Mit Assassin's Creed 3 setzt Ubisoft die Geschichte rund um Desmond Miles fort. Nachdem er sich bereits durch die Zeitepochen von Altair und Ezio Auditore gemetzelt hat, um die sogenannten „Edensplitter“ zu finden, startet er nun in der Haut des dritten Vorfahren voll durch. Wir schlüpfen in die Rolle von Connor – einem amerikanischer Ureinwohner, der durch die Übernahme der englischen Soldaten aus seinem Land vertrieben wurde. Nach Jahren der Unterdrückung seitens der Briten kämpfen sich amerikanische Patrioten zurück. Sie kämpfen nicht nur um ihr Land, sondern auch gegen die in ganz Amerika verteilten, britischen Stützpunkte. Ubisoft war es vor allem wichtig, den Spielern die Geschichte rund um den Unabhängigkeitskampf Amerikas im 18. Jahrhundert näher zu bringen. In unserer Review wollen wir dem auf den Grund gehen und erörtern, ob Ubisoft die etwas andere Erzählung der amerikanischen Geschichte gelungen ist oder nicht.
Connor mit Verspätung
Wie bereits erwähnt, schlüpfen wir in Assassin's Creed 3 in die Haut von Connor – einen englisch-indianischen Ureinwohner Amerikas. Doch zu Beginn waren wir selbst überrascht. Denn zunächst erleben wir ein kleines Abenteuer von Haytham Kenway. Nachdem wir den Tutorial-Abschnitt mit Desmond Miles abgeschlossen haben, wechselt das Spiel sofort in die Haut des britischen Freerunners, der mit Klinge und der Fertigkeit „Adlerauge“ ausgestattet ist. Er ist einer der weiten Vorfahren von Desmond Miles, der euch in den ersten Spielstunden an die Hand nimmt. Sein Abenteuer startet im Theatre Royal in London. Dort flüchtet er nach einem verdeckten Attentat für seine Organisation. Diese schickt ihn nach dem Fund eines mysteriösen Templer-Amuletts direkt weiter nach Boston. Und genau hier lernen wir eines der neuen Spielfeatures kennen: Schiffe. Wir schippern mit einer Mannschaft in eine Kolonie nach Boston. Auf dem Weg dorthin durchleben wir beispielsweise Seeschlachten und was es heißt, eine Meuterei zu verhindern. Später im Spiel gibt es von diesen Passagen noch einige mehr. Wir dürfen – wie in einigen Trailern bereits gesehen – auch selbst Hand an ein Schiffsruder legen. Aus Spoilergründen sagen wir euch an dieser Stelle jedoch nicht, wann und wo diese See-Passagen stattfinden.
Einmal quer durch Amerika
Nachdem wir die Vorgeschichte von Haythem Kenway durchlebt haben, schlüpfen wir schließlich in die Rolle von Connor – dem neuen Hauptcharakter in Assassin's Creed 3. Nach und nach schalten wir neue Ortschaften und Städte frei. Während wir mit Haythem noch in Boston, im Grenzland und in einem indianischen Dorf herum hüpften, dürfen wir mit Connor auch die frühen Stunden von New York City und anderen späteren US-Staaten miterleben. Außerdem gibt es kleinere Dörfer wie etwa Lexington, Concord, Charlestown und das Mohawk-Dorf, in denen Connors Stamm-Kollegen ansässig sind. Jede Stadt und jede Ortschaft stellt einen wichtigen Teil der Story. Und wie man es von Assassin's Creed gewohnt ist, sind die Städte unglaublich lebendig. Jeder NPC hat seine Aufgaben. Hier sind es Marktschreier, die versuchen auch in schweren Zeiten ihre Produkte an den Mann zu bringen. Dort ist es ein Dieb, der sich im richtigen Moment am Hab und Gut der Menschen bedient. In den dreißig Jahren, die wir von Connors Leben (1753 bis 1783) genießen dürfen, lernt der Mohawk allerhand historische Personen kennen. Dazu gehören unter anderem George Washington, Benjamin Franklin, Thomas Jefferson, Charles Lee, Israel Putnam, Paul Revere und Lafayette. Sie alle haben eine wichtige Rolle im 18. Jahrhundert gespielt. Doch damit nicht genug. Während die Szenen rund um Desmond Miles von der Inszenierung her schwächeln, punktet Assassin's Creed 3 vor allem in den Zwischensequenzen und den besonderen Momenten, die wir in der Haut des englisch-indianischen Protagonisten erleben. Wir wohnen beispielsweise der Unterzeichnung des Unabhängigkeitsvertrags bei oder erleben selbst mit, wie weit Sklaventreiber gehen, um bares Geld in die britischen Kassen zu spülen. Man darf gerne behaupten, dass Assassin's Creed 3 von der Inszenierung her der beste Teil der Serie ist.
