Insgesamt 24 Artikel umfasst der Vorschlag für eine Reform des europäischen Urheberrechts, die zwar offiziell unter dem sperrigen Titel „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ geführt, in der Öffentlichkeit aber nahezu ausschließlich mit „Artikel 13“ abgekürzt wird. Während ein Großteil der anderen Artikel kaum beachtet wird, entlädt sich die Kritik nämlich hauptsächlich an eben jenem Passus.
Die Debatte ist mittlerweile an einem toxischen Punkt angekommen, der sich in einem öffentlichen Streit zwischen der Politik, der Gesellschaft und den Medien entlädt. Bei allen Seiten werden wiederholt irreführende oder gar falsche Informationen verbreitet.
- Doch wie kam es überhaupt dazu?
- Wer steckt hinter der Urheberrechtsreform?
- Was genau besagt Artikel 13 eigentlich?
- Und warum passiert das alles?
Wir klären so einfach wie möglich auf.
Mit dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ versucht die Europäische Union, in den Mitgliedsstaaten ein möglichst einheitliches Urheberrecht einzuführen, das dem digitalen Zeitalter gerecht wird. Dies soll nicht etwa im Rahmen einer Verordnung, sondern einer Richtlinie geschehen. Gemäß der Gesetzgebung der Europäischen Union handelt es sich hierbei um ein von den Staaten vereinbartes Ziel, das es zu erreichen gilt – und nicht direkt um ein Gesetz. Den einzelnen Staaten ist es dabei selbst überlassen, wie sie die einzelnen Ziele erreichen. Deshalb müssen sie ein national geltendes, eigenes Gesetz auf den Weg bringen, das dafür sorgt, dass man der Richtlinie folgen wird.
In dem zunächst festgelegten Entwurf sind insgesamt 24 Artikel enthalten, in denen die verschiedenen Ziele der Urheberrechtsreform definiert werden. Für besonders herbe Kritik sorgt bislang jedoch ausschließlich der Artikel 13, der sich mit der „Verwendung geschützter Inhalte durch Diensteanbieter, die Online-Inhalte teilen“ befasst. Die anderen Artikel sind zwar mindestens genauso kritisch anzusehen, insbesondere das in Artikel 11 festgehaltene Leistungsschutzrecht, doch lediglich Artikel 13 dürfte die Internetnutzer unmittelbar betreffen.
Eine Woche vor der geplanten Abstimmung wurde allerdings, wie es bei einem Gesetzgebungsverfahren vollkommen normal ist, eine Formatierung der Vorlage durchgeführt. Es sind jetzt nicht mehr 24, sondern ganze 32 Artikel aufgelistet. Im neuen Dokument heißt Artikel 13 aufgrund der neuen Unterpunkte deshalb jetzt Artikel 17. Bei der Abstimmung sollen die Abgeordneten jedoch beide Bezeichnungen vorgelegt bekommen.
Im neuesten Entwurf zu Artikel 13 wird folgendes von den einzelnen Mitgliedsstaaten gefordert:
- Kommerzielle Internetdienste, bei denen Nutzer Inhalte hochladen können, sollen dafür sorgen, dass urheberrechtlich oder anderweitig geschützte Inhalte nur mit einer vorhandenen Lizenz geteilt werden. Die Internetdienste sollen deshalb dafür sorgen, dass sie von all den jeweiligen Rechteinhabern Lizenzen erwerben.
- Verfügen die Internetdienste über eine gültige Lizenz, dann gilt diese auch für die einzelnen Nutzer.
- Verfügen die Internetdienste über keine gültige Lizenz, dann haften sie für die Inhalte der Nutzer. Dies ist nicht der Fall, sollten die Internetdienste ihr „Bestmögliches“ versucht haben, eine Lizenz zu erwerben oder die Veröffentlichung eines nicht-lizenzierten Werkes zu verhindern.
- Internetdienste, die sowohl jünger als drei Jahre alt, weniger als 5 Millionen Besucher monatlich als auch weniger als 10 Millionen Euro Jahresumsatz erzielten, sollen zumindest zum Teil ausgenommen werden.
