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Borderlands 2: Test: Auf nach Pandora, ihr Weicheier!

Wir blicken in eine staubige Wüstenlandschaft. Ein Skag will gerade eine heruntergekommene Straße überqueren, als ihm mit voller Wucht ein Outrunner gegen die Birne brettert. Auf diesem feiern ein paar Banditen gerade den neuen Fund ihres Herrschers Jack Handsome. In Pandora wurde eine zweite Eridium-Kammer entdeckt, die der Bösewicht sich unbedingt unter den Nagel reißen will. Also schwingen wir uns in die Haut von einem der vier spielbaren Charakterklassen und machen uns an die Arbeit, Jack Handsome das Handwerk zu legen.

Die Qual der Wahl

Doch führen wir mal die Einleitung weiter aus, denn die paar Banditen auf dem Outrunner erleben noch ihr blaues Wunder. Als sie gerade einen Eisenbahn-Übergang überqueren wollen, kracht ihnen der schon aus dem ersten Teil von Borderlands bekannte Zug gegen die Kiste. Das Teil zerfliegt in tausende Teile – inklusive der Banditen. Als Passagier des Zugs dienen einmal mehr die Hauptcharaktere von Borderlands 2, die sich grundlegend geändert haben. So haben wir die Wahl zwischen Axton, besser bekannt als "der Commander", Maya – die Sirene, Salvador – der Gunzerker oder Zer0 – der Assassine. Alle vier Charakterklassen bieten ein individuelles Spielgefühl – dazu aber später mehr. Alle vier sind auf der Suche nach Handsome Jack. Er ist nach Pandora gekommen, um die zweite Eridium-Kammer ausfindig zu machen. Wie schon im ersten Teil müssen wir verhindern, dass ein Bösewicht an das überlebenswichtige Erz kommt. Im Auftrag des Waffen- & Upgradeherstellers Hyperion machen wir uns auf die Reise.

Och nö, nicht der schon wieder!

Nachdem wir uns also vom Charakter-Auswahlbildschirm verabschiedet haben, müssen unsere vier Superhelden schmerzhaft erfahren, dass sich Handsome Jack tatsächlich im Zug befindet. In einem der hinteren Abteile hat der verrückte Penner sich mit Sprengstoff eingedeckt. Er lässt das Ding hochgehen und alle vier Hyperion-Helden werden quer durch Pandora verteilt. Als Gunzerker finden wir uns also in einer eisigen Umgebung wieder – die erste große Veränderung von Borderlands 2. Denn wir bewegen uns diesmal nicht nur durch Wüsten-Landstriche, sondern auch durch eisige Gefilde. Und was braucht man in schwierigen Situationen am aller wenigsten? Genau: Einen Roboter, der einem das Ohr ablabert und super schlaue Ratschläge gibt. Na gut, na gut. Wir geben es ja zu: Wir haben uns auch gefreut, als Claptrap uns plötzlich gegenüber steht und unserem Hauptcharakter mehr oder weniger den Hintern rettet. Ganz in der Nähe hat dieser nämlich einen Unterschlupf, bei dem wir uns eine Erstversorgung besorgen können. Die ersten Abenteuer, die wir mit Claptrap erleben, dienen mehr oder weniger als Tutorial. Wir lernen, wie wir unseren Charakter durch die Welt von Pandora bewegen, wie die Waffen bedient und ausgerüstet werden und auch, wie wir unseren HUD verwenden. Hier hat sich im Gegensatz zum Vorgänger relativ wenig getan. Warum auch? Schon das HUD des Erstlings war übersichtlich und bot genügend Informationen, die man auf der Durchreise benötigte.

Fettes, haariges, Auge-stehlendes Vieh!

Überall wo Claptrap auftaucht, gibt es Probleme. So ist es auch in Borderlands 2 zu Beginn. Kurz nachdem wir den kleinen Roboter in seinen Unterschlupf begleitet haben, stiehlt ihm ein arktischer Bullymog sein super wichtiges Auge. Ohne dieses kann er uns nicht nach Liar's Berg bringen, wo Dr. Hammerlock bereits auf uns wartet. Was tun wir also? Wir schnappen uns die Pistole und räumen nach und nach die gesamte Bullymogschaft aus dem Weg. Schnell erkennen wir: Das Terrain hat sich tatsächlich geändert. Die Bullymogs wurden auf das eisige Setting angepasst und „spawnen“ durch die Neuerungen seither durch ominöse, schwarze Löcher, die sich an den Eiswänden befinden. Nicht ganz originell, aber wir lassen es gerade so durchgehen. Woher sollen sonst die fetten Pelzviecher kommen, nicht? Nach dem ersten intensiven Kampf, der doch relativ einfach vonstatten geht, haben wir das Auge von Claptrap wieder in unserem Besitz. Doch was tun damit? Auch hierfür hat der alte Robo eine passende Lösung: Im beschaulichen Koloniedorf Liar's Berg, in dem seit den Übergriffen von Handsome Jack nur noch Sir Hammerlock ansässig ist, gibt es eine Station für vergewaltigte Claptraps. Das ist an dieser Stelle kein Flux, sondern wird im Spiel tatsächlich so beschrieben. Denn auch Borderlands 2 ist unglaublich humorvoll inszeniert, was nicht nur für die Sequenzen mit dem kleinen Roboter gilt. Also auf zu Sir Hammerlock!

