Über Monate hinweg hat Trion Worlds mit Mini-Serien, Bonusprogrammen, Gameplay-Trailern und Werbekampagnen die Vorfreude auf den Start von Defiance angeheizt und dabei nie vergessen, den innovativen Charakter des parallelen Starts von Shooter-MMO und TV-Serie zu betonen. Dennoch müssen sich Serie und Spiel einzeln ihren Kritikern stellen. Ob Xbox 360, PlayStation 3 oder PC: Defiance hat seine Stärken und Schwächen. Wir haben sie in stundenlangen Online-Abenteuern gesucht sowie gefunden und stellen fest, es hier garantiert nicht mit Shtako zu tun zu haben. Was das bedeutet?
Serienreifer Spielstart
Mit seiner Entscheidung zum Kauf von Defiance unterstellt man sich einer Mission, deren eigener Herr man nicht ist. Alles was zählt, ist die Verantwortung für die Bay Area von San Francisco, deren Schicksal besiegelt scheint. Entsprechend wenige Konsequenzen müssen sich Spieler während der Charaktererstellung von der Entscheidung erhoffen, ob sie Mensch oder Irathier sind und als Veteran, Überlebenskämpfer, Gesetzloser oder Maschinist einsteigen. Hier zeigt sich vorrangig nur, welcher Waffe und welchem Outfit man sich zum Anfang verschreibt. Seinen Hintergrund vergisst man ohnehin besser so schnell wie auch die eher fehlenden optischen Anpassungsmöglichkeiten, denn Schönheit ist ein Makel, den man auf dem Schlachtfeld nur allzu schnell verliert.
Was zählt, ist unsere Rolle als Archenjäger im Auftrag von Karl von Bach, auch bekannt als Händler des Todes, seines Zeichens das Genie hinter VBI, dem Top-Unternehmen im Bereich Technik und hochentwickelte Waffen. Dem Kerl haben wir es auch zu verdanken, dass uns unser EGO-Implantat zu Beginn nach einem prächtigen Video-Intro mächtige Kopfschmerzen bereitet. Das genveränderte Bionetik-Zeug versorgt uns nicht nur mit unserem Genie und unseren Fähigkeiten. Nein, es spricht auch mit uns und wird damit durchweg zum geschickten Instrument der Entwickler, denn die Stimme aus dem Nichts spendet das Gefühl, zu keiner Zeit im Alleingang unterwegs zu sein.
Nach unserer brachialen Landung ist aber auch Cass Ducar unsere erste Ansprechpartnerin. Die rebellische Lady unterhält uns mit vollvertontem Straßenkind-Slang, ganz wie es der erwachsenen Atmosphäre von Defiance steht, während sich unser EGO auf die wichtigen Dinge im Leben konzentriert, uns Schritt für Schritt die Waffen und Fähigkeiten lehrt, die wir schon wenige Minuten nach Spielbeginn inmitten einer Horde von Mutanten zum Einsatz bringen müssen. Damit scheint der serienreife Spielstart über die Bühne gegangen. Doch ein Happy End bleibt aus, weil es unseren Chef, Herrn von Bach, wohl an einem anderen Ort vom Himmel gejagt hat und sich die Frage stellt, ob der Händler des Todes nun mit den Toten handelt.
Was zur Hölle ist hier denn los?
Schon folgen wir den Anweisungen unseres EGOs und stapfen durch das Gebiet um San Francisco. Allerdings hat Mount Tam wenig vom kalifornischen Flair und glänzt eher mit Schattenseiten statt Sonnenschein. Wo sind wir denn hier gelandet? Nicht nur die fiesen Mutanten, sondern auch mutierte Pflanzen treiben ihr Unwesen. Je weiter die Suche nach von Bach fortschreitet, desto schneller wird klar, dass sich hier in der Vergangenheit wohl einiges gegen die Menschheit richtete – und die Bedeutung einer gewissen Schlacht von Defiance ist nicht von der Hand zu weisen. Immerhin entsteht so eine begnadete Sci-Fi-Atmosphäre, die nicht nur mit verstreuten Blechplatten prahlt, sondern sich vom sonstigen Fantasy-Kitsch verabschiedet und authentisch ist. Jeder Hügel im Norden San Franciscos ist das wunderschöne Gesicht des Schreckens, während die unterschiedlichen Zonen mit Vielfalt überzeugen. Diese Atmosphäre umrankt auf wundervolle Weise die Dramatik der Story, was sich spätestens im düsteren Chaos der einstigen Metropole San Francisco zu erkennen gibt.
