
Juli 2010: Need for Speed geht online. Doch hat Electronic Arts damit tatsächlich auf die richtige Karte gesetzt? Äußerst begrenzte Modi, ein Free2Play-Spiel, das zum Weiterspielen schon bald 20 Euro verlangte, keine Abwechslung. EA hatte Need for Speed Fans eher vergrault und die Community wollte nicht so recht wachsen. Need for Speed World hätte als fehlgeschlagenes Experiment eines MMO-Rennspiels wieder in der Kiste verschwinden können. Stattdessen nahmen sich die Entwickler die Kritikpunkte vor und versuchten diese nach und nach zu beseitigen. Ob sie Erfolg hatten und ob sich der Einstieg nun lohnt, erfahrt ihr im Test.
Das holprige Jahr 2010
Von Anfang an bekam Need for Speed World überwiegend kritische Beurteilungen. Dies lag vor allem daran, dass man, bis der Charakter Level 10 erreicht hatte, ohne Probleme mit seinem Auto Rennen bestreiten und den fahrbaren Untersatz tunen konnte. Danach war aber Schluss! Um darüber hinaus zu kommen, war es notwendig das "Starter-Paket" für 20 Euro zu kaufen. Bis dahin bot das MMO etwa sechs bis acht Stunden Spielzeit. Dieser eindeutige Fehler wurde jedoch bereits nach etwa einem Monat nach dem Release behoben. Natürlich zum Unmut derer, die das Paket gekauft hatten. Als Entschädigung gab es Mietwagen aus höheren Stufen. Ein schwacher Trost, der hier sicherlich den ein oder anderen abspringen ließ. Dennoch war dies der richtige Weg. Die Community des Free2Play Spiels wuchs seit diesem Zeitpunkt.
Weiteres schwerwiegendes Problem war die mangelnde Abwechslung. In der riesigen Spielwelt gab es kaum etwas zu tun. Es war lediglich möglich, Rennen zu fahren – entweder im Sprint oder auf Rundkursen. Die zweite Möglichkeit, seine Zeit online zu verbringen, waren die Need for Speed-typischen Verfolgungen. Wie in GTA beginnt hier die Verfolgung durch die Polizei nach einer simplen Berührung eines Streifenwagens. Das war alles.
Neue Spielmodi
In einer derart langweiligen Spielwelt möchte man natürlich kaum länger verweilen. Deshalb wurden neue Spielmodi implementiert. Bei der "Team-Flucht" müssen vier Fahrer innerhalb eines bestimmten Zeitlimits vor der Polizei flüchten. Dabei muss man eine bestimmte Strecke zurücklegen und sollte sich nicht von der Masse der Streifenwagen einkreisen lassen. Ansonsten wird man von den Cops verhaftet. Wenn man es hier bis zum Ende schafft, dann winkt nicht nur mehr Geld als bei normalen Rennen, sondern auch eine goldene Belohnungskarte, die man sonst nur als Erstplatzierter erhält. Ein Modus, der funktioniert indem die Spieler auch mal kooperativ Rennen fahren können.
Die "tägliche Schatzsuche" soll vor allem dazu anregen, die immens große Spielewelt von Need for Speed World mal ordentlich abzufahren und zu entdecken. Ein Juwel auf der Karte gibt die Umgebung an, in der sich die 15 Juwelen des Tages befinden. Nun gilt es den Bereich darum herum genaustens abzusuchen. Somit lernt man Gegenden kennen, in denen man vorher noch nicht war, da man die entsprechenden Strecken dieser Region noch nicht freigeschaltet hat. Die Schatzsuche ist durchaus motivierend und dauert – je nach Erfahrung in der Gegend – zwischen zehn und zwanzig Minuten. Eine sehr willkommene Abwechslung.
Der Einstieg
Zu Beginn wird man erstmal mit der Profilerstellung beauftragt. Diese beschränkt sich hier allerdings auf den Namen und die Wahl eines vorgefertigten Bildes. Danach geht es an die Auswahl des Wagens, aber nur mit einem geringen Anfangsbudget von 35.000 der Ingame-Währung: Geld. Somit gilt leider: "Nur gucken, nicht anfassen!". Die Autos werden in drei Leistungstufen unterteilt, so dass ohnehin zu Beginn nur Autos der ersten Stufe in Frage kommen. Mit dem Budget kann man sich zwischen sechs Boliden von fünf verschiedenen Marken entscheiden. Andere Fahrzeuge sind aufgrund des noch zu geringen Levels oder aus finanziellen Gründen weit entfernt.
