Bereits vor gut zwei Jahren hätte Biomutant für PC, PS4 und Xbox One erscheinen sollen. An den Zielplattformen hat sich trotz des stark verzögerten Launchs nichts verändert, obgleich das Spiel via Abwärtskompatibilität auch auf den leistungsstärkeren neuen Konsolen funktioniert. Die Dimensionen, die euch in der Mischung aus Open-World-Abenteuer, Kung-Fu-artiger Action und märchenhafter Story in einem tierischen Endzeitsetting erwarten, nahmen allerdings deutlich zu. Wie sich das Debütwerk des unabhängigen schwedischen Entwicklerstudios Experiment 101 schlägt und ob ihr bedenkenlos zugreifen könnt, haben wir unserem Test zu „Biomutant“ für euch herausgefunden. Biomutant kaufen (Saturn) Biomutant kaufen (MediaM) Biomutant kaufen (Amazon) Der Baum des Lebens „Biomutant“ könnte man mit vielen Begriffen umschreiben. Trotz einer gewissen Linearität innerhalb der Hauptmissionen trifft Open-World-Spiel genauso zu wie Endzeit-Action oder auch Märchen-Abenteuer. Denn von all dem hat „Biomutant“ reichlich. Das fängt mit der riesigen Spielwelt an, die ihr überwiegend zu Fuß, aber auch unter Zuhilfenahme von reitbaren Tieren in der Umgebung durchstreift. Auf deren Rücken dürft ihr allerdings erst Platz nehmen, wenn ihr ihnen eine bestimmte Frucht zu fressen gebt, um ihr Zutrauen zu gewinnen. Und sie bewegen sich standardmäßig kaum schneller, wie wenn ihr euren befellten Helden im Sprint auf allen Vieren durch Dschungel, Wüstenabschnitte oder malerische Seenlandschaften steuert. Die Endzeit wiederum kommt vor allem durch Überbleibsel einer vergangenen Zivilisation zum Ausdruck. Überall sind zerfallene Gebäude, teilweise zerstörte Brücken oder Autowracks zu entdecken. Haben dort jemals Menschen gelebt oder befinden wir uns lediglich in einer Parallelwelt, in der die überwiegend bekannten Tierarten wie Dachsen, Bibern oder Amphibien nachempfundenen, vermenschlichten Kreaturen nach dem Niedergang der Menschheit an deren Stelle gerückt sind? „Biomutant“ © THQ Nordic/Experiment 101 Diese Frage ist in „Biomutant“ allerdings ungefähr so bedeutend, wie die Hintergrundgeschichte eures zu Beginn in einem Editor erstellten Helden, dessen Aussehen, Klasse oder auch Resistenzen gegen die vier zentralen Gefahrenelemente ihr festlegt. Viel bedeutender ist eure Aufgabe, die sich um den von euch bestimmten Fortbestand oder die Vernichtung des Baums des Lebens dreht, der Konfrontation mit den vier sogenannten Weltenfressern, die an den Wurzeln des Baums nagen und eurer persönlichen Nemesis, die in der Vergangenheit insbesondere eurem Leben und dem eurer Familie eine entscheidende Wende gab. Wollt ihr der Welt eine zweite Chance geben, sie durch die Kraft eines wieder erstarkten Baums, der sich selbstredend im Zentrum der Weltkarte befindet, gesunden oder wäre die endgültige Zerstörung des Baums eher in eurem Sinn? Wung-Fu-Krieger in Märchenwelt Das Spiel richtet nicht im eigentliche Sinne über eure Entscheidungen, sondern akzeptiert sie genau so, wie es euer greiser Hauptquestgeber mit dem offenkundig äußerst treffenden Namen Steinalt tut. Mit euren Handlungen, darunter auch die Verbündung mit einem der insgesamt sechs Stämme in der Welt (im ersten Durchgang dürft ihr euch nur zwischen zwei davon entscheiden, im New-Game-Plus zwischen allen) beeinflusst ihr jedoch eure Aura, bei der „Biomutant“ sehr wohl zwischen hell und dunkel, also in gewisser Weise doch zwischen gut und böse unterscheidet. Einen gewaltigen Unterschied macht das im Spielverlauf jedoch nicht. Lediglich bei der Zusammenfassung am Ende, die entfernt an die Endsequenz im ersten Teil von The Witcher erinnert, werdet ihr noch einmal mit euren Entscheidungen konfrontiert und klargestellt, dass ihr der Meister des Schicksals dieser Welt seid. © THQ Nordic/Experiment 101 Der vielleicht wichtigste Grund, weshalb „Biomutant“ atmosphärisch so gut funktioniert, ist jedoch das märchenhafte Ambiente. Fast alle NPCs sind nicht bloß Tieren nachempfunden, die menschliche Verhaltensweisen an