Das Singleplayer-MMO
Da wir ohnehin nicht an den Blüten der besagten Monster-Pflanzen zu schnuppern gedenken, widmen wir uns schon zu Anfang der Hauptgeschichte, die für viele wohl das dominante Gameplay-Element bleibt und das Geschehen bestimmt, ehe man sich den MMO-Komponenten widmet. Defiance spielt sich im Story-Bereich wie ein echter Offline-Titel. Hauptmissionen lassen uns Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft werden, die sich erst im Zeitverlauf entwickelt und selbst scheinbare Feinde zu Partnern werden lässt. Nahezu sämtliche Hauptmissionen glänzen mit Cutscenes vertonter Dialoge, die Charaktere sind einzigartig, einprägsam und immer wieder sind so neue Bekanntschaften ein Segen. Das beginnt nicht erst beim Sensoth Torc Mok, an dessen Waffenkammer wir uns auch gerne einmal zu Silvester bedienen würden. Im Laufe der zahlreichen Hauptmissionen begegnet man wirklich auch nur geringfügig mehr als einer Handvoll Charakteren und misst dennoch nichts. Defiance setzt für ein Onlinespiel ganz neue Maßstäbe.
Dies trifft zumal zu, weil die Missionen in der offenen MMO-Welt spielen. Eine gekonnte Mischung. Aus neutraler Sicht aber zeigen sich die Missionen in einem eintönigen Gewand, was alleine dadurch erkenntlich ist, dass selbst die Nebenmissionen die gleichen Aufgabenmechaniken nutzen. Ständig dreht sich alles um die Sicherung von Gebieten, die Aktivierung von Gerätschaften oder Untersuchung von Objekten. Wahrlich keine Sternstunde. Interessanterweise macht das Ganze dennoch verdammt gute Laune, denn die Einbettung in die Dialoge schenkt das Gefühl, sich in immer unterschiedlichen und brenzlichen Situationen zu befinden. Mit wachsendem Storyverlauf gerät man zudem an immer wieder neue Orte, muss einen Hafen lahmlegen, einen Bunker sichern oder inmitten der Überreste von Wolkenkratzern einen Leutnant verabschieden. Begleitet vom Verlust von Weggefährten und dem Erreichen neuer Meilensteine unterstützt man seinen Gebieter von Bach gerne bei der Vervollständigung seines mächtigen Archenkerns. Dies führt zu einem fordernden Endboss, dessen Finale das Gefühl vermittelt, etwas bewegt zu haben.
Auch wenn dieser Abschluss nach einer letzten Story-Handlung klingt, auf welches die Credits der Entwickler folgen sollten, steht man nach Abschluss aller Hauptmissionen wieder in der offenen Welt, denn Defiance als MMO kennt kein Ende – und zukünftige DLCs werden sicherstellen, dass auch die Story rund um die gewonnenen Freundschaften keines kennt.
Lass meine Granate deinen Körper schmücken
Zahlreiche Monster warten in Defiance auf zerbombten Straßen und krabbelige Käfer lauern unter dem Erdboden. Eigentlich unterscheidet das MMO nur sechs Feindgruppen, wobei diese nochmals mehrere Einheitenarten und Elite-Ableger beinhalten. Gepaart mit der Randnotiz, dass Abenteurer im Online-Shooter wirklich Tausende von Feinden dem Erdboden gleichmachen, klingt das Ganze nach einer ziemlich eintönigen Mischung. Durch die Verschiedenartigkeit der Gruppen ist dem aber keineswegs so. Zumal sich nicht die Frage stellt, wer im Kampf vor einem steht, sondern wie er in die Luft zu bomben ist. Da ist es einerlei, ob eine Horde krabbeliger Hellbugs mit einem Patronenschuss ihre Einzelteile präsentiert oder Einheiten der Dunklen Materie meinen, sie könnten mithilfe von Tarnung und Schilden ihr Leben retten. Der Kampf macht einfach einen Höllenspaß, auch wenn beispielsweise einige Schrott-Schläger ziemlich anspruchsvoll sind und das Treffen einer bestimmten Panzerstelle erfordern. Anderen Zeitgenossen fehlt es an einer ausgiebigen KI, während sie uns vor die Flinte marschieren. Andererseits möchten wir uns nicht vorstellen, was passierte, würden sich die gerne in Massen auftretenden Feinde immer taktisch verhalten. Die aktuelle Mischung kommt dem MMO-Anspruch doch sehr zugute.