Die kalte Schulter zeigen
Nicht nur geschichtlich bringt Assassin's Creed 3 frischen Wind in die Serie, auch spielerisch hat sich einiges getan. Während wir in der Haut von Altair und Ezio, zwei weitere Vorfahren von Desmond Miles, noch ganze vier Knöpfe zur Bedienung der einzelnen Körperteile zur Verfügung hatten, benötigen wir im Kampf in Teil drei nur „B“ / „Kreis“ für Kontermanöver und „X“ / „Viereck“ für Angriffe mit dem Schwert, der neuen Axt oder der versteckten Klinge. Neu in der Welt der Assassinen sind die Musketen und Flinten, die in der Zeit rund um den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg eine wichtige Rolle gespielt haben. Mit der linken Schultertaste können wir sogar in typischer Third-Person-Shooter-Manier Ziele anvisieren, um die Präzision eines jeden Schusses zu verbessern. Das sollte man auch tun, da die ersten Schusswaffen im 18. Jahrhundert eine authentisch lange Nachladezeit besitzen. Insgesamt hat Ubisoft Montreal das Kampfverhalten von Kenway und auch Connor überarbeitet. Während wir in Teil zwei, Brotherhood und Revelations mit allen möglichen Waffen auf den richtigen Konter-Moment warten mussten, sollte man in Assassin's Creed 3 selbst die Initiative ergreifen und in die Kampfoffensive gehen. Andernfalls verliert man bei mehreren Feinden schnell die Übersicht – und schließlich auch das Aufeinandertreffen, da einfaches Kontern aufgrund der dynamischeren Kämpfe nicht mehr der einzige Schlüssel zum Sieg ist.
Ähnlich wie in den vorherigen Teilen können wir uns in Assassin's Creed 3 nach und nach neue Waffen zulegen. Im örtlichen Gemischtwarenladen kaufen und verkaufen wir Gegenstände, die wir auf unserer Reise durch Amerika einsacken. Und wer gerade nicht flüssig ist, der absolviert einfach einige Nebenmissionen und erhält dadurch entweder wertvolle Münzen oder aber direkt neue Ausrüstung. In der Welt von Assassin's Creed 3 gibt es viel zu entdecken. Vor allem die Spielabschnitte im Grenzland – einer frei begehbaren Wildnis – vermitteln dem Spieler unglaublich viel Spielspaß. Und das Allerbeste: Neugier und Fleiß werden belohnt. An allen Ecken und Enden gibt es etwas zu entdecken – und immer, wenn wir einen der zahlreichen Aussichtspunkte erklimmen und synchronisieren, offenbaren sich uns neue Nebenmissionen und Schätze, die nur darauf warten, von uns geplündert zu werden – Caves und Dungeons inklusive. Assassin's Creed 3 bietet mit Abstand die authentischste und lebendigste Welt aller bisherigen Ableger – Chapeau, Ubisoft!
Das wilde Jahrhundert
Bleiben wir noch einen Moment bei der Wildnis von Assassin's Creed 3. Ein wenig erinnert diese nämlich an Rockstar's Red Dead Redemption. Es gibt Wildtiere wie etwa Wölfe oder Bären, welche einen attackieren. Knallt man ihnen die Flinte nicht früh genug zwischen die Augen, muss man sich das Getier durch ein kleines Minispiel vom Hals halten. Schafft man das nicht, mutiert Connor schnell mal zum Frühstück der wilden Lebewesen. Und gerät man doch mal in die Bredouille, nutzen wir einfach die einzigartigen Fertigkeiten der Kanien'kehá:ka. Wir klettern auf Bäume und Felsen, balancieren über Äste oder verweilen unentdeckt in dichten Büschen, um uns vor Feinden oder wildem Vieh zu verstecken. Noch nie bot ein Assassin's-Creed-Teil so viele Möglichkeiten des Untertauchens – ein großer Schritt nach vorne.