Bau dir deinen Helden!

Nach den ersten Missionen für den Sir beginnt Borderlands 2 dann da, wo Borderlands aufgehört hat. Es offenbart sich uns eine offene Welt rund um Pandora und wir entscheiden selbst, welche Missionen wir als nächstes erledigen. Nach und nach füllt sich das Logbuch mit neuen Aufträgen, für die wir meist Erfahrung und einen Gegenstand als Belohnung bekommen. Ein großer Kritikpunkt des Erstlings war das doch recht eintönige Missionsdesign. Hier hat Entwickler Gearbox Software angesetzt und einiges verbessert. Für Claptrap sollen wir zum Beispiel sein Schiff säubern. Dort haben sich seit dem Überfall von Jack Handsome allerlei Banditen festgesetzt. Unter der Leitung von Captain Flynt verunstalten sie das eigentlich sehr beeindruckende Panorama von Pandora. Doch bevor wir zum Bossfight vordringen können, müssen wir uns mit der „Dicken Berta“ den Weg freischießen. Solche Sequenzen sorgen für viel Abwechslung und motivieren den Spieler zusätzlich, da einem die Erfahrungspunkte nur so um die Ohren gehauen werden. Doch was tun mit dem Überschwung an Erfahrung?

Ganz einfach: In neue, verbesserte Fertigkeiten stecken. Jeder der vier Charaktere besitzt drei verschiedene Talent-Bäume, die, ähnlich wie in Diablo 2 von Blizzard damals, nach und nach freigeschaltet werden müssen. Wir beginnen quasi bei Talent A im Kampf-Bereich und müssen nach und nach die Punkte so verteilen, dass wir schließlich auf das unterste Talent stoßen. Dieses gibt dem Helden dann eine besonders starke Fertigkeit. Der Gunzerking a.k.a. Salvador beispielsweise ist für seine brachiale Feuergewalt bekannt. Seine drei Talent-Bäume setzen sich aus Randale, Muskelkraft und Gunlust (Waffenfreund) zusammen. Hat man im Bereich Randale das letzte Talent erreicht und dieses ausgebildet, erhält man beispielsweise so lange Boni auf Nachladen und Feuergeschwindigkeit, wie man die linke Maustaste gedrückt halten kann. Klar ist, dass die Talente nicht ewig verfügbar sind, sondern sich nach und nach wieder aufladen müssen.

Wer lieber auf technisch hochentwickelte Charaktere zurückgreift, der schnappt sich den Assassinen Zer0. Dieser würde in einem westlichen RPG den Schurken darstellen, da er mit Gerissenheit, Mord und Sniping seine Gegner zur Weißglut treibt. Der Commander Axton setzt hingegen auf bodenständigen Umgang mit allen möglichen Waffen. Er ist quasi das Allroundtalent der Vierer-Gruppe und kann dank seinen Talent-Bäumen Schießpulver, Kleinkrieg und Überleben so gut wie jede noch so gefährliche Situation meistern. Zu guter Letzt hätten wir noch Maya – die Sirene im Angebot. Das blauhaarige Mädel hat es faustdick hinter den Ohren, da sie als einzige von allen vier magische Kräfte besitzt. Dank hochentwickelten Speicherchips von Hyperion kann sie mit Fortlauf der Story unter anderem heilende Kräfte wirken lassen, Feinde so betäuben, dass sie plötzlich selbst aufeinander losgehen oder aber einfach nur einen riesigen Elektrostrahl abfeuern, der gegnerische Banditen auf der Stelle grillt. Für welche Charakterklasse ihr euch auch entscheidet: Sie spielen sich allesamt unterschiedlich und setzen verschiedene Vorangehensweisen voraus. Die beste aller Methoden ist natürlich drei weitere Kumpels hinzuzuziehen, die mit euch eine Runde Coop spielen können, da die vier im Team perfekt aufeinander abgestimmt sind… sofern ihr das Zeug zum Comic-Helden besitzt!