den Tag legen. Sie sprechen auch in einer unverständlichen Fantasiesprache, die ihr in den Dialogen lediglich versteht, da sie euch ein kleiner Roboter in Form eines Grashüpfers übersetzt. Dieser ständige Begleiter wird in der deutschen Version von Richard van Weyden gesprochen, den ihr unter anderem als Nathan Drakes Mentor Victor Sullivan aus Uncharted 4: A Thief's End kennt. Ein bisschen so wie die gleichsam vertrauenswürdige, aber raue Stimme von Lili Palmer im Disney-Hörspiel zu „Schneewittchen und die sieben Zwerge“, wähnen wir uns dabei wie in einer kinderfreundlichen, aber im Kern ernsten Fabel. Einen besonderen Beitrag zur Märchenstimmung leistet auch das allgemeine Wording. So verwendet „Biomutant“ immer wieder Neologismen oder Begriffe, die man der Kindersprache zuordnen könnte. Dabei werden unter anderem Worte wie Jäger oder Jagd stark verniedlicht. Wörter wie Vergangenheit werden zur „Damalszeit“, geht es um die Zeit eures Helden in Kindertagen, heißt es etwa, „als du noch ein Kindling warst“. Wir finden das herzallerliebst, und haben uns auch deshalb in dieser Welt durchweg äußerst wohlgefühlt. Es gibt indes nur noch zwei weitere Charaktere neben dem Erzähler, die in für unsereins verständlichen Worten sprechen. Dabei handelt es sich um so etwas wie das sprichwörtliche Engelchen und Teufelchen auf eurer Schultern, die sich entsprechend immer dann erscheinen, wenn ihr im Begriff seid, eine moralische Entscheidung zu treffen und beide versuchen, euch auf ihre Seite zu ziehen. Engelchen und Teufelchen © THQ Nordic/Experiment 101 Zunehmend offene Welt Die Spielwelt von „Biomutant“ ist, wie in vielen anderen Open-World-Spielen, nicht von Beginn an komplett zugänglich. Tatsächlich ist euer Bewegungsspielraum eng mit den größtenteils sehr linear aufeinander folgenden Hauptquests verknüpft. Den vier Weltenfressern, die jeweils ganz am Rande des Map am Ende der Wurzeln des Baums des Lebens ihr Unwesen treiben, könnt ihr also erst begegnen, wenn das Spiel es zulässt. Dabei trefft ihr immer auf einen besonderen NPC, der euch mit einem speziellen Beförderungsmittel ausstaffiert – dass ihr ihm dafür noch Bauteile oder auch (ja!) tierische Geschosse zum Ablenken des Bosse in bestimmten Kampfphasen müsst, versteht sich fast von selbst. Im Rahmen dessen besteigt ihr letztlich unter anderem eine Art Jetski, mit dem ihr gefahrlos Wasserflächen überquert, während eurem nur begrenzt schwimmfähigen Biomutanten ansonsten schnell die Energie dafür flöten geht und er rasch ertrinkt. Ein anderer zimmert euch einen Mech, mit dem ihr eine verseuchte Ödnis auf dem Weg zu einem weiteren Weltenfresser durchqueren könnt, ohne in der feindlichen Umgebung ohne Feindeinwirkung Schaden zu nehmen. Die Beschränkungen fallen jedoch stetig weg, sodass ihr immer neue Städte und Dörfer oder auch nur neue Ruinen zum Plündern erreichen könnte. Einzige Ausnahme sind die Gefahrenzonen, in denen etwa massive Kälte oder Sauerstoffarmut innerhalb weniger Sekunden oder Minuten euren Tod bedeuten. Wollt ihr die erkunden und die darin befindlichen Zusatzbosse besiegen, müsst ihr im Rahmen von Nebenquests im Stil von Schnitzeljagden die Komponenten für geeignete Schutzkleidung besorgen. © THQ Nordic/Experiment 101 Nebenquests findet ihr in der Welt von „Biomutant“ massenweise, wobei ihr allenfalls einen geringen Anteil davon erfüllen müsst, um für den Story-Abschluss eine ausreichende Stärke zu erlangen. Das Angebot reicht von Such- und Sammelaufgaben über Kämpfe gegen spezielle Minibosse bis hin zu Schalterrätseln, bei denen ihr Safes knackt, Schalterkästen überlastet oder euch auch mal an einem prähistorisch anmutenden Telefon versucht. Für unseren Geschmack gibt es von dieser Art Puzzles, obwohl es zig unterschiedliche Typen gibt, ein paar zu viel. Und anspruchsvoll sind die trotz einer beschränkten Anzahl an Versuchen auch nie, zumal ihr sie ohne Nachteil beliebig oft wiederholen könntet. Aber genervt haben sie uns nie. Außerdem macht „Biomutant“ es in Bezug auf die Nebenmissionen absolut richtig: Sie sind ein Angebot und niemals Pflicht! Lohnen können sie sich, manchmal aber auch zum Nachteil der ohnehin nicht optimalen Spielbalance (auf normal) zudem immer. Denn dabei findet ihr oft auf komplett fertig neue Waffen, die euch selbst bei einem kleinen bis mittelgroßen Levelnachteil einen gravierenden Vorteil verschaffen können. Immer feste drauf! In „Biomutant“ sind die Kämpfe allgegenwärtig. Euer kleiner Mutant setzt dabei jeweils eine Nah- und eine Fernkampfwaffe, die ihr im fliegenden Wechsel nach Belieben nutzt. Für jeden Typ schaltet ihr gegen primär bei Stufenaufstiegen erworbenen Verbesserungspunkten Spezialfähigkeiten frei, wobei ihr dabei oft Aktionstasten von Nah- und Fernkampfangriffen oder auch Sprüngen und Ausweichrollen kombinieren müssten, um diese Auszuführen. Da sind schon sehr lustige Aktionen dabei, wenn man etwa die kleineren Gegner mit einem Kampfstab, eine der später verfügbaren Stammeswaffen, förmlich aufspießt (tatsächlich hängen die Feinde dann bloß irgendwie an der Spitze des Stabes) und dann wuchtig auf den Boden knallt. Das Angebot umfasst auf Wirbelattacken oder schnelle Kombos, bei denen selbst Jackie Chan beim Zusehen schwindlig würde. © THQ Nordic/Experiment 101 Das Doofe an den Kombos ist, dass sich die Tastenkombinationen nicht intuitiv gestalten. Da es zusätzlich, je nach aktiv ausgerüstetem Nah- und Fernkampftyp, Überschneidungen bei den Tastenkombis gibt, die dann völlig andere Manöver auslösen, muss man die Eingabebefehle, trotzdem sie lediglich aus Dreiersequenzen bestehen, quasi Auswendiglernen, wenn man sie bewusst einsetzen möchte. Lediglich gängigsten Kombos, also etwa X, X, Y setzt man ständig automatisch ein. Aber vielleicht geht das auch nur uns so. Mit vielen der Spezialaktionen, bei denen euch nach dem Druck auf zwei der Aktionstasten dankenswerterweise eine mögliche dritte direkt angezeigt wird, ladet ihr zudem eure Wung-Fu-Energie auf. Ist die Leiste nach drei erfolgreichen Spezialangriffen aufgeladen, dürft ihr für eine begrenzte Zeit spezielle Attacken ausführen. Dabei verteilt ihr in einer Art Zeitlupenmodus etwa eine Reihe normaler Schläge und schleudert Gegner mit dem abschließenden Treffer weg. Ihr könnt aber aus der Luft Schusssalven abfeuern oder auch Trittangriffe von oben ausführen und dabei kleine Gegner im wahrsten Sinne des nach und nach in den Boden stampfen. Darüber hinaus könnt ihr verschiedene Mutationen nutzen. Mit in der Umgebung aufgesammelten Biopunkten schaltet ihr etwa dauerhaft Biogenetik-Skills frei, mit denen ihr zum Beispiel einen mächtigen Groundsmash aus der Luft ausführt oder eine Schleimblase erzeugt, mit der ihr Feinde überrollt und die beim Platzenlassen der Blase wegschleudert. Die Biopunkte könnt ihr zudem dazu nutzen, eure Resistenzen gegen die vier primären Bioschadensformen zu erhöhen. Und dann gibt es da noch die Psi-Punkte, die ihr über so etwas wie Schreine in der Spielwelt erhaltet. © THQ Nordic/Experiment 101 Die ermöglichen vor allem elementare Angriffe wie die Fähigkeit „Brand“, mit der ihr eine Art Sturmsprint auslöst und alle dabei berührten Feinde in Flammen setzt. Oder auch einen Erdwall, der aus dem Boden schießt und euren Widersachern Schaden zufügt. Es gibt in diesem Bereich jedoch auch Skills, die eher bei der Erkundung und weniger im Kampf helfen. Dazu zählt etwa die Levitation, die allerdings nur dann freischaltbar ist, wenn ihr ausreichend viele helle Aurapunkte gesammelt hat. Umgekehrt ist etwa die Telekinese, um kleinere Gegner zu ergreifen und durch die Luft zu wirbeln, nur aktivierbar, wenn ihr einen bestimmten Wert im Bereich dunkle Aura besitzt. Biomutant oder: Bastle dir dein eigenes Ding Die Schießprügel, die genauso wie beim Nahkampfwaffen auch in Doppelhandvarianten verfügbar sind, benötigen keinen Munitionsnachschub, müssen aber dennoch nachgeladen werden. Sie erinnern je nach Typ an Schrotflinten oder Gewehre, was jedoch keinen