In Assassin’s Creed Unity betreten wir mit Protagonist Arno Dorian nicht nur die französische Hauptstadt Paris, sondern erleben den Ausbruch und die Schrecken der Französischen Revolution am eigenen Leib mit. Neben einigen Schwächen in Sachen Technik und Handlung überzeugt Unity durch eine beeindruckende Spielwelt, die ihres Gleichen sucht.
Wir schreiben den 14. Juli 1789 als das Pariser Staatsgefängnis „Die Bastille“, als Zeichen der Monarchie, von einer Menschenmenge gestürmt wird – mehr als 90 Personen finden dabei den Tod. Der Sturm auf die Bastille gilt seit daher auch als Beginn der Französischen Revolution. Während kurz darauf die Privilegien der Adligen sowie des Klerus aufgehoben werden, wird am 26. August 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte verabschiedet, mit fatalen Konsequenzen für die Monarchie.
Auch Ludwig XVI kann dem Ärger des Volkes nicht standhalten und sieht sich am 21. Januar 1793 mit den Konsequenzen konfrontiert. Auf dem Place de la Révolution wird der König enthauptet.
Die Französische Revolution gilt als eines der folgenreichsten Ereignisse der europäischen Geschichte und wurde tatsächlich bisher als Setting eines Videospiels kaum genutzt. Warum ich euch nun mit trockenem Geschichtsunterricht quäle?
Ganz einfach, Ubisofts neustes Assassinen-Abenteuer Assassin’s Creed Unity spielt inmitten von Paris zur Zeit der Französischen Revolution und präsentiert uns dabei eindrucksvoll einige der wichtigsten Eckpfeiler der Geschichtsschreibung, wie der eingangs erwähnten Stürmung des Staatsgefängnisses durch das Volk oder die Hinrichtung von König Ludwig XVI.
Wer jetzt resignierend mit dem Kopf schüttelt und sich an vergangene Geschichtsstunden erinnert, die einfach nicht vorbeigehen wollten, kann beruhigt aufatmen. Mit Protagonist Arno Victor Dorian erleben wir den Ausbruch und die späteren Folgen der Revolution hautnah am eigenen Körper mit und nicht bloß in der Theorie.
Als Sohn eines Franzosen und einer Österreicherin wachsen wir 1768 wohlbehütet in Versailles auf. Als Kind lassen sich die späteren Schrecken zu diesem Zeitpunkt nicht einmal erahnen. Vergnügt spielen wir mit unserer Kindheitsfreundin Élise de la Serre, als unser Vater von einer unbekannten Person ermordet wird. Nach dem tragischen Vorfall werden wir von Élise Familie aufgenommen und lernen dort Manieren und mit Worten umzugehen. Als auch unser Adoptivvater ermordet wird, werden wir für dessen Tod beschuldigt und ins Gefängnis geworfen.
Schon befinden wir uns inmitten eines komplizierten Geflechts bestehend aus Verrat, Macht und der kränklichen Utopie an eine bessere Welt. Um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, schließt sich Arno schließlich dem Bund der Assassinen an, aus deren Rituale und Ziele er sich jedoch zunächst nicht viel macht. Er hofft lediglich, dass ihn die Bruderschaft bei seinem Rachefeldzug unterstützt.
Spiel mir das alte Lied
Assassin’s Creed wäre kein Assassin’s Creed, wenn nicht auch die mysteriöse Templer-Organisation Abstergo Industries ihre Hände im Spiel hätte. Im Vorgänger Black Flag spielten wir einen Mitarbeiter von Abstergo, nun befinden wir uns als Spieler eines solchen Titels im Animus und erleben die Erinnerungen von Arno und sollen in bisher unveröffentlichten Teilen dieser Erinnerung herausfinden, wo ein bestimmter Templer seinen Tod gefunden hat. Dabei wird die aktuelle Sitzung, in der wir uns befinden, von einer Frau namens Bishop gehackt. Mehr wollen wir an dieser Stelle auch wirklich nicht verraten. Allerdings ist die Rahmenhandlung rund um Templer und Assassinen nie sonderlich spannend oder motivierend und reißt uns meistens eher aus der interessant erzählten Geschichte rund um Arno und Élise. Überhaupt hätte man sich viel eher auf das Geschehen rund um die Revolution konzentrieren sollen, anstatt mit aller Macht die mittlerweile absolut verworrene und verschachtelte Abstergo-Story weiterzuspinnen. Denn genau hier liegt die Stärke von Unity.
Zwar hätten die Figuren von Arno und Élise durchaus noch ein wenig mehr Tiefgang gut gebrauchen können, mir als Spieler ist aber besonders der Protagonist schnell an Herz gewachsen. Hautnah mitzuerleben wie sich dieser durch die Wirren der Französischen Revolution schlägt, um seine Rache zu bekommen und die eigene Schuld zu begleichen, motiviert dank beeindruckenden Zwischensequenzen und überzeugenden deutschen Synchronsprechern immens. So wird beispielshalber Arno von Timmo Niesner, der deutschen Synchronstimme von Frodo aus „Der Herr der Ringe“, gesprochen.