Sanctuary – die letzte Bastion

Bevor wir euch die Informationen zu den Charakterklassen an die Hand gaben, waren wir bei der offenen Welt von Borderlands 2 stehen geblieben. Wie bereits erwähnt, ist diese zwar im Open-World-Stil gehalten, allerdings benötigt es für fast jeden Kartenabschnitt eine Ladesequenz. Während diese meist für irgendwelche Aufträge oder andere Aktivitäten vorbereitet sind, könnt ihr euch im Outland austoben was das Zeug hält. Egal ob ihr euch mit den modifizierten Outrunner-Fahrzeugen spannende Schlachten mit Banditen liefert oder einfach nur Geld sammelt und die Karte erkundet: Die Welt von Borderlands 2 bietet an jeder Ecke eine Menge Spaß. Nicht ganz so spaßig steht es um eine der großen Hauptstädte. Die Rede ist von Sanctuary – die erste große Metropole, die wir in Borderlands 2 besuchen dürfen. Natürlich wartet hier allerlei Arbeit auf uns, doch zunächst werden wir für unseren bisherigen Fortschritt belohnt. Wir erhalten ein eigenes Heim und jede Menge Geschäfte, in denen wir unsere hart verdienten Dollar ausgeben können. Unter anderem winkten ein Waffenhändler, ein Heilungsautomat und auch eine Station, an der wir neue Munition besorgen können. Und wer auf seinen Reisen bereits Eridium gesammelt hat, kann dieses beim Schwarzmarkthändler für Charakter-Modifikationen wie mehr Platz im Inventar, mehr Waffenschaden oder viele andere ausgeben.

Waffen, Wummen, Ballermänner!

Dies ist jedoch nicht die einzige Variante, wie ihr euren Charakter verbessern könnt. Besonders spannend finden wir die Idee kleinerer Herausforderungen, die euch nach der Absolvierung eine Belohnung offerieren. Haben wir nämlich genügend Tokens gesammelt, können wir uns eine von fünf, dem Zufall überlassenen Attributen schnappen und diese verbessern. Das sorgt nicht nur für ein gutes Gefühl, sondern eröffnet sogar eine Art Wettkampf unter den Spielern, da jeder die Herausforderungen seines eigenen Charakters so schnell wie möglich abschließen möchte. Der eine oder andere fragt sich sicherlich: Wo bleiben die Kritikpunkte? Natürlich ist auch Borderlands 2 nicht frei von Negativem. Da wäre zum Beispiel die doch sehr krasse Schwierigkeit zu Beginn. Gerade wenn man sich beim Erkunden der Welt mal verläuft oder aber eine Mission startet, die mit „Mittel“, „Schwer“ oder „Hart“ gekennzeichnet ist, kann man alleine auch schnell mal das Zeitliche segnen. Deshalb immer langsam vorangehen und auch ruhig mal das eine oder andere Vieh mehr töten. Nur so kommt man in Borderlands 2 an neue Boni, Waffen und Fertigkeiten. Apropos Waffen: Natürlich bietet Borderlands 2 ein breites Arsenal an Waffen, das man den feindlichen Mistviechern oder auch Mistkerlen entgegensetzen kann. Ähnlich wie in anderen Rollenspielen sind diese mit Farben gekennzeichnet. Je goldener die Farbe, desto besser ist das gute Stück. Das Arsenal selbst reicht wie gewohnt von Scharfschützengewehren, über verschiedene Arten der Maschinenpistole bis hin zu dicken Wummen wie einem RPG, Lasergewehr oder auch Elementarwaffen, die bei Fleischkontakt Schaden verursachen. Da mit zunehmender Spieldauer auch feindliche Objekte mit solchen Ballermännern ausgestattet werden, empfiehlt es sich, stets seinen Schild im Auge zu behalten. Dieser kann im Inventar durch eine bessere Variante zu jeder Zeit ausgetauscht werden.

Das Levendesign: Eintönig? Durchaus. Langweilig? Nein!