Dass man sich, gestärkt durch viele dieser Abschüsse, gerne selbst als Held der Helden sieht, ist vor allem der Waffenvielfalt in Defiance geschuldet, denn für alle Situationen findet sich im Repertoire des Shooters die passende Tötungsmaschine. Da macht es einen bedeutenden Unterschied, ob man Monsterhorden eher mit einer Schnellfeuerwaffe wie der VBI Angriffswaffe begegnet oder sie mit dem FRC Crash Boomer allesamt zur gleichen Zeit trifft. Letzteres macht insbesondere bei den Defiance-Aushängeschildern, den Hellbugs, Spaß. Einfach ein Höllenfeuer, die Erfahrungspunkte nur so sprudeln zu sehen. Da möchte man fast nicht meckern, auch wenn man anmerken sollte, dass sich viele nach kürzester Zeit wohl ihren Favoriten unter den Waffentypen herauspicken werden. Es scheint auch nicht wirklichlich sinnvoll, gleich zu Beginn alle Varianten auszuprobieren, denn mit anhaltender Verwendung einer Waffe levelt man den eigenen Skill im Umgang mit ihr. Sobald wir uns Stufe 5 unter den Sturmgewehren sicher waren, blickten wir beispielsweise auf einen Bonus im Nahkampf.
EGO: Endlich künstliche Intelligenz
Das eigentliche Skillsystem von Defiance beherbergt aber das EGO-Raster. Dieses ist denkbar simpel und doch tiefgründig. MMO-Fans wird es erstaunen, dass sie keine Fähigkeitenleiste im Interface erkennen. Spielern steht nur ein einziges von vier Talenten zur gleichen Zeit bereit. Wir freundeten uns mit der Tarnung an, die uns ein heimliches Auflauern aus dem Hinterhalt ermöglicht. Tricks wie die Überladung andererseits erhöhen für kurze Zeit den Waffenschaden massiv. Was gilt es aber bei nur vier Fähigkeiten zu leveln? Das Fortschrittssystem in Defiance baut insbesondere auf die Perks. Dies sind passive Boni, von denen maximal neun zur gleichen Zeit ausgerüstet werden und welche Extras wie einen erhöhten Schaden bei gehockter Haltung mit sich bringen. Bei 80 möglichen Perks kommt es doch schon auf die eigene Skillung an, denn man will ja nicht Boni nutzen, die zum eigenen Spielstil nicht passen. Im PvE aber spürt man die Konsequenzen falsch eingesetzter Perks nicht wirklich. Insgesamt entscheidet die individuelle Vorliebe, ob einem das EGO-System zusagt. Wer das Beherrschen unzähliger Tastenkombos satt hat, kommt auf seine Kosten. Außerdem steht das Ganze einem Shooter doch schon sehr.
Es zählt der Spaß!
