Ist Zocken Sport? Die Politik sagt nein, die Branche ja. Aber weshalb eigentlich? Wir haben mit einem Esportler gesprochen. Jan Köhler erklärt, was es mit dem Streit auf sich hat. Und warum Esports nicht offiziell anerkannt sein muss, um Deutschland und die Welt zu erobern.
Esports – Auch ohne offizielle Anerkennung stark
Wenn Politik auf Games trifft, dann knirscht es oft gewaltig. Man denke nur an die unsägliche „Killerspiel“-Debatte, die seit dem Amoklauf von Erfurt 2002 in Köpfen und Mündern vieler Machthaber sitzt. 2005 brachten CDU/SPD in ihren Koalitionsvertrag sogar ein Verbot „gewaltverherrlichender Spiele“ ein, das so jedoch nie durchgesetzt wurde.
Zum Glück: Denn welche Titel genau betroffen gewesen wären, konnte die Politik nicht definieren. Ein Rundumverbot hätte gedroht.
Umso größere Augen machte die Branche, als die 2017 gewählte Große Koalition in ihrem Regierungspapier das Ziel nannte, Esports offiziell als Sport anzuerkennen. Noch so ein Streitthema, das immer wieder köchelt und in schöner Regelmäßigkeit entflammt. Ach, wie wunderbar und unverhofft kam da das Zugeständnis von Kanzlerin Angela Merkel und den Parteien. Doch so einfach ist es nicht. Mal wieder.
Olympia redet mit
Denn im Fall des sportlichen Wettkampfs zwischen Zockern hat auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ein Wort mitzureden. Zunächst hieß es von deren Seite, der Esport sei kein Sport, da ihm eine „eigenmotorische Leistung“ fehle. Kein Schweiß, kein Sport, vereinfacht gesagt. Eine Frage drängt sich da sofort auf: Was ist mit Schach? Eine Ausnahme, sagt der DOSB. Für Esports ebenfalls eine machen: undenkbar.
Dabei gewinnt das wettbewerbliche Gegeneinander-Zocken auch außerhalb der Wohnzimmer mehr an Bedeutung, viele Sportvereine wie etwa Schalke oder Eintracht Frankfurt gründen Teams, Events füllen riesige Arenen, Ligen locken tausende Zuschauer vor die Bildschirme. Und eine enorme Zahl an Ländern – auch in Europa – hat Esports bereits anerkannt, etwa Schweden oder Bulgarien.
Aber der DOSB will nicht. Erst Anfang Dezember verschärfte sich die Debatte, der DOSB unterscheidet nun zwischen „eSport“ und „eGaming“. Also zwischen Titeln, die wie Fifa einen „echten“ Sport simulieren und solchen, die das nicht tun – darunter fallen die meisten beliebten Esport-Titel, etwa Fortnite, League of Legends oder Overwatch. Einige Politiker verfielen in Folge der Entscheidung in alte „Killerspiel“-Muster und vergriffen sich im Ton, statt sinnvoll zu argumentieren. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) etwa sprach davon, man müsse Esports als Begriff „ausradieren.“ Eine misslungene Wortwahl, die an ganz, ganz düstere Zeiten erinnert.
Experten sehen die Sache anders
Der Esport-Bund Deutschland will das nicht auf sich sitzen lassen und fordert mehr Offenheit von Politik und DOSB. In dieser Debatte, da steckt noch viel Pulver drin.
Wie viel, darüber haben wir uns mit Jan Köhler unterhalten. Seit März 2017 organisiert er an der Goethe-Universität Frankfurt „University eSport“ im Hochschulsport. Seine Truppe hat aktuell über 350 Mitglieder. Die Teams nehmen an Turnieren, Ligen und Wettkämpfen teil, etwa an der „University eSports Germany Liga“ (UEG). In „Overwatch“ und „Rocket League“ gewannen die Frankfurter die deutschen Hochschulmeisterschaften. Anfang Dezember hat Köhler darüber hinaus den ersten Esport-Verein in Frankfurt gegründet, den 1. eSport Club Frankfurt.