Die spannende Frage bei einem Spiel wie Borderlands 2 lautet natürlich: Wie stehts um das Leveldesign? Nun, insgesamt gesehen bietet Pandora viel Platz für verschiedene Schauplätze. Mal kämpfen wir uns durch eine alte Koloniesiedlung, die dank den Bullymogs vollkommen zugeschissen und zerstört wurde, ein anderes Mal durch das Versuchslabor des Firehawks, der uns später noch zur echten Hilfe wird, oder auch durch offene, manchmal sehr unübersichtliche Areale. Das größte Problem hierbei ist jedoch, dass die Spielzeit von Borderlands 2 quasi bis in die Unendlichkeit reichen würde. Um das zu realisieren, passiert es nicht selten, dass wir für mehrere Quests in das ein und selbe Areal, das wir zuvor vielleicht schon dreimal gesäubert haben, zurückkehren müssen. Natürlich ist irgendwo eine Grenze, was neue Schauplätze angeht. Doch leider ist das Backtracking teils sehr nervend und durch geschlossene Kartenabschnitte, die das Reisen mit dem Outrunner nicht erlauben, auch noch sehr zeitaufwändig. Hier hätten wir uns mehr Schnellreisepunkte gewünscht, die in Pandora doch sehr spärlich gesetzt sind. Aber wie bereits erwähnt, wird es durch ständig nachspawnende Gegner nicht langweilig auf der großen Reise. Zur Beruhigung aller Fans: Die Gegner, egal ob Boss oder normal, leveln nicht mit, weshalb man sich später relativ schnell durch bereits entdeckte Abschnitte schießt.

Schwarze Konturen überall

Kommen wir nun zu einem Aspekt, der bei Shooter-Spielen im Jahr 2012 mehr als nur wichtig ist: die Technik. Vom Grundgerüst her nutzt Borderlands 2, wie auch schon der Vorgänger, eine stark modifizierte Variante der Unreal Engine 3. Und einmal mehr kann man mit Fug und Recht behaupten: Entwickler Gearbox Software hat nochmal alles aus der Engine herausgeholt. Dank des intensiven Comic-Looks sehen Pandora-Panoramen einfach nur wunderschön aus. Zwar sind Texturen bei näherem Hinsehen leicht unscharf, dafür kann der gesamte grafische Eindruck mehr als nur überzeugen. Und auch die Präsentation wichtiger Charaktere ist dank kleinen, comicartigen Intros mehr als nur gelungen. Der Soundtrack untermauert den positiven Eindruck der Technik. Dieser geht in adrenalingeladenen Action-Sequenzen mit und weiß auch, wann ruhige Klänge eher angebracht sind. Wirklich überzeugt sind wir von der Tatsache, dass Borderlands 2 seinen eigenen Look, seinen eigenen Stil, besitzt. Es wirkt nicht wie jeder 0815-Kriegsshooter, den man heutzutage vor die Nase gesetzt bekommt. Jeder einzelne Schauplatz von Borderlands 2 ist durchdacht und besitzt einen Hintergrund – und genau dafür müssen wir Gearbox Software ein großes Lob aussprechen!

Vom Vierer stark gezeichnet

Du hast keine Lust alleine durch Pandora zu ziehen? Kein Problem: Borderlands 2 ist sowieso ein Spiel, das von Grund auf als Mehrspieler-Game entwickelt wurde. Das bestätigte Randy Pitchford mittlerweile des Öfteren. Also ist es kein Wunder, dass auch der zweite Teil der Comic-Shooter-RPG-Reihe einen 4-Spieler-Coop besitzt. Ohne große Umstände können sich zur Spielsession des Spielers drei weitere Kollegen gesellen, die dann beim örtlichen Schnellreisepunkt joinen. Allerdings gilt große Vorsicht, denn: Je mehr Spieler der Session beiwohnen, desto schwieriger und härter werden die Gegner. Das ist allerdings das kleinste Übel, denn die Chance, äußerst seltene Gegenstände zu finden, steigt dadurch immens. Wer also drei weitere Kollegen am Start hat, bekommt mit Borderlands 2 das absolute Nonplusultra in Sachen Coop-Shooter.

Über Uncut, Collectors Edition und mehr

Wenn ein Shooter wie Borderlands 2 fortgesetzt wird und nicht mit Splatter- oder Bluteffekten spart, fragt sich der deutsche USK-Kunde zurecht, ob ein Import aus dem Ausland aufgrund einer möglichen Zensur nicht die beste Variante darstellt. Wir können euch allerdings beruhigen: Eine Reise ins Nachbarland Österreich ist nicht nötig, denn Borderlands 2 erscheint hierzulande vollkommen ungeschnitten für PC, Xbox 360 sowie für PlayStation 3. Wie auch alle anderen Nationen bekommt Deutschland ebenfalls eine Collectors Edition. Die sogenannte „Kammerjäger Edition“ erscheint zusammen mit dem normalen Retailstück zum Launch und kostet 89,99 EUR. Sie enthält neben einem DLC-Pass (kostenlose Zusatzinhalte) auch eine Wackelkopf-Figur von Marcus, vier Aufkleber, einen kostenlosen Download des Borderlands-Comics sowie eine Karte von Pandora. Ob sich das Teil lohnt, muss jeder selbst entscheiden. Wir meinen: Eine Wackelkopf-Figur geht immer!

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