Es kommt aber nicht immer nur auf Perks, Fähigkeiten, Skills, Talente, Erfahrung und all den anderen Kram und Schnickschnack an, mit dem sich Hardcore-Gamer doch so gerne schmücken. „Ich will Spaß“ war immerhin nicht umsonst einer der Number-One-Hits des Jahres 1982. Dreißig Jahre später trällerten die US-Entwickler von Defiance wohl auch täglich diesen deutschen Song und stellen nun mit einer Handvoll interessanter Gameplay-Features auch den Casual-Spielern eine große Freude zur Verfügung. Überall in der Welt stoßen Kunden von Trion Worlds auf Ableger der Spielmodi „Amoklauf“, „Time Trial“ und „Hotshot“. Kurios wirken im Shooter wohl vor allem die Time Trials, denn hier durchkreuzen Hobby-Racer im Kampf um die Goldmedaille Checkpoints und ringen um Bestzeiten. Die drei besten Spieler finden sich im Top-3-Ranking wieder. Mindestens ebenso interessant sind die Amokläufe. Für die Bezeichnung können wir nun wirklich nichts – und wir würden gerne die political correctness wahren. Die Aussage, dass die Amokläufe amüsieren, gehört dennoch an diese Stelle. Mit der Gatling Gun richtet man zum Beispiel sein Fadenkreuz auf anströmende Monsterhorden und sieht sie zerfallen. An anderer Stelle, gemeint ist der Hot-Shot-Ableger „Reservoir-Hühner“, geht es auch nur um das Beseitigen von Hühnern. Das war schließlich schon bei Moorhuhn kein Problem, oder?
Diese Fun-Features sind durchaus freiwillig. Wer sich aber fleißig durchmausert, schaltet Fortschritte im umfassenden Erfolgssystem von Defiance und damit auch Outfits frei. Dadurch steigt man zudem im EGO-Level auf, was den Zugang zu neuen Perks freischaltet. Eine sinnvolle Einbringung der Erfolge, die dazu motivieren, die Spielwelt in all ihren Facetten zu entdecken.
Trion, ich glaube wir haben ein Problem.
Kommen wir bei PlayMassive nun aber einmal zum Kerngeschäft. Denn Solo-Herausforderungen wie die Time Trials oder die Kampagnen-Missionen, die sich im Alleingang lösen lassen, werfen vor allem eine Frage auf: Wo ist das versprochene MMO? Auf alarmierende Art und Weise verzichtet Defiance auf wirklich mehr als die besagten NPC-Charaktere, es fehlt an großen Siedlungen, die zum Plauschen einladen, der Chat ist von den Möglichkeiten her eine Katastrophe, weil insbesondere auf Voice-Speaking gesetzt wird (Konsolen-Versionen lassen grüßen?), es gibt kein Auktionshaus, kein wirkliches Handwerk und keine Schlachtzüge. Ob hier in der Tat die Alarmglocken angehen, kommt vor allem auf die eigene Erwartung und die Art an, mit der man Trion in der Vergangenheit zu verstehen glaubte. Die Betitelung als Shooter in einer persistenten Welt sowie die massiven dynamischen Events verbreiteten insbesondere die Erwartung eines vollwertigen MMOs. Anhänger dieser Haltung könnten enttäuscht werden, auch wenn die Story umwerfend erzählt wird.
Willkommen im Feuerregen, im dynamischen Feuerregen
Nun ist es aber nicht so, als hätten die Entwickler die persistente Onlinewelt ohne Sinn und Verstand geschaffen. Viele Features laden durchaus zum Zusammenspiel ein. Wir fragen uns nur, wie langfristig motivierend dieses Vergnügen ist. Im PvE stoßen insbesondere RIFT-Spieler auf Altbewährtes in Form dynamischer Ereignisse. In Defiance nennt sich das dann Archenfall. Erblickt man ein rot markiertes Gebiet auf der Karte, steigt man am besten auf sein Quad und flitzt auf der Suche nach epischen Kämpfen und netten Belohnungen zum Ort des Geschehens. Archenfälle sind dynamische Ereignisse, die urplötzlich erscheinen und diverse Herausforderungen stellen. Große Gruppen bekämpfen beispielsweise einen Kern, indem sie die umliegend erscheinenden Feinde zur Strecke bringen und sich den fallen gelassenen, hochtechnologisierten Waffen bedienen. Andere Varianten sehen die Ausmerzung von Gegnerwellen vor. Nach all diesen Zwischenstufen können sich Teilnehmer aber insbesondere einem gigantischen Endszenario sicher sein.