wirklichen Einfluss auf eure Chancen im Kampf hat. Es geht also primär darum, ob ihr ausreichend Schaden verursacht und etwa durch spezielle Aufsätzen Zusatzschaden wie Feuer erzeugt, um Feinde schneller ins Jenseits zu befördern. Ihr könnt im Rahmen eines komplexen Craftingsystems gesammelte Einzelteile neu kombinieren, um den Schaden zu erhöhen, wobei gerade bei den Nahkampfwaffen häufig Alltagsobjekte wie Teile von Staubsaugern oder Sportschlägern verwendet werden. Brauchen dürften das System aber die wenigstens von euch, da es beinahe unmöglich scheint, mit einer völlig unterlegenen Waffen dazustehen. Allein in den Hauptmissionen findet ihr, wenn ihr halbwegs aufmerksam die meisten Beutetruhen leert, ausreichend bessere Waffen und Rüstungsteile, um euren Schutz zu verbessern. Selbst das Anbringen von Verbesserungen durch „Zusatzteile“ ist nicht zwingend notwendig. Allgemein können auch fertig kombinierte Waffen an Werkbänken mit Ressourcen aufgewertet werden. Allerdings sind die Zutaten wie Holz, Plastik und Co. dafür in oft so großen Mengen notwendig, dass wir anstelle des stupiden Sammelns einfach so weitergemacht haben und trotzdem kein Problem hatten. Die Upgrades für den Begleiterroboter sind da schon wertvoller. Ihr erhaltet sie, wenn ihr über nur nachts erscheinende Illusionen eines eurer Verwandten in eine spielbare Rückblende reist. © THQ Nordic/Experiment 101 Dabei könnt ihr unter anderem eine Gesundheitsinjektion freischalten, die satte 50 Prozent eurer maximalen Trefferpunkte auf einen Schlag wiederherstellt – die ansonsten gefundenen Verbrauchsobjekte zur Heilung sind bei weitem nicht so effektiv. Eine andere wichtige Verbesserung des Roboters besteht darin, dass der Riesengrashüpfer eure Feinde selbst attackiert. Allzu viel Schaden richtet er dabei zwar nicht an, allerdings sorgen seine Angriffe unserem Eindruck nach doch immer wieder für eine hilfreiche Ablenkung, um die zwischenzeitlich womöglich verlorene Übersicht übers Schlachtfeld zurückzugewinnen. Vorsicht! Toller Stil, aber leicht angestaubte Technik Es wäre vermessen der Grafik von „Biomutant“ schlechte Noten auszustellen. Denn stilistisch und auch bezogen auf den Detailgrad machen die Umgebungen insgesamt einiges her. Zudem bereist ihr die Welt, außer bei der Nutzung der Schnellreise, tatsächlich ohne jedwede Ladezeiten, die dank der SSD auf Series X/S ebenfalls kaum merklich ausfallen. Gerade in Anbetracht der hohen Weitsicht und den vergleichsweise wenigen Tricks etwa durch gezielt platzierte Berge, die die Weitsicht künstlich einschränken, ist mehr als nur beachtlich. Ganz besonders für ein so vergleichsweise kleines Team. Aber nach der Einführung von PS5 und Xbox Series X sieht man eben doch an vielen Stellen zu sehr, dass „Biomutant“ eine reine Last-Gen-Entwicklung ist. Zwar profitieren wir bei Ladezeiten, Bildrate und Co. in der von uns für den Test genutzten Xbox Series X. Umgekehrt sind die echten Last-Gen-Konsolen scheinbar vom Spiel, bei dem Käufer der Discversion übrigens mit einem mehr als 13 GB schweren Day-One-Patch rechnen dürfen (das entspricht beinahe dem gesamten Installationsvolumen auf der Xbox!), überfordert. Warnhinweis für Last-Gen-Konsolen: Ausprobiert haben wir es für den Test sowohl auf der Xbox One S und Xbox One X. Die leistungstechnisch mittlere Xbox One läuft praktisch nie flüssig und ist den 20 Frames durchweg näher als den 30. Sogar auf der Xbox One X ruckelt „Biomutant“ regelmäßig. Besonders in Kämpfen gibt es immer wieder dicke Framedrops. Xbox-One-Besitzer*innen die nicht wenigstens eine Xbox One X ihr Eigen nennen, raten wir deshalb vom Kauf ab. Aber auch auf der stärksten Xbox One dürft ihr nicht zu empfindlich bezüglich Performance-Problemen sein, denn ansonsten habt ihr auch auf der One X im Zweifel nur begrenzt eure Freude. Habt ihr eine Xbox Series X oder S, müsst ihr euch über derartige Probleme aber keine Sorgen machen. Biomutant kaufen (Saturn) Biomutant kaufen (MediaM) Biomutant kaufen (Amazon)