Ridley Scotts Cyberpunk-Meisterwerk „Blade Runner“ war seinerzeit wegweisend für das gesamte Genre und inspirierte damals Filmschaffende weltweit, etwa Production I.Gs „Ghost in the Shell“. Beide Welten, Scotts Meilenstein und Anime, scheinen wie füreinander geschaffen zu sein und mit Blade Runner: Black Lotus finden sie endlich zueinander. Wir durften uns die ersten zwei Episoden der Anime-Serie bereits vorab ansehen und verraten euch, warum ihr diese im Auge behalten solltet.
Eine junge Frau auf der Suche nach sich selbst
Wir schreiben das Jahr 2032. Eine junge Frau kommt auf der Ladefläche eines Lastwagens wieder zu sich, hat jedoch keinerlei Erinnerungen daran, wer sie ist. Ihr Weg führt sie schließlich nach Los Angeles, durch dessen vom Neonlicht erhellte, verregnete Straßen sie zieht. Eine Adresse schießt ihr durch den Kopf, doch als sie diesen Ort erreicht, türmen sich nur noch weitere Fragen vor ihr auf. Zu allem Überfluss hat sie das Interesse zwielichtiger Gestalten auf sich gezogen, die sie ins Visier genommen haben.
Das Schicksal meint es somit wahrlich nicht allzu gut mit unserer unter Amnesie leidenden Protagonistin, die sich zumindest kurz nach ihrer Ankunft in der dreckigen Megametropole an eine wichtige Information wieder erinnert, nämlich ihren Namen: Elle. Allmählich schießen ihr immer weitere Erinnerungsfragmente durch den Kopf, die sie letztendlich auf einen düsteren und blutigen Pfad führen sollen.
Soviel sei zur Handlung von „Blade Runner: Black Lotus“ verraten, die zeitlich zwischen dem Originalfilm und dessen an den internationalen Kinokassen gescheiterter Fortsetzung „Blade Runner 2049“ spielt. Die Geschichte hat in der 1. Episode noch kleinere Pacing-Probleme und braucht etwas, um richtig in Schwung zu kommen. Doch bereits in der 2. Folge entwickelt sich daraus ein erzählerisch packender Noir-Rachethriller, deren Ende Lust auf mehr macht.
Wie viel mehr die Verantwortlichen noch aus Elle und ihrer charakterlichen Entwicklung herausholen können werden, lässt sich indes noch schwer einschätzen. Ein „Twist“ rund um ihre Herkunft verpufft bereits recht früh, weil diese Entwicklung innerhalb der Handlung ziemlich vorhersehbar ausfällt. Da die Macher jedoch in dieser Hinsicht so früh die Karten auf den Tisch legen, bleibt zu hoffen, dass sie noch mehr für ihre Protagonistin vorgesehen haben, denn die eine oder andere Frage wurde noch offen gelassen und diese werden hoffentlich spannend ergründet werden.
Blade Runner durch und durch
Darüber hinaus dürften sich Fans des „Blade Runner“-Universums schnell zuhause fühlen. Dies liegt nicht nur an diversen Easter Eggs und Auftritten bekannter Charaktere wie Doc Badger oder auch Niander Wallace Jr. (Jared Letos Rolle in „Blade Runner 2049“), sondern auch an den philosophischen Fragen, die im Raum stehen. Wie bereits Officer K oder auch Deckard ist ebenso Elle beispielsweise auf der Suche nach sich selbst, der Suche nach ihrem Lebenssinn und der Frage, was in dieser Welt, in der lebensechten Replikanten existieren, überhaupt wirklich real ist.
Das klare Highlight der ersten zwei Episoden war jedoch der visuelle Stil der Serie, insbesondere die fast schon fotorealistischen Umgebungen. Los Angeles‘ Straßen und Gassen, in denen Rauch umherzieht und sich die Neonlichter im nassen Asphalt widerspiegeln, erwecken diese dreckige, verlebt wirkende Welt glaubhaft zum Leben. Einzig die Charaktere fallen in dieser Hinsicht mit ihrem Plastiklook etwas ab, doch dies ist ein Manko, an das man sich als Zuschauer*in gewöhnen kann.
Dafür entschädigen die hervorragend inszenierten Actionsequenzen des Anime: Elle erkennt, dass sie, ähnlich wie Jason Bourne, über beeindruckende kämpferische Fähigkeiten verfügt und es deshalb sogar mit mehreren Gegnern gleichzeitig aufnehmen kann. Ihre Konfrontationen, in denen Elle nicht nur mit ihren Fäusten und Füßen, sondern auch mit einem Katana mächtig beziehungsweise blutig austeilt, wurden geschmeidig wie brutal choreographiert und in klaren sowie eleganten Aufnahmen eingefangen. Actionfans kommen hier definitiv auf ihre Kosten.
Doch nicht nur visuell, sondern auch musikalisch weiß „Blade Runner: Black Lotus“ zu gefallen. Insbesondere der Score ist klar von Vangelis‘ Arbeit in Ridley Scotts Cyberpunk-Meilenstein inspiriert und untermalt die Szenen mit einem stets atmosphärischen, manchmal fast schon unheimlichen Synthesizer-Soundtrack. Stilistisch ist die Anime-Serie einfach „Blade Runner“ durch und durch.
Eine würdige Erweiterung des Franchise?
Insgesamt hinterließen die ersten zwei Episoden der Anime-Serie bei uns einen überwiegend positiven Eindruck, was vor allem daran liegt, wie hervorragend die Macher das Feeling dieser auch heute noch atmosphärisch einzigartigen Welt einfangen konnten. Außerdem hat Elles Geschichte, obwohl sie das Universum bis jetzt (noch?) um keine neuen Facetten erweitern konnten, durchaus Potential für eine spannende Noir-Story.
Abzuwarten bleibt jedoch, ob die Verantwortlichen diese Möglichkeiten letztendlich auch ausschöpfen und dieser Welt über die bisherigen Referenzen hinaus wirklich etwas Neues hinzufügen können werden. So scheint „Blade Runner: Black Lotus“ zunächst zwar ein würdiger, wenn auch etwas überraschungsarmer Ableger des Franchise zu sein, den nicht nur Fans der Filmreihe guten Gewissens im Auge behalten können.
„Blade Runner: Black Lotus“ könnt ihr euch hierzulande ab dem 14. November 2021 exklusiv bei Crunchyroll immer sonntags ab 6 Uhr im japanischen Original mit deutschen Untertiteln ansehen.