Darin kommt es zum epischen Treffen mit dem Quell des Bösen. Wer in der Vergangenheit Screenshots gigantischer Brutmutter-ähnlichen Monstergewalten sah, weiß spätestens jetzt, woher sie stammen. In diesen Archenfällen geht das Konzept von Defiance vollkommen auf. Dutzende von Spieler schließen sich spontan in einer offenen Welt zusammen und beseitigen Gefahren, die sie in einem Solospiel nicht zu bewältigen in der Lage wären. Wegen ihrer monotonen Gestaltung drohen aber auch die Archenfälle auf Dauer zu langweilen. Wir hoffen inständig, dass sich die Masse ebenso wie wir von den gigantischen Explosionen am Ende der Archenfälle begeistern lässt.
Schattenmissionen: 64 vs. 64 in der offenen Spielwelt
Massiv geht es auch in den gebietsspezifischen Schattenmissionen zur Sache, wodurch wir vorübergehend den Sprung vom PvE zum PvP gemeistert haben. 64 vs. 64 in der offenen Welt? Das klingt durchaus überzeugend und bildet eine Kernkomponente von Defiance. Dabei laufen die Schattenmissionen parallel in den verschiedenen Regionen der virtuellen Welt ab. So stürzen wir uns in Mount Tam in eine massive Schlacht, in der es um das Halten und Verteidigen von Wegmarken geht.
Punkten kann das besondere Feature dabei vor allem durch seine Schnelllebigkeit. Die Missionen, die in der offenen Welt ausgetragen werden, ermöglichen den Teilnehmern den Zugriff auf ihre Fahrzeuge und so ist das Erreichen der Ziele ein Kinderspiel. Während die Belohnungen in den Schattenmissionen überzeugen, zweifeln wir an der taktischen Vielfalt des Ganzen. Gerade auch in Mount Tam zeigt sich die Schwäche der PvP-Kämpfe. Der Austragungsort besticht durch offene Landstriche, nur die einzunehmenden Wegmarken betten sich in Felsformationen ein und gewähren so etwas Schutz. Im offenen Feld haben dadurch vor allem Sniper ein leichtes Spiel, da es den Anwendern von Sturmgewehren etwa an einer Möglichkeit fehlt, schnell das Weite zu suchen. An den Wegmarken wird es hingegen schnell unübersichtlich, was die Schattenmission in Mount Tam immerhin nicht steif wirken lässt. Insgesamt fallen die Feinde aber sehr schnell um und es bleibt kaum Chance zu reagieren, befindet sich ein Feind plötzlich in einem nahen Hinterhalt. Dadurch sind Taktiken wie der rasche Einfall einer Truppe auf ihren Fahrzeugen möglich.
PvP mit mauen Aussichten
Es rät sich als PvP-Spieler, an den Schattenmissionen von Defiance Gefallen zu finden, denn die regulären PvP-Battles auf instanzierten Karten sind kein großer Anker der Hoffnung. Drei Karten zieren aktuell die Auswahl des Shooter-MMOs. Dabei handelt es sich auch um zwei Team-Deathmatch-Varianten, die keine großen Begeisterungsstürme auslösen. Nehmen wir zum Beispiel die Karte Observatorium. Mit sieben Verbündeten tritt der eigene Trupp gegen acht Feinde an. Dabei gilt es, vor den Kontrahenten eine vorgegebene Tötungsanzahl zu erreichen. Die Karte hat durchaus ihren Charme. Anhöhen liefern Positionen für Scharfschützen, während vielfältige Wege Bewegungsfreiheit garantieren. Was dem Ganzen fehlt, ist das Besondere. Die Matches sind binnen kurzer Zeit absolviert und auch die am Ende erreichten Medaillen sind nur ein kleiner Wehmutstropfen, wenn man berücksichtigt, dass man all das in größerer Auswahl und größerem Detailreichtum von Shootern wie Battlefield 3 bekommt. Es fragt sich, wie dabei die Langzeitmotivation ausfällt.
