Wenn ihr nach den besinnlichen Feiertagen ein Kontrastprogramm benötigt, könnte der letzte Ableger der diesjährigen KAZÉ Anime Nights einen Blick für euch wert sein: „Beauty Water“. Hierbei handelt es sich nämlich um einen waschechten Horrorfilm, der euch nicht nur schocken, sondern auch zum Nachdenken anregen möchte.
Der Preis der Schönheit
Im Mittelpunkt der Geschichte, die auf einem südkoreanischen Web-Manhwa basiert, steht Yaeji. Sie ist eine junge Frau, die als Stylistin für einen Fernsehsender arbeitet, aufgrund ihres Übergewichts allerdings immer wieder Probleme bekommt. Miri, die Hauptdarstellerin einer Show, lässt beispielsweise keine Gelegenheit ungenutzt, um Yaeji zu demütigen, was dieser wiederum natürlich überhaupt nicht schmeckt.
Letztendlich erhält unsere Hauptfigur durch eine Demütigung mehr Aufmerksamkeit als ihr lieb ist. Sie lebt bei ihren Eltern zu Hause, die jedoch nur wenig Verständnis für ihre Situation aufbringen können. Als sie wenig später von einem besonderen Kosmetikprodukt hört, dem Miraculous Beauty Water, das dem Anwender ungeahnte Schönheit verspricht, lässt sie sich auf dieses Angebot ein.
Tatsächlich erhält Yaeji dadurch zunächst genau das, wovon sie schon so lange träumte und das hässliche Entlein verwandelt sich in einen wunderschönen Schwan. Aufgrund ihres neuen Aussehens wird sie bewundert und auch beruflich läuft kurz nach ihrer Verwandlung alles besser denn je. Allerdings muss sie allmählich erkennen, dass ihre Entscheidung womöglich ungeahnte Konsequenzen nach sich ziehen könnte.
Die Story von „Beauty Water“ wird über ihren Verlauf von circa 85 Minuten spannend und noch etwas stimmiger als in der zugrundeliegenden Vorlage erzählt, die etwas erweitert wird. Im Anime-Film erfahren wir beispielsweise noch mehr über Yaeji, was uns als Zuschauer dabei hilft, uns noch besser in ihre Situation hineinversetzen zu können. Dadurch wirkt sie nahbarer, was ebenfalls für die Auswirkungen ihrer Entscheidung gilt, die erschreckend ausfallen.
Body-Horror und beißende Gesellschaftskritik
Im Kern handelt es sich bei diesem Anime-Film um einen Vertreter des Body-Horror-Genres, zu dem etwa der Klassiker „Das Ding aus einer anderen Welt“ zählt. Das Beauty Water sorgt zwar dafür, dass sich der Körper des Anwenders verändert, allerdings gibt es durchaus einige schmerzhafte Nebenwirkungen. Es gibt beispielsweise Szenen, in denen wir sehen, wie die Haut von Menschen schmilzt. Das ist wirklich unangenehm anzuschauen, auch wenn der Gewaltgrad im Vergleich zur Vorlage entschärft wurde. Abgehärtete Horrorfans könnten deshalb dezent enttäuscht werden.
Viel interessanter fanden wir allerdings die gesellschaftskritische Ebene des Anime. In Südkorea gelten Menschen, die wie Yaeji übergewichtig sind, als faul und wenig strebsam. Mit einem dünnen, durchtrainierten und „makellosen“ Körper werden derweil Eifer und Erfolg assoziiert. Dadurch entwickelte sich in Südkorea ein Begriff, der sich im Englischen in etwa mit dem Wort „Lookism“ übersetzen lässt. Dieser bezeichnet eine Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Aussehens (via Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik)
Damit ging ein Anstieg plastischer Schönheitsoperationen einher, die sich gewissermaßen zu einer Subkultur im asiatischen Land entwickelte, weshalb das Äußere inzwischen als zentraler Faktor im Berufs- und Privatleben betrachtet wird. Dies ist etwas, das natürlich nicht nur für Südkorea, sondern ebenfalls für weitere Teile der Welt gilt. Es ist ein Streben nach äußerer Perfektion, das ganze Industrien antreibt. Der Anime-Film arbeitet die darin lauernden Schattenseiten gekonnt heraus. Passenderweise wird zudem auf CGI-Animationen gesetzt, die mit ihrem künstlichen Look hervorragend zu dieser Geschichte passen. Der Soundtrack ist zwar wenig originell, dafür geben die Synchronsprecher sowohl im koreanischen Original als auch in der deutschen Synchronfassung alles und sind mit Herzblut dabei. Wirklich toll!
In erster Linie zeigt „Beauty Water“ somit, dass ein makelloses Äußeres nicht alles ist. Denn ein Produkt wie im Anime-Film mag zwar die Fassade einer Person verändern und durchaus berufliche Vorteile mit sich bringen, doch der Charakter bleibt gleich. Ein innerlich schlechter und „hässlicher“ Mensch bleibt dies auch weiterhin, selbst wenn sich sein Äußeres verändern mag. Diese Botschaft mag nun nicht unbedingt originell sein, doch der Film vermittelt sie mit erinnerungswürdigen Bildern sehr eindringlich, weshalb nicht nur Horrorfans dem Werk eine Chance geben sollten.
„Beauty Water“ läuft nur am 28. Dezember 2021 sowohl in der koreanischen Originalversion mit deutschen Untertiteln als auch mit deutscher Synchronisation in teilnehmenden Kinos.