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Kinostarts: Joker-Kritik: Die großartigste Performance des Jahres überschattet einen sonst mittelmäßigen Film

DC geht neue Wege und möchte mit „Joker“ eine individuelle Geschichte erzählen, die den gefürchtesten Bösewicht aus Gotham in ein ultra-reales Licht rückt. Wir verraten euch, ob sich ein Kinobesuch lohnt.

Diese Review ist die persönliche Kritik eines Redakteurs und spiegelt nicht die Meinung des ganzen PlayCentral-Teams wider.

DC und Marvel stehen im konstanten Krieg. Während Kevin Feige das Marvel-Cinematic-Universe in den letzten zehn Jahren zu einem kontinuierlichen Filmgiganten geformt hat, scheint DC bei der Zusammenstellung ihres filmischen Universums immer wieder auf schlechte Kritiken und unausgearbeitete Produktionswege zu stoßen. Mit „Joker“ möchte sich Regisseur Todd Phillips nun von der mittlerweile gewohnten Comic-Kontinuität abheben und schafft einen düsteren und brutalen Alleingänger. Doch spiegelt sich seine Ambition im fertigen Film wider?

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Die Performance des Jahres

Joaquin Phoenix gilt für viele Filmliebhaber als einer der talentiersten Schauspieler unserer Zeit. Durch großartige Darbietungen in Filmen wie „Her“, „The Master“ und „You Were Never Really Here“ war sein Casting für viele Comicbuch-Fans eine willkommende Überraschung, die „Joker“ zu einem der heißerwartesten Filme von 2019 macht. Eins kann ich vorwegnehmen: Zuschauer werden nicht enttäuscht werden.

Phoenix Darstellung der Metamorphosis eines mental schwer angeschlagenen, von der Gesellschaft und dem Umfeld um ihn herum missbrauchten Mannes, ist nur schwer und herzzerbrechend mit anzusehen. Nicht nur optisch (Phoenix nahm eine ungesunde Menge an Körpergewicht für die Rolle ab) erschreckt seine Performance, auch bringen die vielen Nuancen seiner Darstellung die Zuschauer immer wieder in einen Zwiespalt: Soll man nun Mitleid für einen von der Gesellschaft ausgestoßenen Mann entwickeln, der Böses tut, oder sind seine brutalen und verstörenden Taten so abscheulich, dass es keine Entschuldigung für solch ein Handeln geben darf.

Obwohl ich die grandiose Darstellung nicht bestreiten kann, wird für viele Fans der Comicfigur des Jokers diese Version recht schwierig zu verdauen sein. Joker, in all seiner Verrücktheit und bösewichtartigen Spontanität, ist in jeder Interpretation bisher ein zielstrebiges Mastermind gewesen. Phoenix Joker wirkt leider vor allem eins: psychisch krank und nicht in der Lage, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden, was es in vielen Momenten ungläubig erscheinen lässt, ihn als Batmans intelligenten und verschlagenen Kontrapart zu sehen. Weiterhin wollen Regisseur Todd Phillips und Joaquin Phoenix sich vom „Mainstream-Comicbuch-Film“ abheben, was den Film vielmehr zu einem arroganten und präzisierten Produkt des Oscar-Baitings macht.

Ein chaotisches Problem

„Joker“ wird durch Joaquin Phoenix Darstellung getragen und verdient in dieser Hinsicht jede positive Kritik. Jedoch blieb der Film für mich bis zum Ende hin ein zu chaotisches und nihilistisches Produkt seines Regisseurs. Natürlich ist die Figur des Jokers die Personifizierung eines absoluten Chaos, doch der Film kann sich nur schwer entscheiden, was er aussagen möchte. Das Argument, dass Filme nicht immer einen entscheidenen Punkt oder Perspektive einnehmen müssen, ist im Blick auf „Joker“, der ganz klar eine Hommage an gesellschaftskritische Filme wie „Taxi Driver“ bestrebt, nicht zu entschuldigen.

Weiterhin war für mich persönlich der Umgang des Themas der mentalen Krankheit problematisch. Da der Film einen absoluten Realismus anstrebt und jegliche Überspitztheit der Vorlage ablegt, bleibt von der farbenfrohen und fast schon kindlichen Bosheit des Jokers nur noch sein überflutender psychischer Untergang übrig. In früheren Darstellungen der Figur, sei es durch Heath Ledger oder Jack Nicholson, konnten Zuschauer immer noch dem unberechenbaren Handeln des Jokers zujubeln, da er als karikaturistisches Ebenbild und Konsequenz von Gothams Gleichgültigkeit wirkte. In „Joker“ bleibt dem Zuschauer nichts anderes als eine abgrundtiefe Traurigkeit übrig, die es einem schwer macht, das extrem verstörende Ende des Filmes in irgendeiner Form gutzuheißen oder als Entertainment zu betrachten.

Ein ungutes Gefühl

„Joker“ ist ein beeindruckender Film und ich würde im Endeffekt jedem Fan der Figur oder des DC-Universums raten, sich den Film anzuschauen. Doch es bleibt ein ungutes Gefühl und eine gewisse Leere bei mir zurück, die ein erneutes Schauen des Filmes wahrscheinlich ausschließt. Vor dem Kinostart gab es einige Stimmen, die die Gewaltdarstellung des Filmes kritisierten und ihm vorwarfen, Nachahmer hervorbringen zu können. In den meisten Fällen finde ich solche einseitigen Aussagen schwachsinnig, doch mit der fehlenden Aussage des Filmes wirkt der finale Akt beinahe wie ein provokanter Aufruf eines Regisseures, der sich vor Veröffentlichung des Filmes gegen politische Korrektheit stark äußerte und einen Film mit dem Resultat kreiert, der die gewaltvollen und gleichgültigen Taten eines gescheiterten Individuums rechtfertigt.

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Todd Phillips „Joker“ ist eine faszinierende Charakterstudie, die Joaquin Phoenix womöglich eine Oscar-Nominierung einbringen wird und von jedem Filmfan angeschaut werden sollte. Stilistisch wirkte der Film für mich aber zu konstruiert und darauf ausgelegt, sich von der Vorlage als artistisches Gegenbild fast schon arrogant und protzig zu positionieren. Viele Fans werden dabei eine gute Performance in ästhetischer Kulisse mit einem guten Film verwechseln, und es ist einem persönlich überlassen, wie man solch einen nihilistischen Film für sich selbst einordnet. „Joker“ vermisst meiner Meinung nach vor allem eines: ein aussagekräftiges Drehbuch mit klarem Standpunkt, was ihn für mich zwar zu einem beeindruckenden, aber auch leeren Film macht.

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