Knapp sieben Jahre nach „Engel des Todes“ hoffen Revolution Software und Charles Cecile mit Baphomets Fluch: Der Sündenfall wieder ganz groß in das Adventure-Genre einzusteigen. Jahrelang war es ruhig um die grade in den 90er-Jahren erfolgreiche Point-&-Klick-Reihe Baphomets Fluch, die eigentlich Broken Sword heißt und durch ihre inhaltliche Tiefe eine breite Fanmasse begeisterte. Nach den beiden, in den Augen der Fans eher unschönen, Ausflügen in die dritte Dimension, zieht es unsere beiden Helden George Stobbart und Nicole Collard nun wieder zurück in heimische 2D-Gefilde. Mit handgezeichneten Hintergründen und liebevollen Charakteren will Der Sündenfall nach erfolgreicher Kickstarter-Finanzierung die Baphomets-Fluch-Reihe wieder ins rechte Licht rücken. Ob dieser Versuch gelingt, verrät unser Minitest zum ersten Teil des Adventures.
Paris, die Stadt der Morde
George Stobbart ist ein echter Pechvogel! Es scheint sich wie ein roter Faden durch seinen Lebenslauf zu ziehen, dass er immer wieder uralten Verschwörungen auf die Spur kommt, die ihn mitten in ein waghalsiges Abenteuer rund um den Globus leiten, bei dem er hin und wieder auch mal sein Leben lassen könnte. Mittlerweile arbeitet unser Serienheld mehr oder weniger erfolgreich bei einer Kunstversicherung und will gemütlich einer Ausstellung in Paris beiwohnen. Dort trifft er seine alte Flamme Nicole, oder kurz Nico, wieder, die wir auch bereits seit dem ersten Teil kennen. Natürlich hält das glückliche Wiedersehen nicht lange und es kommt zu einem brutalen Raubmord. Der Galerist wird erschossen und ein altes Gemälde, das ein ebenfalls beiwohnender Priester für das Werk des Teufels hält, gestohlen. Schon nach ein paar Minuten steht fest: Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu! Schnell entpuppt sich Laine, ein Bekannter aus dem zweiten Teil und nun Kurator besagter Galerie, als Hauptverdächtiger. Dass es aber so einfach nicht ist und Nico & George noch jede Menge zu ermitteln haben, liegt natürlich auf der Hand. Willkommen im verworrenen Sündenfall!
Die Handlung an sich ist hübsch verstrickt und wird recht schleppend erzählt. Zwar ist es so gut wie immer spannend, wer aber auf einen schnellen Szenenwechsel und dramatische Ereignisse am Laufband steht, muss hier ein paar Gänge zurückschalten. Baphomets Fluch setzt wie gewohnt darauf, die Umgebung atmosphärisch in Szene zu setzen und unsere beiden Protagonisten, die wir abwechselnd steuern müssen, mit tonnenweise Informationen zu versorgen. Thematisch sind wir diesmal wieder in christlichen Gefilden unterwegs. Der Schwerpunkt liegt auf den Evangelien und einem geheimen Orden. Aber keine Angst, noch ein Wiedersehen mit den Templern gibt es diesmal nicht! Dafür aber wieder die gewohnte Reise um die Welt zu verschiedenen Schauplätzen. Die Handlung des ersten Teils beschränkt sich auf wenige Stunden. Je nach Spielweise zwischen vier und sechs.
Alles wie damals
Obwohl sich die beiden Vorgänger immer weiter vom Point-&-Klick-Genre abgewendet haben, will Revolution Software diesmal wieder zurück zu seinen Ursprüngen. Schon die ersten Minuten geben einem das Gefühl, wieder ganz zu Hause in den ersten beiden Teilen der Serie zu sein. Wir bewegen uns in bester 2D-Ansicht durch enorm detailreiche Szenen, die dank Marke „Handgezeichnet“ schön stimmig daherkommen und die gewohnte Wärme ausstrahlen, die wir von so einem Spiel erwarten. Gesteuert wird genretypisch mit der Maus. Dabei wurden die Möglichkeiten schön begrenzt gehalten, damit wir uns besser auf das Wesentliche konzentrieren dürfen. So können wir entweder den Schauplatz ablaufen, interessante Objekte begutachten, nützliche Gegenstände aufheben, diese mit anderen Dingen kombinieren oder einfach nur benutzen. Die Dialoge sind linear und können der Reihe nach abgehandelt werden. Sprich: Einfach bis zum Schlüsselgespräch durchklicken, dann läuft die Handlung weiter. Alles, was uns damals schon gefallen hat, ist heute wieder mit an Bord. Dazu gesellen sich wenige, aber dennoch interessante Neuerungen. So verzichtet das Spiel auf die mittlerweile übliche Direktanzeige aller möglichen Hotspots, bietet dafür aber eine mehrstufige Lösungshilfe, die wir bei Bedarf benutzen können. So bekommen wir immer wieder kleine Denkanstöße oder gleich die Lösung serviert, was wir aber nur bedingt brauchen. So wirklich schwer ist der Sündenfall bisher nämlich nicht. Zwar gibt es hier und da kniffelige Stellen, aber im Großen und Ganzen sind alle Rätsel mit ein bisschen Nachdenken lösbar. Auch die Minigames sorgen glücklicherweise nicht für frustrierte Aggressionen, wie es bei anderen Genrevertretern der Fall ist.
