switch könnt ihr mit euren Fingern außerdem die jeweilige Kameraperspektive auf die 3D-Modelle anpassen und die Sicht jederzeit individuell verändern und frei zoomen. Eine bessere Umsetzung einer Bauanleitung haben wir bislang noch nicht zu Gesicht bekommen. Hier bleiben keine Wünsche offen.

Es empfiehlt sich allerdings zu zweit zu bauen. Schließlich kann eine helfende Hand besonders bei dem komplexeren Roboter-Kit nicht schaden. So kann einer die Anleitung bedienen und die Pappbögen bereitlegen, während die zweite Person den eigentlichen Aufbau übernimmt. Außerdem macht der an sich schon spaßige Aufbau zu zweit noch einmal doppelt so viel Spaß – Nintendo Labo setzt klar auf Teamwork!

Insgesamt ist die Qualität der Pappbögen sehr gut, nur bei wenigen Ausnahmen hätte die Falzlinie etwas genauer sein dürfen. Vorgestanzte Elemente ließen sich bei unserem Test jederzeit ohne Probleme mit geringem Druck heraustrennen. Nach drei bis vier Stunden ist der Roboteranzug vollständig aufgebaut. Doch schon beim Meistern der einzelnen Bauabschnitte stellt sich ein wunderbares Erfolgserlebnis ein. Große Probleme sind uns dank der hervorragenden Anleitung nicht begegnet. Selbst bei komplexeren Abschnitten, in denen beispielshalber komplizierte Knoten erstellt werden müssen, hat uns die Anleitung Schritt für Schritt an die Hand genommen.

Wie viel Spiel ist in Nintendo Labo?

Das versprochene Spielerlebnis nach dem Zusammenbau ist bei dem Roboter-Set leider nur von vergleichsweise kurzer Dauer, da uns das entsprechende Minispiel nur an der Oberfläche der vorstellbaren Möglichkeiten kratzen lässt. Haben wir den kompletten Roboteranzug angelegt, werden wir in eine virtuelle Stadt entführt, die wir zerstören dürfen. Dank mechanischer Immersion durch Bewegungssteuerung macht das zwar die ersten Minuten Spaß, wirklicher Tiefgang ist aber nicht geboten. Selbst die Mini-Missionen können nicht verbergen, dass der meiste Spaß beim Aufbau entstanden ist. Hier gilt eher das Motto: Der Weg ist das Ziel. Eine coole Idee ist aber das Feature, durch das wir durch das Herunterklappen des Visiers von der Third-Person- in die Ego-Perspektive wechseln.

Doch wie funktioniert Nintendo Labo eigentlich?

Meistens steckt in den Basteleien ein Joy-Con-Controller, der über eine Infrarotkamera verfügt. Diese erkennt mit Hilfe von unterschiedlich beklebten Pappteilen mit Reflektorfolie Veränderungen und wandelt diese in Eingaben um. Dadurch weiß die Software beispielshalber, welche Töne bei dem Miniklavier aktiviert werden müssen. Rhythmuskarten oder optionale Effekträder erweitern die Möglichkeiten des Musikinstruments noch einmal.

Bei dem Roboter-Kit sind zudem Schnüre an euren Füßen und Händen befestigt, mit denen man die Position der Gewichte im Rucksack verändert und dem Spiel dadurch verständlich macht, welche eurer Bewegungen auf den Roboter auf dem Schlachtfeld übertragen werden sollen.

Was kann man mit der Pappe noch machen?

In der Toy-Con-Werkstatt können wir uns unsere eigenen Features oder gleich kleinere Spiele programmieren. Hier kann nach Herzenslust ganz nach dem Moto "Wenn-dann-Prinzip" herumexperimentiert werden. Als Spieler bekommt man hier zum ersten Mal einen Eindruck davon, wie viele verschiedene Dinge durch Nintendo Labo überhaupt umsetzbar sind.

Fazit:

Die wichtigste Frage, die sich bei Nintendo Labo unweigerlich stellt: Lohnt sich der Pappbaukasten? Wenn ihr begeisterte Zelda oder Mario-Spieler seid und auf ein weiteres spaßiges Game hofft, dann wohl eher nicht. Am ehesten eignet sich Nintendo Labo, wenn ihr über Kinder verfügt und gemeinsam mit diesen Basteln möchtet. Durch die verschiedenen Objekte werden komplexe Zusammenhänge spielerisch erklärt. Das heißt, dass eure Kinder nicht einfach nur auf der Couch sitzen und ein Videospiel konsumieren, sondern durch Nintendo Labo wirklich etwas zum Anfassen, zum Erfahren, zum Spüren, zum Aufschrauben und zum Experimentieren bekommen. Damit ist Nintendo tatsächlich so etwas wie ein Vorreiter, der einen Schritt zurückgeht und einfaches Basteln mit modernster Technik verbindet.

Solltet ihr keine Kinder haben, aber gerne basteln, die nötige Geduld mitbringen sowie bereit sein, einen nicht ganz günstigen Preis für einen Haufen Pappe zu bezahlen, ist Nintendo Labo möglicherweise ebenfalls einen Blick wert. Interessant zu beobachten wird sein, wie Nintendo sein Bastel-Set in Zukunft erweitern wird.

Das große Problem an Nintendo Labo ist tatsächlich der fehlende Tiefgang beim anschließenden Spielen sowie die nicht vorhandene Langzeitmotivation. Nach einer Stunde steht der Roboter-Rucksack sicherlich bei den meisten Spielern wieder in der Ecke. Experimentierfreudige Nutzer und Kinder dürften aber tatsächlich auch über einen längeren Zeitraum ihren Spaß mit dem Lernspielzeug haben.

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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