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Crysis 3: Weiter geht die Alien-Hatz

Endlich! Endlich durften wir uns in Cryteks neusten Shooter werfen und per Nanosuit den riesigen Liberty Dome erkunden. Dabei setzt Crysis 3 nicht weniger als neue grafische Maßstäbe und zeigt, wie beeindruckend virtuelle Welten mittlerweile aussehen können. Wie sich der Shooter hinsichtlich der Story schlägt und auf welche alten Bekannten wir während unseres Trips treffen, erfahrt ihr in unserem Test.

Wir staunen wahrlich nicht schlecht, als uns das Intro von Crysis 3 plötzlich in das Spiel und damit in den Nanosuit von Prophet wirft. Ein Schleier aus Regen empfängt uns. Wir stehen an Deck eines Schiffes. Erst jetzt erkennen wir unseren Retter, vor uns steht Psycho. Den Hitzkopf lernten wir bereits in Crysis 1 kennen und durften uns mit dem Briten in dem Crysis-Addon Warhead über die Ling-Shan-Inseln schlagen, um einem ominösen Behälter hinterherzujagen. In Crysis 3 schlüpfen wir in den Anzug von Prophet, der seinerzeit das Raptor-Team kommandierte und sich gegen Ende des zweiten Teils mit dem Protagonisten Alcatraz vereinte.

Noch verwirrt durch die anfängliche Befreiung, sprinten wir Psycho hinterher und kämpfen uns den Weg frei. Allem Anschein nach müssen wir in den riesigen Komplex eindringen, der von Psycho als Nanodom bezeichnet wird. Erst im Laufe der Geschichte erfahren wir mehr über die Situation in Crysis 3 und was eigentlich genau während unserer Abwesenheit passiert ist.

Post-Humaner Krieger

Die C.E.L.L. haben mittlerweile einen riesigen Nanodom über der gesamten Stadt New York errichtet, um die Menschheit vor dem Manhattan-Virus zu schützen und die übrigen Ceph einzusperren. In Wahrheit sehen die Pläne der Söldner von CrynetSystems allerdings weitaus weniger selbstlos aus, wie sich noch herausstellen soll.

Damit ihnen keiner die Pläne durchkreuzt, sollen alle Träger eines Nanosuits (Ein Superanzug mit Superkräften) aus selbigen herausgeschnitten werden. Wie wir unschwer erkennen können, hat unseren Kollegen Psycho dieses Schicksal bereits ereilt. Als einziger verbleibender Nano-Kämpfer soll mit uns dasselbe passieren, bis eben konnten wir an dieser Tatsache noch reichlich wenig ändern. Eingesperrt in ein Hightech-Nano-Gefängnis sah unser Handlungsraum erschreckend begrenzt aus. Befreit – und mit unserem alten Kollegen Psycho an der Seite – soll den C.E.L.L. nun endgültig ein Strich durch die Rechnung gezogen werden.

Prophet hat zunächst allerdings andere Pläne im Sinn und möchte den sogenannten Alpha-Ceph aus seinen Visionen verfolgen und vernichten. Bei Psycho, der den Alpha-Ceph lediglich als Hirngespinst ansieht, stößt er dabei jedoch nur auf wenig Verständnis. Ob Prophet tatsächlich einem Geist nachjagt, was die C.E.L.L. Böses planen und was zum Teufel eigentlich eine Einstein-Rosen-Brücke ist, verraten wir an dieser Stelle selbstverständlich nicht. Nur so viel sei gesagt: Die Story ist zwar von einem Oscar-Gewinn ungefähr so weit entfernt wie die Call-of-Duty-Reihe von einem abwechslungsreichen Spieldesign, der eine oder andere spannende Überraschungsmoment ist aber auf jeden Fall vorhanden und lässt während der gut acht bis zehn Stunden Spielzeit so gut wie keine Langeweile aufkommen – zumal Crysis 3 das Ende der Trilogie darstellt und sämtliche Handlungsstränge zusammenführt.

Okay, ertappt. Crysis 3 versucht viel eher die Handlungsstränge zusammenzuführen, wobei das Endresultat eher wie ein Schweizer Käse anmutet und im Grunde mehr Ungereimtheiten liefert, als dass Lücken geschlossen werden. Bereits Crysis 1 musste sich die Kritik anhören, über mehrere Logiklücken zu verfügen, die auch der zweite Teil nicht lösen konnte oder wollte. Umso größer war die Erwartung, mit Crysis 3 vorhandene Fragen zu beantworten und die Trilogie mit einem geschlossenen Ende gebührend zu beenden.