Spiegelsaal und wütender Mob
Während Assassin’s Creed Rogue am selben Tag wie Unity veröffentlicht wird und für PlayStation 3 sowie Xbox 360 (PC-Version folgt im Januar 2015) erscheint, ist Unity lediglich dem PC sowie der PS4 und Xbox One vorenthalten. Dass Ubisoft nun durch die leistungsfähigere Hardware für Unity weitaus mehr Möglichkeiten zur Hand hat, spürt man an allen Ecken und Kanten. Zwar sind wir, neben einem Abstecher nach Versailles, die gesamte Spielzeit über im virtuellen Paris unterwegs, langweilig ist uns dort, zumindest in optischer Hinsicht, zu keiner Zeit geworden. Dies liegt zum einen an dem Setting, das uns immer wieder vor Augen hält, dass wir uns gerade mitten in der Französischen Revolution befinden. Überall treffen wir auf wütende und demonstrierende Bürger, die ihrem Ärger lauthals Luft machen. Als später im Spiel plötzlich ein Bürger mit einem abgetrennten Kopf auf einem Pfahl durch die Straßen läuft, war ich tatsächlich froh, bloß ein „Videospiel“ zu spielen.
Zum anderen ist es die absolute Detail-Verliebtheit, die das Entwicklerteam bei Unity an den Tag gelegt hat. Laufen wir das erste Mal durch den Spiegelsaal von Versailles (la Grande Galerie), befällt uns ein leichtes Frösteln angesichts der historischen Bedeutung des Saals, so echt wirkt alles, so farbenprächtig, so pompös. Vor allem die Umsetzung des Licht- und Schattenspiels wird wohl bei den meisten Spielern für offene Münder sorgen, wenn beispielshalber das Sonnenlicht durch die großen Fenster fällt und die dahinter liegenden Zimmer in einem Meer aus Gold erscheinen lässt.
Hier erreicht der Begriff Absolutismus seinen Höhepunkt. Im krassen Gegensatz dazu stehen die Bezirke von Paris, in denen die Ärmsten der Armen an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden sind. Hier erinnert nichts mehr an Glanz, Macht oder Ruhm. Hier zählt noch immer das nackte Überleben mit der Hoffnung auf Veränderung.
Es werden Köpfe rollen
Wofür die Assassin’s Creed-Reihe bereits seit dem ersten Teil steht, ist die Simulation von riesigen Menschenmassen. Während in den Vorgängern maximal mehrere hundert NPCs simuliert worden sind, schafft es Unity ganz neue Maßstäbe zu definieren. Möglich ist es laut Ubisoft bis zu 5.000 KI-Spielfiguren gleichzeitig darzustellen. Einen Moment, den ich persönlich wohl nicht mehr so schnell vergessen werde, war die Hinrichtung von Ludwig XVI. Als ich mit Arno über die Dächer von Paris lief und vor mir plötzlich der Place de la Révolution auftauchte, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Wie viele Leute sich nun tatsächlich auf diesem Platz versammelt hatten kann ich nicht wirklich sagen, doch es war schlicht atemberaubend so eine riesige Menschenmasse zu sehen und sich unbemerkt dem König zu nähern. Überraschend ist auch wie flüssig Unity in solchen Momenten noch läuft, obwohl eine riesige Masse an NPCs simuliert werden muss.
Leider schafft es der Titel nicht immer auf technischer Seite einen durchweg guten Eindruck zu vermitteln. Als Testmuster lag uns die PS4-Version vor (samt rund 900 Megabyte großem Day-One-Patch), die aber in regelmäßigen Abständen mit einigen nervigen Rucklern zu kämpfen hat. In Situationen, in denen große Menschenmassen simuliert werden müssen, traten diese hingegen nicht auf, weshalb wir nicht von mangelnder Hardware ausgehen. Viel eher schien die Zeit für letzte Optimierungsarbeiten schlicht zu knapp bemessen zu sein. Besonders ärgerlich sind die langen Ladezeiten auf der PS4, die bei schwierigen Missionen, bei denen man des Öfteren das Zeitliche segnet, in Frust-Moment resultieren können. Auch der Parcours-Lauf über die Dächer von Paris, als zentrales Element der Serie, wird wohl dem einen oder anderen Spieler graue Haare wachsen lassen. So bleiben wir des Öfteren an Kanten hängen, unsere Spielperson weigert sich durch offene Fenster zu springen oder wir hüpfen während einer Verfolgungsjagd plötzlich auf eine Mauer, obwohl wir dies überhaupt gar nicht beabsichtigt haben. Auch das neue Deckungssystem, das sich im Grunde sehr gut in das Gameplay von Assassin’s Creed fügt, enthält noch einige Macken.
In Unity dürfen wir nun erstmalig in der gesamten Serie aktiv in den Schleichmodus schalten, drücken wir nun vor einer Mauer die entsprechende Taste, schmiegt sich Arno hinter die Deckungsmöglichkeit und kann Gegner per Stealth-Kill aus der Deckung heraus meucheln, in der Nähe stehende Gegner bekommen davon im Bestfall nichts mit. Ab und an passiert es jedoch, dass sich Arno partout weigert die Deckung wieder zu verlassen, sehr ärgerlich wenn gerade ein Scharfschütze hinter uns sein Gewehr schultert uns zum finalen Schuss ansetzt.