- Zitate, Bewertungen, Kritik, Karikaturen, Parodien und anderweitige vom Urheberrecht ausgenommene Werke sollen erlaubt sein und dürfen nicht von den Internetdiensten gesperrt werden.
- Internetdienste sollen die Rechteinhaber auf Anfrage darüber informieren, inwiefern man sich für die oben beschriebenen Anstrengungen eingesetzt hat.
- Internetdienste sollen eine Möglichkeit bereitstellen, damit die Nutzer gegen irrtümlich entfernte Inhalte vorgehen können. Die Rechteinhaber sollen, wenn sie relevante Inhalte melden, eine wahrhaftige Begründung abgeben. Auch außerhalb von Gerichten soll es die Möglichkeit geben, einen Streit beizulegen.
Das alles klingt auf den ersten Blick gut und schön, immerhin werden vermeintlich die Rechte der Rechteinhaber gestärkt. Allerdings sorgt die strenge Auslegung dafür, dass die Umsetzung der Richtlinien nahezu unmöglich gemacht wird. Auch wenn Upload-Filter nicht enthalten sind, wie Befürworter oftmals entgegnen, wären sie dennoch notwendig. Niemand könne die Forderungen realistisch ohne Upload-Filter umsetzen.
Kritiker sind deshalb der Ansicht:
- Es ist eine unmögliche Aufgabe, für alle Inhalte dieser Welt eine Lizenz zu erwerben.
- Wenn die Internetdienste schon vorab sicherstellen müssen, dass keine urheberrechtlich relevanten Inhalte hochgeladen werden, dann muss jede einzelne Datei vor der Veröffentlichung überprüft werden. Von Menschenhand ist dies unmöglich. Deshalb wird es zwangsläufig zur Einführung von Upload-Filtern kommen, die zwar nicht explizit, dafür aber implizit erwähnt werden.
- Solche Upload-Filter sind fehleranfällig und extrem teuer. YouTube beweist bereits mit seinem Content-ID-System, das regelmäßig falsche Urheberrechtsverstöße gemeldet werden. Zudem würden kleine Internetdienste, die nicht über das finanzielle Budget verfügen, solche Filter nicht selbst programmieren können.
- Bei den Ausnahmen für Internetdienste müssen alle drei Punkte zutreffen. De facto wären somit auch die kleinsten Seiten des Internets, die älter als drei Jahre sind, von der Regelung betroffen und müssten einen unbezahlbaren Upload-Filter einbauen.
- Die Internetdienste werden direkt für die Uploads der Nutzer haftbar gemacht. Dadurch werden sie strenger kontrollieren und möglicherweise harmlose Inhalte schon vorher blockieren, nur um keine Strafe zu riskieren. Die Redefreiheit könnte bedroht sein.
Sind die Upload-Filter denn wirklich schlimm? Experten schätzen derzeit ein, dass die Plattformen grundsätzlich alles automatisiert überprüfen müssten, sogar Kommentare. Die Veröffentlichung des Beitrags kann erst nach diesem Check erfolgen, denn die Plattformen haben natürlich kein Interesse daran, ständig verklagt zu werden. Deshalb dürften sie lieber zu viel als zu wenig blockieren und alles herausfiltern, was auch nur im Entferntesten problematisch sein könnte.
Ein solcher Upload-Filter würde deshalb wirklich alles, was man auf Plattformen wie YouTube und Instagram veröffentlichten möchte, überprüfen und kontrollieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch harmlose Inhalte unmittelbar gelöscht werden können, ist deshalb sehr hoch. Genau das soll aber gar nicht erst geschehen – ein Absurdum.
Zu beachten ist, dass es sich bislang nur um einen Vorschlag handelt, der nicht endgültig angenommen und als Richtlinie in Kraft getreten ist. Damit dies geschieht, müssen mehrere Hürden überwunden werden.
Auf der nächsten Seite erklären wir euch deshalb, wer an der Urheberrechtsreform beteiligt ist.