Eingeschlossen unter der riesigen Glaskuppel, hat sich das Klima innerhalb der stark zerstörten Stadt deutlich verändert. New York gehört längst nicht mehr seinen Bewohnern, die Natur hat ihren Besitz inzwischen zurückerobert. Überall haben sich riesige Savannen, großflächige Sumpflandschaften und tiefe Täler gebildet. Die einstigen Wahrzeichen der Stadt scheinen den Kampf gegen die Natur endgültig verloren zu haben. Brücken, Wolkenkratzer und ganze Straßenzüge sind von Bäumen und Pflanzen überwuchert. Die Schauplätze in Crysis 3 sehen tatsächlich äußerst idyllisch aus und wir würden beinahe unseren Picknickkorb herauskramen, wäre da nicht die klitzekleine Kleinigkeit des anhaltenden Krieges zwischen den fiesen C.E.L.L, den Rebellen und den Ceph. Es bleibt mal wieder keine Zeit zum Relaxen, irgendeiner muss ja schließlich in den sauren Apfel beißen und den Bösewichten ordentlich in den A… äh, Allerwertesten treten!

Das Frankfurter Studio hat es tatsächlich geschafft, die Vorteile der beiden vorherigen Crysis-Teile miteinander zu vereinen und das Endresultat kann sich mehr als sehen lassen. Als wir in Crysis 1 noch über goldgelbe Strände wanderten und Sandburgen bauten, stellte sich beinahe Urlaubsstimmung ein. Zwar beeindruckte uns auch Crysis 2 mit hübscher Grafik, das gewählte Szenario der etwas tristen Großstadt konnte allerdings nur bedingt überzeugen. Nun ist der Begriff Großstadtdschungel sogar wörtlich zu nehmen und Crytek hat sich auf alte Stärken besinnt und zaubert fantastisch aussehende Schauplätze auf den Bildschirm.

Papas neues Spielzeug

Was unseren Begleiter Psycho zum Schwitzen und Fluchen veranlasst, lässt uns völlig kalt – allerdings auch nur das Klima, da wir in unserem Superanzug mit integrierter Klimaanlage stecken. Wir haben nämlich gerade den Nanodom betreten und befinden uns noch auf der Suche nach unserer Kinnlade, die wir hier irgendwo verloren haben müssen. Denn nach dem verregneten Einstieg, der zwar auch nur so mit Effekten um sich warf und unsere Grafikkarte das Fürchten lehrte, blicken wir nun zum ersten Mal in Crysis 3 auf eine riesige Savanne. Die Grashalme wiegen sanft in der leichten Brise, Schmetterlinge ziehen ihre Kreise und Eichhörnchen tollen vergnügt auf einem der wenigen Bäume herum. Wüssten wir es nicht besser, würden wir sagen, wir befänden uns irgendwo in Afrika oder zumindest in Far Cry, denn von einer Stadt ist auf den ersten Blick nicht mehr viel zu erkennen. Erst bei genauerer Betrachtung fallen überwucherte Häuser und Straßen auf. Ganze Züge und vereinzelte Autos sind innerhalb des meterhohen Grases nur noch schwer zu erkennen. Das sich uns bietende Szenario wirkt auf der einen Seite idyllisch und lädt zum Verweilen ein, auf der anderen Seite stimmt es nachdenklich und macht uns bewusst, wie vergänglich weltliche Besitztümer sein können.

Doch um solche Dinge können wir uns jetzt nicht sorgen, es gilt schließlich in ein paar Är… ach ihr wisst schon. Damit wir dabei nicht allzu viel Lärm veranstalten, erhalten wir von Psycho ein nettes neues Spielzeug. Der bereits im Vorfeld groß angekündigte Hightech-Bogen fügt sich dabei nahtlos in das bereits bekannte Sortiment ein und erweitert unsere Möglichkeiten um ein cooles Feature. Neben der altbekannten und bewährten Scar gesellen sich die üblichen Verdächtigen zu unserer Ausrüstung hinzu. Neu sind hingegen die verschiedenen Ceph-Waffen, die nun von uns benutzt werden können, und eine hilfreiche Alternative zu den Standardwaffen darstellen.

Nachdem wir einige Meter durch das meterhohe Gras gewandert sind, fällt uns eine weitere Neuerung in Crysis 3 auf, wodurch wir schon beinahe das Zeitliche gesegnet hätten. Mit der bereits aus dem Vorgänger bekannten Nano-Vision können wir nun nicht mehr nur noch Feinde, Munitionskisten etc markieren, sondern auch Geschütze und Türen hacken. In einem kurzen Minispiel polen wir also die umliegenden Minen kurzerhand um, nur um ein wenig später eine ahnungslose Gruppe an C.E.L.L.-Söldnern in unsere fiese Falle zu locken – ein Heidenspaß. Kurz darauf stehen wir auf einem Hügel und schauen auf einen kleinen See hinab. Die dort ansässigen Soldaten scheinen sich keiner Gefahr bewusst. Wir wählen den Tarnmodus unseres Anzuges und zücken unser neues Spielzeug, nur um uns anschließend an dem sich uns bietenden Spektakel zu erfreuen. Unser Bogen verfügt nämlich über verschiedene Pfeilarten, darunter auch besonders gemeine Blitzpfeile – perfekt um aggressive Ceph oder wahlweise nervende Geschütztürme kurzerhand matt zu setzen, allerdings auch äußerst wirkungsvoll gegen im Flachwasser stehende Elite-Soldaten. Das Beste an der Waffe ist jedoch die Tatsache, dass wir diese im Tarnmodus nutzen können und somit vor einem Schuss nicht ständig den Modus wechseln müssen. So dezimieren wir, ohne großes Aufsehen zu erwecken, kleinere Gegnergruppen Schritt für Schritt.