Nach der Wahl des Startwagens wird man vom Spiel ins kalte Wasser geschmissen. Das erste Rennen steht an, allerdings nur gegen Computergegner. Sofort brettert man mit 199 km/h durch die Innenstadt, vorbei an Kleinwagen, die scheinbar gerade ihren Einkauf mit lächerlichen 50 km/h nach Hause bringen. Tatsächlich können diese aber auch leicht zu Unfällen führen. An die Seite fahren die beweglichen KI-Hindernisse nämlich niemals, eher kreuzen sie lustig die Straße – sehr zum Missfallen des Spielers, der in einem Unfall sehr viel Zeit verliert. Andere Hindernisse bremsen den Spieler selten ein. Bäume werden beim Aufprall entwurzelt, Blockaden fliegen weg. Dinge, auf die man sich in der Realität nicht verlassen sollte.
Das Geschwindigkeitsgefühl ist aber durchaus gut, genau wie die Bedienung des Wagens über die Pfeiltasten oder die Tasten "W-A-S-D". Zusätzlich gibt es auch die löbliche Möglichkeit per USB-Controller (also beispielsweise per Xbox 360-Controller) zu steuern.
Ein Rennspiel mit Rollenspielelementen?
Direkt nach den Rennen erhält man Prestigepunkte, die die Erfahrungspunkte in Need for Speed World darstellen, und Ingame-Geld. Nachdem nach zwei Rennen gegen die KI-Gegner Level zwei erreicht ist, offenbart sich dem Spieler ein Fertigkeitenbaum. EA nimmt den MMO-Ansatz also durchaus ernst und etabliert ein Verbesserungssystem für die Fertigkeiten. Hier ist es möglich, Verbesserungen für das Rennen, die Verfolgung oder das Erkunden zu sammeln. Beispielsweise kann man die Dauer oder die Leistung des Nitros geringfügig verbessern, oder sich eine schnellere Flucht ermöglichen. Generell bringen die Fertigkeiten allerdings lange nicht so viel, wie einfach das bessere Auto zu haben. Der "Skilltree" ist zwar eine nette Idee, allerdings nicht wirklich ausgereift und somit relativ nutzlos.
Der Kern des Spiels: PvP
Mit Level zwei lässt einen das Spiel nun auch endlich auf den Multiplayer los. Sofort steht man mit mehreren Autos mitten auf der Straße – in der "Oberwelt" ohne Kollisionsabfrage. Ein wenig befremdlich ist das gemeinsame Rumstehen schon, die riesige Welt dient zumeist nur als eine Art Wartezimmer für die Rennen. Es kann gut und gerne vorkommen, dass man auf etwas abgelegenen Straßen fünf Minuten lang keinen anderen Wagen sieht.
Es ist weiterhin möglich, Rennen als Einzelspieler zu fahren, jedoch bringt dies de facto keine Vorteile. Man bekommt weniger Prestige und Geld sowie lediglich blaue Belohnungskarten. Stellt man sich aber der Herausforderung gegen andere menschliche Spieler, sind Prestige und Geld – natürlich auch platzierungsabhängig – deutlich mehr und die ersten Plätze erhalten, gemäß ihrer Platzierung, eine goldene, eine silberne oder eine bronzene Belohnungskarte.
Außerdem will sich natürlich jeder ambitionierte Rennfahrer auch mit anderen messen. Anfangs gibt es noch relativ wenige Strecken zur Auswahl. Dieses Sortiment erhöht sich allerdings per Levelanstieg. Mitspieler zu finden ist auch nicht schwer, man klickt auf das gewünschte Renn-Ereignis, dann auf Multiplayer und schon sucht das Spiel weitere Interessenten. Dies geht zumeist so fix, dass man innerhalb von zehn Minuten drei bis vier (recht kurze) Rennen schaffen kann, so dass flotter Arcade-Rennspaß fast garantiert ist.
Leider ist er aber nur fast garantiert. Einige Spieler haben das Spiel scheinbar mit einer Rammbock-Simulation verwechselt und drängen die anderen Fahrer direkt am Start an die Wand, was viel Zeit kostet. Nach einem ausgiebigen Startunfall findet man sich dann auf dem letzten Platz (bei voller Spieleranzahl auf dem achten) wieder und versucht, sich mühevoll wieder heranzukämpfen. Leider wartet auf Platz sieben der nächste passionierte Rammbock. Glücklicherweise ist die Anzahl dieser Bremser in letzter Zeit geringer geworden, so dass zumeist faire und vernünftige Rennen funktionieren.
Hierzu gehört natürlich auch, gegen etwa gleichstarke Gegner anzutreten. Dazu sind manche Strecken auf bestimmte Level beschränkt, so dass sich dort kein besonders schnelles Fahrzeug einfinden kann. Andere Strecken haben diese Beschränkungen nicht, dennoch sind gegnerische Free2Play Spieler selten überlegen. Da fallen die Rammaktionen viel negativer ins Gewicht. Neben der Einzelspieler- und der Mehrspieleroption gibt es auch noch das private Spiel. Hier lädt man Freunde in seine Gruppe ein und fährt nur mit diesen seine Rennen. Außerdem ist im privaten Bereich auch der Voicechat möglich.
