Techno-Land
Alles in „Cyberpunk 2077“ ist immer ein bisschen mystisch-mysteriös überhöht. Aus der Ego-Sicht des Protagonisten blickend oder der Third-Person-Kamera, verschwimmt das Bild immer wieder, es verzerrt oder zuckt. Das gehört zu diesem technologischen World Building, auch wenn es ab und zu doch ein klein wenig übertrieben wirkt. Insgesamt wirkt all das aber wie aus einem Guss und total stimmig, noch dazu wird es von einem vollen Tag-Nacht-Zyklus mit schöner Atmosphäre und Global Illumination-Effekten bezaubernd untermalt.
Der Weg zu den Animals ist nicht weit, wir nehmen dafür trotzdem ein High-Tech-Motorrad, dem ein wenig die Masse zu fehlen scheint. Ich hoffe, die Steuerung wird besser als in „Watch Dogs“ oder anderen Open-World-Games, wo dieses Feature immer ein bisschen versaubeutelt wird.
Zurück zu den Animals. Sie tragen ihre Bezeichnung nicht von ungefähr, sie sehen alle aus wie Arnold Schwarzenegger zu seinen besten Zeiten – hoch drei! Sie spezialisieren sich weniger auf neuronale Cyber-Technologie, haben mehr das Körperliche im Sinn. Sie sind eine rivalisierende Gang und haben sich im Neubau um die Ecke (GIM) eingenistet. Und jetzt, wo sie eine Lierferung mit Hightech-Ausrüstung erhalten haben, werden sie für die Voodoo-Jungs gefährlich – und „V“ soll auskundschaften, was sie da eigentlich bekommen haben.
Hier lang – oder da lang?
Und dann gehts ans Eingemachte, denn CD Projekt Red will nun anhand dieser Mission veranschaulichen, wie viele verschiedene Möglichkeiten es in „Cyberpunk 2077“ gibt, Missionen zu lösen. Es lässt sich zusammenfassen mit: „Tu, was du willst!“ Zum einen ist das natürlich davon abhängig, wie der eigene Charakter aufgebaut und ausgestattet ist. Man kann die Mission als sogenannter Netrunner genau so gut leise und schleichend lösen, wie mit einem hochgerüsteten Waffenarsenal. Solange man nicht aufgeflogen ist, lassen sich sogar beide Ansätze miteinander verbinden.
Leise vorzugehen heißt übrigens nicht unbedingt, dass dabei niemand sterben wird (obwohl das möglich ist – für das gesamte Spiel!). Wenn man eine Person in die Mangel nimmt, hat man immer die Möglichkeit, sie zu töten oder auszuknocken. Wenn aber „V“ seinen Nanowire rausholt, eine Art Laserdraht (Wenn ihr Johnny Mnemonic kennt, wisst ihr, was ich meine …), dann rollen Köpfe und andere Körperteile und zwar buchstäblich im Handumdrehen. Krass!
Das Spiel stellt den Spieler bei dieser Mission immer wieder vor die Wahl: Soll die Tür mit Gewalt aufgebrochen oder lieber subtil mit einem Hack geöffnet werden? Dabei muss man aber immer bedenken, dass es feindliche Netrunner gibt, die einem auf der Spur sind – man könnte also auffliegen. Egal, wofür man sich entscheidet, es hat immer Konsequenzen.
Es gibt dabei auch „lustige“ Situationen, als „V“ etwa die Trainingshalle der Animals durchquert. Hackt man einen zuvor passiven Box-Roboter, um für Ablenkung zu sorgen, haut er seinem Gegenüber fast die Rüber ab. Sein Kumpel fragt: „Atmest du noch?“. Ein paar Meter weiter schuftet sich ein Animal an einer Brustpresse ab – ihr könnt euch denken, was nach einem Hack passiert. Genau: Splat! An einer anderen Stelle löst der Netrunner den Jackpot eines Glückspiel-Automaten aus, um die Wachen zu verwirren. Aber man kann es auch krachen lassen und der „Terminator Power Fantasy“, wie es die Entwickler nennen, freien Lauf lassen. Das heißt: man reißt die Mini-Gun von einem stationären Geschütz und mäht einfach alle Wachen und anstürmenden Verteidiger nieder.
Apropos anstürmen: es sieht verdammt geil aus, wie bei einer Art Super-Speed, wenn die Animals mit ihren verstärkten Muskeln anrücken. Schneller als Kugeln sind sie aber dennoch nicht.
Wofür man sich in diesen Momenten entscheidet, hängt auch stark davon ab, in welche Skills man seine Punkte investiert hat. Laut CD Projekt Red ist das Charaktersystem hier sehr durchlässig. Sprich: man kann sich auf verschiedenen Ebenen spezialisieren, etwa ein paar Punkte beim Sniper investieren, beim Engineering, Hacking, haut noch ein paar Punkte für die Schrotflinte raus oder in Dual Wielding. Es ist eure Wahl! Während der Kämpfe kann man außerdem noch aktive Skills nutzen oder Booster einwerfen, die in bestimmten Bereichen einen Buff anwenden.
Die Gegner verfügen jedoch ebenfalls über ähnliche, wenn nicht bessere Möglichkeiten und Cyberware. Wen man in einem Kampf gehackt wird, hat man es gleich mit zwei Problemen zu tun. Und wenn man den Hack nicht schnell genug los wird … Game Over. Aber, wer selbst ein guter Hacker ist, kann umgekehrt Feinde dazu bringen, sich mit Granaten selbst in die Luft zu sprengen oder sich eine Kugel ins Hirn zu jagen. Vielleicht reicht es an dieser Stelle zu sagen, dass nicht immer alles nach Plan geht. Es kann auch passieren, dass die Netzpolizei aufkreuzt und die ganzen schönen Pläne durchkreuzen will. Oder selbst einen Deal anbietet. Das Problem: Für wen entscheidet man sich am Ende? Eine Entscheidung, die einen womöglich für den Rest des Spiels verfolgen wird.
Und welche Rolle spielt Keanu Reeves, fragt ihr euch? Nun, ich weiß nicht, ob der Vergleich passend ist, aber er ist so eine Art Lichtgestalt von „Cyberpunk 2077“. Er ist ein digitaler Geist, der noch ein paar Rechnungen offen hat und praktisch überall auftauchen kann. Er wird also nicht nur in einer Mission zur Stelle sein, sondern – so verstehe ich es jedenfalls – immer mal wieder auf den Plan treten. In dieser Mission rettet er „V“ am Ende den Hintern, so ein bisschen zumindest. Jedenfalls sorgt er dafür, dass „V“ am Ende das bekommt, was er die ganze Zeit sucht. Ob der damit verbundene Trip in den Cyberspace zu seinem Vorteil wird? Der Cliffhanger lässt grüßen!
Fazit von Nedzad Hurabasic
Am Ende bleibt mir – zumindest vorerst – einfach nur ein „Wow“. Ich liebe Science-Fiction und „Cyberpunk 2077“ rennt mit der gelungenen Machart, dem Design und den unzähligen gelungenen Rollenspiel-Aspekten offene Türen ein. Natürlich muss das Spiel im nächsten Jahr erst noch beweisen und bestätigen, dass all diese Lobhudelei auch gerechtfertigt ist. Dass diese absurde Glitzerwelt von einer Handlung getragen wird, die uns am Ende nicht enttäuscht zurücklässt, die tatsächlich die richtigen Fragen stellt und vielleicht einige gute Antworten liefert. Bis dahin ist es allerdings das Spiel, auf das ich mich am meisten freue.