Der Nanosuit an sich erfährt in Crysis 3 keine große Veränderung. Wir können noch immer enorm hoch springen, uns an Kanten hochziehen, unsichtbar machen oder per Panzerungsmodus einem ganzen Magazin standhalten, ohne auch nur einen Kratzer auf unserer Nano-Haut zu verzeichnen, natürlich in Abhängigkeit des gewählten Schwierigkeitsgrades. Auf der Stufe Supersoldat haben wir nur Sekundenbruchteile Zeit, um bei Beschuss in den Panzerungsmodus zu wechseln, bevor wir die hochaufgelösten Bodentexturen bewundern dürfen. Für wen dies noch immer nicht genug an Herausforderung darstellt, der sollte sich am PC-exklusiven Post-Humaner-Krieger-Schwierigkeitsgrad versuchen.

Einen Unterschied gibt es dann aber doch, und zwar sammeln wir in Crysis 3 die benötigten Upgrades, um unseren Anzug zu verbessern, nun nicht mehr bei gefallenen Gegnern ein, sondern müssen diese in den teils sehr weiträumigen Leveln erst suchen. Zudem schalten wir keine neuen Eigenschaften des Anzuges mehr frei, vielmehr verbessern wir bereits bestehende Funktionen des Nanosuits. So dürfen wir wahlweise die Wirkung des Tarnmodus erhöhen, den Rückstoß beim Feuern von Waffen verringern oder längere Strecken sprinten. Vier dieser Upgrades dürfen wir gleichzeitig miteinander kombinieren und uns den Anzug ganz auf unsere eigenen Bedürfnisse anpassen. Wirklich sinnvoll wird dies allerdings erst auf höheren Schwierigkeitsstufen.

Durch unseren Bogen und die Anzug-Upgrades bekommen wir deutlich mehr Möglichkeiten zur Beendigung einer Mission an die Hand. Hinzu kommen die im Vergleich zum Vorgänger deutlich größeren Levelareale, die zum Ausprobieren einladen. Mit aktiviertem Panzerungsmodus lassen sich ganze Gegnerhorden aus dem Weg räumen und in Rambo-Manier der übrige Rest von New York niederreißen. Wer es etwas dezenter mag, wählt die altbekannte Tarnmodus-Taktik und schaltet ungesehen Gegner für Gegner aus oder hackt eines der feindlichen Geschütze, nur um sich wenig später hinter der nächsten Hauswand zu verstecken und dem bunten Treiben zu lauschen. Zwar gewinnen die Areale auch in Crysis 3 noch keinen Innovationspreis in Sachen Freiheit, dafür macht dies die beeindruckende Optik durch abwechslungsreiche und detaillierte Schauplätze locker wieder wett.

Während wir gerade noch durch eine schier endlose Savannenlandschaft gezogen sind, waten wir im nächsten Moment durch einen riesigen Sumpf im Herzen von Chinatown. In Sachen Abwechslung hat Crytek also dazugelernt und wir müssten lügen, würden wir behaupten, dass uns auch nur eine Minute während der sieben Kapitel langweilig war, wobei die gelegentlichen Fahrzeugsequenzen auch getrost hätten weggelassen werden können. Selbst die KI scheint sich innerhalb der idyllischen Schauplätze sichtlich wohlzufühlen und verhält sich in weiten Teilen trotz des einen oder anderen Aussetzers zumeist clever und nutzt den ihr gebotenen Platz. Besonders gut haben uns die Ceph gefallen, die uns durch das meterhohe Gras verfolgt und frappierend an die Predators aus Alien vs. Predator erinnert haben.

Am besten gefallen hat uns aber mit Abstand unser KI-Kollege Psycho, der schon in den vorherigen Teilen den markantesten Charakter darstellte und mit seinem hitzigen Gemüt für die eine oder andere amüsante Situation sorgte. Zwar hat er sich seitdem verändert und man merkt ihm den Verlust seines Nanosuits deutlich an, trotzdem ist er die authentischste Person im Spiel und wirkt, nicht zuletzt durch die so verdammt echt aussehende Grafik, realer als je zuvor. Auch die Sprecher haben dazu sicherlich ihren Beitrag geleistet, besonders Prophets Stimme passt perfekt, auch wenn die deutsche Sprachausgabe nicht an die sehr gute englische herankommt und mit dem einen oder anderen Patzer zu kämpfen hat. Über den klasse Soundtrack sowie die gesamte Klangkulisse muss im Grunde kein Wort mehr fallen, denn neben der beeindruckenden Grafik fügt sich diese perfekt und nahtlos in dieses Bild ein.

Patrik Hasberg

Schreiberling, Spieleentdecker, praktizierender Perfektionist und Mann fürs Grobe. Außerdem laufender Freizeit-Hobbit, der Katzen liebt. – Hunde gehen auch. „Auch sonst eigentlich ganz ok“.
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