RPG-Fans werden dieser Tage nicht müde, denn nachdem wir uns gerade so von den Arschtritten in Dark Souls 2 erholt haben, gibt es in Sachen Schwierigkeitsgrad mit Bound by Flame direkt wieder einen Knüppel auf den Kopf. Zwar nicht so hart, wie bei From Softwares Meisterwerk, dafür aber mit vielen Spielereien und mehr Rollenspielfeingefühl. Der neue Titel von Spiders und Focus Home Interactive hat zwar einige Makel, dafür aber auch sehr viele stimmige Momente. Unser Test zeigt, was euch bei Vulcans Abenteuer alles erwartet.
Das fängt ja schon mal gut an...
Willkommen in Vertiel, einer wunderschönen aber leider dennoch zum Teufel gejagten Welt. Schuld sind die Eisfürsten, die mit ihrer Armee bestehend aus Monstern und Untoten das Land heimsuchen. Das große Problem: Jeder gefallene Soldat steht wieder auf und schließt sich dem Bösen an. Eine verzwickte Situation. Eigentlich ist alle Hoffnung schon verflogen, doch dann passiert unserem Protagonisten Vulcan das Unfassbare: Als Mitglied der Roten Klingen, einer Privatarmee voller Söldner, soll er eigentlich nur ein heiliges Ritual bewachen, wird aber prompt von einem Dämon unfreiwillig als Wirt auserkoren. Dieser ist zwar nicht wirklich glücklich über sein neues Zuhause, aber da die beiden nun eh schon unzertrennbar vereint sind, können beide Parteien gleich mal das Beste aus der Sache machen. Dank der neu erworbenen dämonischen Macht steht Vulcan nun seinem Schicksal als Weltenretter gegenüber, wobei er selbst davon wenig mitbekommt, da seine Kameraden diesen Umstand wohl nicht ganz so ernst nehmen. „Hey Jungs, ich hab 'grad ein Riesenmonster mit Feuerbällen besiegt!“, „Ja, ist uns doch egal, geh Wäsche waschen!“. Okay, ganz so salopp nun auch wieder nicht, aber hier sehen wir schon, wie es in Bound by Flame so zugeht. So wirklich freundlich ist nämlich kaum eine Person, die wir so treffen. Vulcan bleibt der ewige Prügelknabe.
Die Story soll wohl möglichst rau präsentiert werden, was sich in überzogen negativen Dialogen widerspiegelt. Im Großen und Ganzen reicht die Geschichte aber aus, um durchs Spiel zu treiben, wenn gleich sie etwas origineller hätte ausfallen können. Ein Epos haben wir hier nicht gerade vorliegen. Wer sich aber generell gerne mit Fantasy-Geschichten auseinandersetzt, wird zumindest bedient. Ab und an gibt es sogar ein paar Entscheidungen zu treffen. Leider hat man dabei etwas Potenzial verschenkt, da selten am Spielverlauf gebogen wird.
Ein Rollenspiel, wie es im Buche steht
Wo die Story gerade mal als dünner Brotbelag ausreicht, kann das Spiel in Sachen Gameplay durchaus punkten. Da der Mammutanteil von Bound by Flame aus Kämpfen besteht, kommt es gerade recht, dass hier der größte Fürsprecher liegt. Wahlweise mit einem Zweihänder für großen Schaden, flinken Dolchen oder Feuerattacken können wir unsere Gegner angreifen. Der Wechsel zwischen den Waffen erfolgt fließend, wir können während der Kämpfe problemlos umschalten. Mittels Ringmenü lassen sich dabei Tränke und Fertigkeiten auswählen, nach Wunsch können Aktionen auch auf Schnelltasten gelegt werden. Per Knopfdruck können wir in Blickrichtung sogar fast alle Angriffe parieren und mit wenig Aufwand kontern. Das klappt alles gut und spielt sich flüssig.
Genau das ist aber auch wichtig, denn Bound by Flame legt einen knackigen Schwierigkeitsgrad vor und selbst im Zweiten der vier Stufen haben wir mehr als gut zu tun nicht zu sterben. Praktisch jeder Gegner kann uns innerhalb von Sekunden ausschalten, während wir nur mäßigen Schaden anrichten. Das setzt Taktik und Bewegung voraus. Einzelne Kontrahenten sind noch schnell verdroschen, tauchen sie in Gruppen auf, muss jeder Zug gut überlegt sein. Zur Seite stehen uns dabei, je nach Entscheidung während der Story, Begleiter. Diese helfen aber auch nicht wirklich aus der Patsche und sind meist dafür gut, Gegner auf sich aufmerksam zu machen und kurz abzulenken. Dank des inneren Dämons steht uns eine Reihe Feuerzauber zur Verfügung. Damit können wir direkten Schaden anrichten, ein Schild aufbauen oder unsere Waffe kurzzeitig verstärken. Die Pyromantie ist äußerst effektiv, frisst aber auch sehr viel Mana und kann nicht dauerhaft eingesetzt werden.
Ein weiteres Schmankerl ist das Inventar, das sich kinderleicht steuert. Hier können wir uns nicht nur durch Taschen wühlen, sondern auch in drei Talentbäumen unsere für jedes Level-up kassierten Punkte investieren und die Fähigkeiten unseres Helden steigern. Dabei hat jede der drei Waffentypen einen Baum für sich mit mehreren Möglichkeiten. Jeder davon unterteilt sich dabei in vier Bereiche, die von unten nach oben mit einer bestimmten Anzahl verteilter Punkte freigespielt werden müssen. Am Ende wartet dann eine Meisterfertigkeit auf uns. Während wir gerade zu Beginn noch fröhlich kreuz und quer verteilen können, merken wir später, dass die oberen Ränge nur dann erreicht werden, wenn wir uns auf eine bestimmte Spielweise konzentrieren.
