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Beyond: Two Souls: Eine emotionale Reise

Emotional und dramatisch – in dem interaktiven Drama Beyond: Two Souls begleiten wir die weibliche Protagonistin Jodie Holmes 15 Jahre durch ihr ereignisreiches Leben. Dabei erzählen uns die Macher von Heavy Rain eine spannende und wendungsreiche Geschichte. Wir haben uns für euch in die einzelnen Kapitel begeben und sagen euch innerhalb unseres Tests, wo mögliche Schwächen liegen und in welchen Punkten der Titel glänzen kann.

Es ist kalt – bitterkalt! Riesige Schneeflocken fallen vom nächtlichen Himmel und bleiben auf dem weißen Untergrund der Straße liegen, auf der sich tagsüber noch geschäftiges Treiben abspielte. Nun ist es still. Der am Straßenrand zu hohen Gebilden aufgetürmte Schnee schluckt beinahe jedes Geräusch. Der eisige Wind lässt in unregelmäßigen Abständen die Schneekristalle durch die Luft wirbeln. Eigentlich kein Wetter, um sich draußen aufzuhalten. Selbst die hiesigen Obdachlosen haben sich unter eine nahe Brücke zurückgezogen, um sich am Feuer zu wärmen.

Eine Polizeistreife fährt ihre abendliche Runde durch das Viertel, als uns plötzlich eine Gestalt auffällt, die mit sichtlicher Mühe einen Schritt vor den anderen setzt.

Seelenverwandtschaft

In Beyond: Two Souls erleben wir über eine Zeitspanne von insgesamt 15 Jahren die entscheidendsten und prägendsten Kapitel im Leben der weiblichen Protagonistin Jodie Holmes, die seit ihrer Geburt mit dem Geist Aiden in einer tiefen Verbindung steht.
Noch einige Meter, dann bricht die junge Frau zusammen und bleibt reglos im Schnee liegen. Natürlich können wir nicht tatenlos zusehen. Schließlich wechseln wir per Knopfdruck von Jodies Körper zum Geist Aiden, der unsere weibliche Protagonistin bereits ihr gesamtes Leben lang begleitet hat. Mit Aiden können wir ‘frei‘ umherschweben, allerdings müssen wir dabei immer darauf achten, dass wir uns nicht zu weit von unserer besseren Hälfte entfernen.

Wenn wir wollen, dass Jodie in dieser eisigen Nacht nicht erfriert, müssen wir handeln. Also steuern wir Aiden einige Meter weiter in eine kleine Gasse, in der wir auf einen Obdachlosen treffen, der in Mülltonnen nach Essensresten sucht. Irgendwie müssen wir ihn auf Jodie aufmerksam machen, nur wie? Kurzerhand lassen wir einige Dinge durch die Luft schweben, schlagen mit einem ohrenbetäubenden Scheppern gegen die Tonnen und schubsen den guten Mann schlussendlich einige Meter nach hinten. Na endlich! Nachdem der erste Schreck verflogen ist, sucht der Mann nach der Ursache und findet kurze Zeit später eine junge Frau bewusstlos im Schnee liegend.

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Interaktives Drama

Ein interaktiver Film. Dies ist wohl die treffendste Bezeichnung für Beyond: Two Souls. Wer nun unweigerlich an Titel wie Fahrenheit oder das sehr gute Heavy Rain denken muss, liegt goldrichtig. Zeigt sich doch auch für Beyond das französische Entwicklerstudio Quantic Dream rund um Chefentwickler und CEO David Cage verantwortlich. Während wir in Heavy Rain allerdings noch mehrere Protagonisten steuern durften, schlüpfen wir in Beyond lediglich in den Körper der jungen Frau Jodie Holmes.

Dabei laufen die einzelnen Abschnitte nicht chronologisch ab, sondern spielen mal in Jodies Kindheit, um uns kurz darauf Geschehenes aus dem Leben der erwachsenen Jodie aufzuzeigen. So bekommen wir in jedem Kapitel ein genaueres Bild und setzen nach und nach einzelne Mosaiksteinchen zu einem Ganzen zusammen.

Wie bereits in Heavy Rain musste sich auch bei Beyond das Entwicklerstudio im Vorfeld einige Kritiken anhören. Zwar bekommt der Spieler ab und an die Möglichkeit in das Spielgeschehen einzugreifen und per rechtem Controller-Stick die Bewegungen und Handlungen der Protagonistin zu steuern, oftmals sind wir allerdings dazu verdammt nur zuzuschauen oder in Gesprächen aus verschiedenen Optionen zu wählen. Wem Heavy Rain schon zu wenig Spiel und zu viel Film war, der sollte auch tunlichst die Finger von Beyond: Two Souls lassen. Wer hingegen auf eine emotionale und spannend erzählte Handlung hofft, der sollte einen näheren Blick wagen. Allerdings sollte man als Spieler eine Prise Fantasie mitbringen, denn das anfängliche Drama entwickelt sich im Laufe der Handlung immer mehr in Richtung Science-Fiction-Erzählung.

So steuern wir nicht nur Jodie, sondern dürfen, wenn die Situation es erfordert, regelmäßig in die körperlose Gestalt von Aiden wechseln. Auf diese Weise gelangen wir beispielshalber durch verschlossene Türen, um diese von der anderen Seite zu öffnen.
Hindernisse lassen sich von dem Geist genauso aus dem Weg befördern wie Soldaten in willenlose Marionetten verwandelt werden. Denn ab und an erfordert es die Situation, dass wir die Kontrolle verschiedener Charaktere übernehmen, um beispielshalber eine durch eine Sicherheitskarte geschützte Türe zu öffnen oder per Soldat auf die bekannte Rambo-Weise einen schwer bewachten Durchgang freizuräumen. Schließlich kommt eine Altersfreigabe ab 16 Jahren nicht von ungefähr.