Assassinen in der Mehrzahl
Während sich Ubisoft Montreal um den umfangreichen (40 Stunden +) Einzelspieler-Part von Assassin's Creed 3 gekümmert hat, beauftragte man Ubisoft Annecy mit der Entwicklung des Mehrspieler-Modus. Ähnlich wie die beiden vorherigen Games „Brotherhood“ und „Revelations“ bietet auch der nummerisch dritte Teil der Assassin's-Creed-Reihe eine Online-Anbindung. Und wie es sich für ein echtes Spiel im Franchise gehört, hat auch dieser eine kleine Story-Anbindung. Rund sechszehn Charaktere wurden von Abstergo Industries erstellt, um sie in verschiedenen Trainingsszenarien im Animus antreten zu lassen. Die Trainingsszenarien stellen dabei die Spielmodi, welche recht abwechslungsreich ausgefallen sind. Neben normalen Deathmatch-Modi und einigen aus den Vorgängern bekannten Szenarien gibt es auch zwei neue Spielmodi. Im kooperativen „Wolf Pack“ treten zwei bis vier Spieler miteinander an. Ziel ist es, innerhalb des vorgegebenen Zeitlimits NPCs herauszufiltern und zu eliminieren. Der zweite neue Spielmodus funktioniert ähnlich wie der aus Shootern bekannte „Herrschaftsmodus“. Zwei Teams müssen bestimmte Areale dominieren und halten. Wer zuerst eine bestimmte Punktzahl erreicht hat, gewinnt das Match. Während Domination in einigen Sequenzen sehr unübersichtlich und hektisch wurde (passt so gar nicht zu Assassin's Creed), verkörpert „Wolf Pack“ die gesamte Tugend der Assassinen: Das Ziel erspähen, beobachten, das Attentat ausführen und schließlich untertauchen – der perfekte Koop-Modus. Wer das Hauptspiel durchgespielt hat und noch länger in der Welt von Assassin's Creed 3 verweilen will, für den kommt der Mehrspieler-Part wie gelegen. Alle anderen stehen dem Multiplayer-Part wahrscheinlich eher skeptisch gegenüber.
Die perfekte Silhouette. Oder auch: AnvilNext
Kommen wir abschließend in unserer Review noch zur Technik von Assassin's Creed 3. Diese befindet sich, wie man es von einem Titel aus dem Hause Ubisoft Montreal gewohnt ist, auf hohem Niveau. Um einige neue Features, wie etwa die Interaktion mit der Natur, einbauen zu können, verbesserte man die hauseigene Anvil-Spielengine um ein Vielfaches. Dank der AnvilNext-Engine gibt es erstmals in Assassin's Creed 3 dynamische Wetter- und Windeffekte. Außerdem können mit der neuesten Version der Spielengine unfassbare 2000 NPCs gleichzeitig auf dem Bildschirm dargestellt werden (vorher ganze 100). Zu guter Letzt verbesserte man die Animationen der NPCs in Sachen Verhalten und Kampf, wobei uns der eine oder andere Clipping-Fehler ins Auge gestochen ist. Aber wer will es einem Spiel mit einer solch großen Welt übel nehmen? All diese Änderungen lassen Assassin's Creed 3 frischer und lebendiger wirken, wobei vor allem auf der Konsole starke Einschnitte in Sachen Texturen und Kantenglättung gemacht werden müssen. Kein Wunder, denn die aktuelle Konsolen-Generation bestehend aus Xbox 360 und PlayStation 3 neigt sich langsam, aber sicher, dem Ende. Ob Assassin's Creed 3 schon alles aus den aktuellen Konsolen herausholt, erfahren wir erst, wenn Spiele mit gleichem Umfang, wie GTA V oder Watch Dogs, auf dem Markt sind. Die Synchronisation von Assassin's Creed 3 fällt wie gewohnt stark aus. Die deutschen Sprecher vermitteln dem Spieler viel Spaß bei der Arbeit und passen stets zu den einzelnen Charakteren. Rundum: Assassin's Creed 3 macht technisch eine herausragende Figur und wird durch die verbesserte Anvil-Engine auf eine neue Ebene der Videospiele gehievt!