Ein weiteres sehr gut funktionierendes Konzept ist die Herstellung und Verbesserung von Gegenständen. Überall auf der Welt finden wir Zutaten, egal ob aus Kisten, die wir plündern oder aus den Leichen gefallener Gegner. Im Menü lassen sich damit neue Gegenstände wie zum Beispiel Heiltränke oder Fallen herstellen. Einziges Manko: Die Kosten für die Rezepte sind recht hoch, selbst nach knapp zwei Stunden Spielzeit reichte es gerade mal für !einen! Heiltrank. Wer sich also gut ausstatten will, muss zwischen den Quests noch sammeln gehen. Dem Rollenspielgefühl tut das aber keinen Abriss. Auch unsere Rüstung kann problemlos aufgewertet werden. Jedes Teil verfügt über verschiedene Optimierungen, die sich an verschiedene Spielweisen richten. Das Tolle dabei: Nicht nur die Werte, auch das Aussehen ändert sich dadurch. Mit dazu sehen die Rüstungen und Waffen in Bound by Flame auch sehr ansprechend aus. Das Auge spielt schließlich mit. Solltet ihr ein Teil nicht mehr benötigen könnt ihr es auch einfach zerlegen, um nützliche Rohstoffe zu gewinnen.
Schade ist nur, zumindest für Spieler, die ein komplexes System wie z.B. in Skyrim erwarten, dass die Herstellung recht leicht von der Hand geht. Keine speziellen Werkzeuge oder Berufsstufen sind nötig. Lediglich die Anzahl an Materialien oder die Effektivität von Tränken lässt sich skillen. Man hat das Gefühl, dass Focus Home Interactive hier alles „kindgerecht“ haben wollte. Praktisch jedes System erklärt sich von selbst und zeigt auch simpel genau, was sich nun verbessert. Das kann man mögen, weil es für Einsteiger gelungen ist, oder eben auch mit Argwohn betrachten, weil es Profis zu wenig Anspruch bietet.
Eine schöne Welt, mit Ecken und Kanten
Zugegeben, die Welt von Vertiel kann nicht gerade mit dem Umfang eines Elder Scrolls oder Kingdoms of Amalur mithalten und mit knapp 20 Stunden Spielzeit ist hier auch kein allzu großer Zeitfresser zu erwarten. Die drei Akte spielen sich, wenn man nicht gerade an jedem Gegner stirbt, recht flott und bieten unterschiedliche Settings. Mal befindet ihr euch in kluftiger Einöde, dann in einem verwachsenen Waldland oder später im frostigen Reich der Eisfürsten. Optisch sehr ansprechend kommt es ein wenig so rüber, als seien die Entwickler sich nicht ganz einig gewesen, ob sie nun einen Comiclook oder eher ein realistischeres Aussehen bevorzugen. Zumindest die Texturen sind überwiegend scharf und Bound by Flame sieht auf dem ersten Blick sehr gut aus. Nur beim genaueren Hinsehen erkennt man die Mogelpackung. Einige Ecken sind ziemlich polygonarm, was sich in vielen Kanten widerspiegelt. Zu verkraften ist das zwar auf jeden Fall, aber doch hätte man hier mehr Liebe zum Detail mit ins Spiel bringen können.
Neben der Hauptquest, die an sich schnell durchgespielt werden kann, erwarten euch überall typische Nebenaufgaben. Zwar können die rein inhaltlich nicht gerade motivieren, aber da ihr sowieso euren Zutatenbeutel immer wieder auffüllen müsst, kann man diese direkt miterledigen – gibt ja auch immerhin Erfahrungspunkte dafür. Wer sich gar nicht für diese Abenteuerchen interessiert, sollte das Spiel auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad zocken. Dort werden Tränke und Co. selten bis gar nicht benötigt.
Was leider etwas ins Gewicht fällt, ist die sehr spartanisch gehaltene Charaktererstellung. Zwar könnt ihr zwischen Männlein und Weiblein wählen und euch auch eine andere Fratze aufziehen. Wirklich groß ist die Auswahl aber nicht. Der Versuch, das eigene Ich mit dem Alter Ego nachzubilden, scheiterte deshalb leider. Die Charaktere an sich sind detailreich gestaltet und hübsch animiert, dafür hat man bei den Gesichtsbewegungen etwas gespart. Das passt aber recht gut zur ebenfalls tristen deutschen Vertonung. Die ist nämlich gerade mal schlechter Durchschnitt und lohnt sich nur, wenn man dem Englischen nicht mächtig ist oder keine Lust auf Übersetzen hat. Wer mit ein paar Vokabeln klarkommt, sollte unbedingt umschalten, da Bound by Flame sonst ein ganzes Stück liebloser wirkt und das wird dem Titel nun auch wieder nicht gerecht. Ebenfalls empfehlen wir, das RPG auch am PC mit einem Gamepad zu spielen, da das Spiel darauf optimiert ist. Natürlich ist die Steuerung mit Tastatur und Maus soweit angepasst, dass es keine Probleme gibt. Das richtige Feeling kommt aber nur mit dem Pad rüber.