Schwere Entscheidungen

Von ihren Adoptiveltern im Alter von 8 Jahren aufgrund der übernatürlichen Fähigkeiten weggegeben, wächst Jodie in einer Behörde für paranormale Aktivitäten unter der Leitung des Forschers Nathan Dawkins sowie dessen Assistent Cole Freeman auf. Schon früh wird auch die CIA auf die speziellen Begabungen von Jodie aufmerksam und beginnt  den Teenager innerhalb eines dreijährigen Trainings auszubilden.

Wie allerdings die einzelnen Kapitel verlaufen, hängt in erster Linie von den Entscheidungen des Spielers ab. Zwar treffen die einzelnen Wege zum Ende hin meist wieder zusammen, wer allerdings ‘falsche‘ Entscheidungen trifft, verpasst unter Umständen wichtige Szenen. Besonders interessant: Es gibt im Grunde während der zehnstündigen Handlung kein Falsch oder Richtig. Versagen wir an einer Stelle und schaffen beispielshalber das Quick-Time-Event nicht, ist das Spiel nicht vorbei. In diesem Fall läuft die Handlung auf einer anderen Schiene weiter.

So lässt sich ein gesamtes Kapitel mehrmals durchspielen und jedes Mal vollständig anders erleben. Und genau hier offenbaren sich die Unterschiede zu anderen Medien. Wir können als Spieler aktiv eingreifen und unsere derzeitige Situation entscheidend mitbeeinflussen. Zudem schafft es Beyond so eine äußerst tiefe Bindung zu Jodie aufzubauen und sich mit ihr zu identifizieren. Man fühlt mit, leidet mit und möchte alles tun, um brenzlige Situationen möglichst unbeschadet zu überstehen.

Videospiel trifft Hollywood

Wie auch bei Heavy Rain oder dem Endzeit-Shooter The Last of Us von Naughty Dog sind sämtliche Bewegungen der Spielpersonen durch das sogenannte Motion-Capturing-Verfahren echter Schauspieler entstanden. Besonders beeindruckend wirken dadurch die Gesichtszüge der Charaktere. Zudem gleichen die Spielpersonen ihrem realen Vorbild teilweise erschreckend. So wird Jodie in fast allen Kapiteln von Ellen Page (Inception, Juno) verkörpert und Forscher Nathan Dawkins von Willem Dafoe (Spider Man, Platoon). Neben den gefühls- aber auch actionreichen Soundtracks von Komponist Hans Zimmer (Fluch der Karibik) sowie der sehr guten Synchronstimmen der Motion-Capturing-Akteure kann Beyond in bestimmten Momenten nicht nur einigen Hollywood Blockbustern das Wasser reichen, sondern diesen noch die eine oder andere Lektion lehren.

Storylücken und Gänsehautmomente

Nun kommen wir aber zu dem großen Aber! Abseits des Themas der fehlenden Interaktion, der zu vielen Quick-Time-Events und der Tatsache, dass Beyond: Two Souls oft eher an einen Film als an ein Videospiel erinnert, gibt es einige weitere Kritikpunkte. Wo Motion-Capturing-Technik und schauspielerische Höchstleistung zu zahlreichen dichten und emotionalen Szenen führen, an die sich viele wohl noch nach den Credits erinnern werden, sieht die technische Seite rund um die Grafik der Schauplätze weniger glanzvoll aus. Ja, das eingangs erwähnte Kapitel rund um die obdachlose Jodie wirkt atmosphärisch, doch besonders bei Tage werden einige grafische Defizite klar. Besonders deutlich zeigte dies ein Abschnitt, der in der Navajo-Wüste spielt. Neben teils matschigen Texturen und flimmernden Kanten  werden nicht nur die Grenzen der PlayStation 3, sondern auch die von Beyond aufgezeigt. Wie gesagt, Beyond sieht in weiten Teilen sehr hübsch aus, allerdings werden hier und da einige Mängel offensichtlich, die zeigen, dass der primäre Fokus auf der Story liegt. Und genau hier liegt das größte Problem. Denn kleinere Storyschwächen wären durchaus zu akzeptieren, würde die spielerische Seite auf ganzer Linie punkten. Doch genau dies ist wie bereits geschrieben nicht der Fall.

So beginnen die meisten Kapitel, die zwischen 5 und 30 Minuten lang sein können, zumeist mit einer Zwischensequenz, nach der wir uns meist mit Jodie frei bewegen können. Wobei frei im Grunde das falsche Wort ist, da es meist nur nach vorne geht und wir insgesamt einen sehr kleinen Handlungsraum haben. Vor allem in geschlossenen Räumen fällt die oft etwas störrische Kamera auf, die uns gerne mal gegen die Wand laufen lässt. Auch ‘Rätsel‘, die es mit Aiden zu lösen gilt, laufen ständig nach demselben Prinzip ab. Ein wenig mehr Abwechslung hätte dem Titel an dieser Stelle sicher gut getan.

Da fallen Lücken in der Handlung deutlich gravierender aus, da wir uns hauptsächlich auf die Geschichte konzentrieren. Klar bauen die Kapitel nicht chronologisch aufeinander auf, trotzdem gehen manche Entwicklungen schlicht an uns vorbei, wodurch wir uns hinterher fragen, wie es dazu kommen konnte. In dem einen Moment wird Jodie noch von CIA-Ausbilder Ryan trainiert, nur um kurz darauf in diesen verliebt zu sein.

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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