Ebenfalls neu ist das Handy, das George und Nico jederzeit benutzen können, um miteinander oder anderen im Spiel erhaltenen Kontakten zu telefonieren. Oft gehört es zur Lösung eines Rätsels, erstmal den Telefonjoker zu benutzen. Dabei sind die Dialoge hübsch ausschweifend und liefern jede Menge Hintergrundwissen und komische Einlagen. Humor wird bei Baphomets Fluch nämlich auch weiterhin großgeschrieben. Zwar haben wir es immer noch mit einem ernsthaften Spiel und nicht mit den Comedykrachern von Daedalic zu tun, aber die zynisch satirischen Kommentare der klischeehaften Charaktere und die immer wieder lustigen Einlagen lassen einen hier und da schon breit grinsen. Spannung und die verworrene Verschwörerstory stehen aber definitiv im Vordergrund.
Ach, den kenn ich doch!
Um die Fans der alten Games wieder für sich zu gewinnen, setzt der Sündenfall auf viele Déjà-vu-Momente. So finden wir zum Beispiel in einem Hinterzimmer das Cover vom zweiten Teil versteckt unter einem Stapel Müll, treffen viele bekannte Charaktere und Schauplätze (darunter auch Nicos Wohnung in der Rue-Jarry, die sich kaum verändert hat) wieder und auch die berüchtigte Ziege soll einen eigenen Auftritt haben – allerdings erst im zweiten Teil. George Stobbart hat nach wie vor seine alte Stimme, die aber im Direktvergleich mit dem ersten Teil etwas fremd wirkt, ganz einfach weil sich die technischen Möglichkeiten seit damals entwickelt haben. Nach kurzer Zeit hat man sich aber wieder an sie gewöhnt. Nico bekam leider eine neue Sprecherin spendiert und so müssen wir traurigerweise diesmal auf Scully verzichten. Das macht dem Spiel aber nichts aus, denn stimmig ist Petra Konradi – ihre neue Stimme – auf alle Fälle.
Wie bereits erwähnt, besteht der Sündenfall aus zwei Episoden. Teil 2 erscheint allerdings erst im nächsten Jahr, was dem bisherigen Sündenfall natürlich sein finales Ende raubt. Dieses ist nämlich, wer hätte das gedacht, ein deftiger Cliffhänger, weswegen wir euch empfehlen, wenn möglich noch auf den zweiten Teil zu warten, damit ihr diesen besser verdauen könnt.
Es sieht gut aus, Punkt!
Rein optisch macht der Sündenfall einen soliden Job. Die Hintergründe sind mehr als atmosphärisch, die Charaktere alle einzigartig und die Musik so gut wie immer passend zum aktuellen Geschehen. Was Altfans freut: Das bekannte Baphomets-Fluch-Thema ist wieder in vielen verschiedenen Versionen zu hören. Natürlich gab es auch eine kleine Evolution: Die Figuren stechen nun noch viel besser aus dem Gesamtbild hervor und sind sogar in einem leichten 3D gehalten. Nur die Zwischensequenzen sehen hier und da etwas komisch aus. Das wäre aber Lamentieren auf hohem Niveau, denn wirklich störend ist das nicht und wir sind ganz ehrlich: Diesen Kritikpunkt machen die tolle Story und die reichhaltige Aufmachung wieder wett. Wenn man auch eingestehen muss, dass die neusten Spiele von Daedalic leicht besser aussehen. Das ist aber wie immer Geschmackssache, uns gefällt's auch so.