Batman lässt herzlichst grüßen
Da hilft es nur noch eine Rauchbombe zu werfen und zu hoffen, dass wir uns endlich eine neue Deckungsgelegenheit suchen können. Denn besonders viel halten wir zu Beginn nicht aus. Gerade wenn wir uns gleich mehren Gegnern gegenübersehen, ziehen wir oft den Kürzeren. Dabei gehen die Kämpfe gewohnt flüssig und unkompliziert von der Hand. Werden wir von einem Gegner attackiert, wird uns dies farbig angezeigt und wir können, vorausgesetzt wir reagieren rechtzeitig, ähnlich wie in Mittelerde: Mordors Schatten oder Batman, den Schlag parieren und zum Konter ansetzen. Wird es uns mal zu viel, entkommen wir aus brenzligen Situationen mit einer schnellen Rolle. Als Hilfsmittel bekommen wir in Unity übrigens dieses Mal überraschend wenig ins Inventar gelegt. Besonders bei recht anfordernden Infiltrations-Missionen, haben wir das eine oder andere nützliche Gadget ein wenig vermisst.
Einmal Assassine, immer Assassine
Die meisten Missionen in Unity laufen nach dem typischem Assassin’s Creed-Muster ab. Um an den besagten Templer zu gelangen, muss sich Arno im Laufe der Handlung durch alle möglichen Untergebenen und Vertrauten des Gesuchten meucheln. Diese befinden sich zumeist in entweder sehr schwer zugänglichen Festungen oder an öffentlichen Plätzen, an denen es nur so von Wachen wimmelt. Wie wir dabei vorgehen, ist alleine uns überlassen, feste Routen gibt es nicht mehr.
Trotzdem gibt es noch immer Wege, die das Unterfangen deutlich einfacher gestalten, aber im Vorfeld erst einmal gefunden werden wollen. Zudem können verschiedene optionale Aufgaben erfüllt werden, um euch das weitere Vorgehen etwas einfacher zu machen. So lassen sich beispielshalber Wachen befreien, die euch im Kampf unterstützen bzw. als Ablenkung sorgen oder ihr bestecht einen Händler für Feuerwerk, damit dieser die Soldaten ablenkt und wir entsprechend leichteres Spiel haben. Einfach fallen die Infiltrations-Missionen aber nur selten aus, auch weil wir wie erwähnt nur über wenige nützliche Hilfsmittel verfügen. Wachen lassen sich mit Böllern wunderbar kurzfristig ablenken oder per Blend-, Gift-oder Rauchgranaten kurz außer Gefecht setzen bzw. vergiften. Eine sehr coole Neuerung ist die kleine Armbrust, die an unserer Assassinen-Klinge befestigt wird und Phantom- oder Berserker-Pfeile verschießt.
Viel mehr Möglichkeiten besitzen wir nicht. In Grunde braucht es aber auch gar nicht so viel Spielzeug, so besinnt sich Unity auf das Wesentliche, während manchem Veteranen sein heißgeliebtes Spielzeug fehlt. Zur Verfügung haben wir von Beginn an aber sowieso nicht alle Fähigkeiten, diese müssen wir uns erst nach und nach durch erworbene Skillpunkte freischalten. Es gilt sich zu entscheiden, wie sinnvoll einem die verschiedenen Fähigkeiten erscheinen und mit welchen Waffen in die jeweilige Mission gezogen werden soll. Gerade zum Ende hin zieht der Schwierigkeitsgrad noch einmal an. Wer bis hierhin bloß der Handlung gefolgt ist und das Aufwerten des Charakters sowie die zahlreichen Nebenaufgaben erfolgreich ignoriert hat, wird den einen oder anderen Frustmoment erleben. Im Vorfeld sollte das Inventar stets bei einem Händler aufgefüllt und nach neuer besserer Kleidung und stärkeren Waffen geschaut werden. So lassen sich besonders die oft sehr hartnäckigen Gegner deutlich einfacher auf den Boden schicken.
Wer tatsächlich nur stur die Story spielt, ist in rund 10-15 Stunden bei den Credits angelangt, allerdings ist die Spielzeit natürlich sehr von der jeweiligen Spielweise abhängig. Die wenigsten Missionen werdet ihr direkt beim ersten Versuch erfolgreich beenden können, taktisches Vorgehen und eine sorgfältige Planung gehören in den Wortschatz eines jeden waschechten Assassinen.
Gemeinsam durch die Revolution
In Assassin’s Creed Unity habt ihr zum ersten Mal in der Geschichte der gesamten Reihe die Möglichkeit gemeinsam mit drei weiteren Kollegen innerhalb des Koop-Modus über die Dächer von Paris zu laufen. Leider hatten wir bisher noch keine Gelegenheit diesen auf Herz und Nieren zu testen. Sobald wir mehrere Stunden mit unseren Mitstreitern die insgesamt 18 Koop-Missionen absolviert haben, werden wir unsere Eindrücke nachreichen.