Hier tröstet höchstens noch das Modifikationssystem für Waffen, denn Defiance bietet diesbezüglich unendlich viele Mods und verhilft zu unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Wahl der Waffenboni. Vielen der Modifikationen in Defiance fehlt es aber insbesondere anfänglich an spürbaren Fortschritten. Ein 0,2 Plus beim Radius macht auch keinen nennenswerten Unterschied, wenn man sich schon bei einer Reichweite von 4,6 befindet. Man muss also durch den anhaltenden Fortschritt schon auf das besondere Equipment hinarbeiten, irgendwie, denn die Situation bessert sich sichtlich im Endgame. Wen das in Anbetracht der begrenzten Möglichkeiten überzeugt, dem sei gratuliert.
Dann doch lieber Koop
Nachdem sich der Menge insbesondere das PvP womöglich als Enttäuschung des Endgames offenbart, hält Defiance einen Rettungsanker in der Hinterhand und schafft mit den als Koop-Missionen getarnten Dungeons gelungene MMO-Momente. Der Zugang zu neuen Herausforderungen wächst dabei mit steigendem EGO-Level. Nach fünf von sieben abgeschlossenen Missionen, die von vier Spielern absolviert werden, lässt uns diesbezüglich nämlich nichts daran zweifeln, dass diese Instanzen für Unterhaltung sorgen.
Dabei versorgen die Dungeons die Community keinesfalls mit nur tötbarem Material. Wie für Defiance üblich und serienreif, bettet Trion Worlds das Ganze in eine von Zwischensequenzen begleitete Handlung ein. In „Motherlode“ stürzt man sich als Gruppe in die Mine 99 und lauert einer unangenehmen Gefahr auf, zumal es sich hier 99ers bequem machen. Am Ende wartet stets ein packender Bosskampf auf das Spielerteam, wodurch die Mission ihren Höhepunkt erreicht, denn diese Feinde zeugen von einem Charakter des Bösen und sind vom Designerteam wirklich atemberaubend umgesetzt. Geltung besitzt diese Aussage sowohl für den wunderschönen Motherlode, als auch für den sabernden Raider-Koloss.
Letztlich hoffen wir für die Zukunft aber auch auf etwas kniffligere Koop-Missionen, denn das aktuelle Pensum lässt sich ohne große taktische Herausforderungen meistern. Auch einige Zwischenbosse hätten in zukünftigen DLCs die Möglichkeit, den stellenweise schlauchenden Weg zum Endgegner aufzulockern.
Technisch (fast) immer eine Wucht
Für diese Inszenierungen, die nicht nur in den Koop-Missionen für Spannung sorgen, braucht es eine überzeugende Grafik und Soundkulisse. Hier wollen wir ohne Einschränkung sämtlichen Kritiken, sei es seitens der Presse oder Community, einen Absatz des Widerstandes widmen, denn an der Optik von Defiance ist kein Funken auszusetzen. Die Grafik ist für ein MMO durchaus zeitgemäß und kann es sich kaum erlauben, noch größere Sprünge zu machen, denn insbesondere während der Archenfälle würden zu hohe Systemanforderungen den MMO-Gedanken zerstören. Stattdessen stellen fantasievolle Vegetationsformen neben akzeptablen Texturen und zahlreichen Lichteffekten die überzeugende Atmosphäre dieser Sci-Fi-Welt sicher. Die Charaktere der NPCs sind detailliert modelliert, was der Story Tiefgang verschafft.
Auch der Sound im Hintergrund beweist moderne Klänge, die zur Aufmachung der Welt passen und qualitativ überzeugen. Dass hier keine Panflöten den Soundtrack zieren, stimmt erleichtert. Letztlich hätte sich Trion Worlds aber einige technische Ungereimtheiten wie verschwindende Brücken, Serverausfälle nach dem Launch und ausbleibende Pre-Order-Belohnungen sparen dürfen. Insgesamt läuft Defiance aber sehr stabil. Ein ganz großer Negativpunkt bleibt allerdings trotz generell technischer Stabilität übrig, denn die Spieler von Xbox 360, PlayStation 3 und PC werden in verschiedenen Welten beherbergt, was langfristig eine große Gefahr für den MMO-Charakter darstellt, sobald die Spielerzahlen insgesamt sinken.