Der klassische Nitro und Weiteres – Die Powerups
Unter den Belohnungskarten finden sich neben seltenen Tuningteilen bevorzugt Powerups. Es gibt allem voran den Nitro, den Geschwindigkeitsschub, der in relativ geringen Abständen mehrfach benutzt werden kann. Bei höheren Geschwindigkeiten wird das sonst sehr intuitive Fahrverhalten der Boliden jedoch etwas schwammig, so dass Nitros in Kurven nicht gerade intelligent sind. Der "Verkehrsmagnet" sorgt dafür, dass alle Stadtfahrzeuge ihre gewöhnliche Route so ändern, dass sie versuchen, den Erstplatzierten zu rammen. Auch das obligatorische Schild zum Schutz des eigenen Fahrzeugs ist dabei. In den Verfolgungen oder bei der Teamflucht kommen andere Powerups zum Einsatz. Per "Schwergewicht" steigert sich das Tempo und das Gewicht – gut zum Rammen. Auch das "Notfallmanöver" dient selbigem Zweck.
Obwohl das Powerup-System die ein oder andere gute Idee hat, sind die Auswirkungen doch recht gering. Die Need for Speed-Powerups können mit dem ausgefeilten Powerup-System eines Blurs oder der Kreativität eines Mario Karts nicht mithalten. Vielleicht wollen die Entwickler aber auch einfach den Fokus auf den klassischen Rennsport legen.
Dutzende Individualisierungsmöglichkeiten – Das Tuningsystem
Im Stützpunkt gibt es die Möglichkeit Autos zu kaufen, die eigenen Fahrzeuge zu verbessern, oder zu verschönern. Beim Tuning gibt es nun nicht mehr, wie anfangs, lediglich einige magere Verbesserungen in größeren Paketen. Nun sind diverse Einzelteile nur mit richtigem Geld zu kaufen, einige allerdings auch mit normalem Ingamegeld. Damit kann man das Auto in der Höchstgeschwindigkeit, der Beschleunigung und dem Handling verbessern. Dabei sind beispielsweise ein neuer Motor oder neue Bremsen Tuningteile. Relativ früh sollte man seine Entscheidung treffen, ob man auf ein neues Fahrzeug sparen oder doch das eigene Auto weiter verbessern möchte.
Kosmetischer Natur sind die Unterbodenbeleuchtung, getönte Scheiben oder Vinyls zur Veränderung des Aussehens. Somit besteht zumindest die Möglichkeit, dass nicht jedes Fahrzeug dem anderen gleicht. Tatsächlich sparen die Spieler aber häufig lieber auf Tuningteile als auf das Aussehen größeren Wert zu legen.
Wer sich nun für einen Fahrzeugkauf mit echtem Geld entscheidet, der darf sich nicht gerade auf kleine Preise einstellen. Ein Porsche 911 kostet umgerechnet etwa 15 Euro – und das für ein einziges Auto.
Grafik, Sound und Streckendesign
Die Fahrzeuge selbst sind hübsch und detailliert gestaltet. Das starke Lizenzpaket mit allen wichtigen Automarken ist natürlich ein Pluspunkt, auch wenn man als normaler Spieler einige Zeit für seinen Lieblingswagen sparen muss. Dann gibt es die riesige, frei befahrbare, aber leider auch karge Welt. Zumeist muss man sich bei den Rennen mit einer recht leblosen und ähnlich aussehenden Stadt zufriedengeben. Teilweise sind die Texturen auch etwas grob oder matschig. Ein Blick nach oben lohnt sich hingegen. Der Himmel ist recht hübsch geworden, nur leider schaut man bei einem Rennspiel natürlich recht selten dorthin. Durch Nachtrennen, die auch erst später implementiert wurden, wird zumindest für ein wenig grafische Abwechslung gesorgt. Dennoch möchte so richtige Rennatmosphäre auf den Strecken nicht aufkommen, vielleicht auch, weil anfangs immer wieder die gleichen Strecken befahren werden müssen.
Auch der Sound ist nicht perfekt gelungen. Der Motorensound ist zwar gut, weitere Musik ist aber ziemlich selten und wenn, dann handelt es sich im normalen Modus um ein und dasselbe Musikstück. Im Verfolgungsmodus bekommt der Spieler einen schnelleren und rythmischeren Sound geboten, der gut zu Verfolgungsjagden passt. Außerdem ist der angenehme deutsche Polizeifunk erwähnenswert, der sich selten wiederholt und oft authentisch klingt.