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Esports: ESL im Gespräch: eSports früher und heute

Vor über 12 Jahren hatte die Electronic Sports League, kurz: ESL, ihren ersten Livestream-Event – mit gut 50 Zuschauern. Heute füllt sie ganze Stadien, im Sommer auch hier in Deutschland. Wir haben uns mit David Hiltscher von der ESL über die Entwicklung des eSports unterhalten und wollten wissen, wohin uns der Weg der videospielerischen Zuschauerkultur noch führen wird.

PlayNation: Was ist die ESL genau und was macht sie?

David Hiltscher: Die ESL ist die größte eSports-Liga der Welt. Uns gibt es seit 2000. Wir machen Computerspiel-Turniere und -Events mit über 100 verschiedenen Spielen in ganz vielen verschiedenen Ländern. Wir haben über 300 Events ausgerichtet mit Live-Spielern vor Ort, Zuschauern vor Ort und übertragen das Ganze dann ins Internet über TwitchTV.

Im Juni seid ihr in der Commerzbank-Arena in Frankfurt. Wie seht ihr die Entwicklung von wenigen Hundert Zuschauern im Stream zu Zehntausenden in den Stadien? Ist es gut oder schlecht, dass immer mehr eSports schauen?

Es ist der Wahnsinn, dass es immer mehr wird. 2002 hatten wir unseren ersten richtigen Event, da waren 20 Leute im Keller eines Internetcafés, da gab es noch nicht einmal richtige Livestreams – es wurde zwar übertragen, es haben aber vielleicht 50 Leute zugeguckt. Das Problem war einfach, dass die Verbindungen noch nicht so weit waren.

Die Entwicklung der letzten Jahre begeistert und überrascht uns auch. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir so früh schon ganze Stadien füllen. Wir waren vor drei Wochen in Polen, in Kattowitz, mit den Intel Extreme Masters – der Weltmeisterschaft – und hatten dort 12.000 Leute im Stadion gehabt. Zudem haben über eine Millionen im Stream zugeguckt. Das ist eine Entwicklung, die wir in diesem Ausmaß gar nicht vorhergesehen haben.

Das ist eine Riesensache, es ist die neue Jugendbewegung, der neue Sport. Wir haben ja auch hier [auf der Quo Vadis] gehört, dass klassische Sportarten, die Olympiade oder selbst Fußball Probleme haben, die jungen Leute überhaupt noch für sich zu interessieren. Man spielt ein Spiel. jetzt hat man plötzlich auch die Möglichkeit, dort zuzugucken und man hat daran Spaß. Das ist der Sport der Zukunft.

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Wird eSports irgendwann einmal regulär im Fernsehen laufen?

Wir sind ab und zu schon im Fernsehen. Eine Zeit lang waren wir auf ZDF Kultur, in China sind wir immer mal wieder im Fernsehen. Früher dachten wir immer, wir müssten ins Fernsehen, aber insbesondere jetzt mit TwitchTV merken wir, wir brauchen das Fernsehen eigentlich gar nicht, eher das Fernsehen braucht uns.

Auch ZDF oder ARD oder selbst ProSieben und Sat.1 haben Probleme, die junge Zielgruppe noch für sich zu begeistern. Die jungen Leute schauen YouTube und TwitchTV. Da ist der interessante Content. Da sind eSports, da sind Let’s Plays und all der Gaming-Content, für den sich Leute interessieren. An irgendeinem Punkt wird das Fernsehen eher merken müssen: Oh, da haben wir einen Trend verschlafen. Dann werden sie zu uns kommen.

Wir verfolgen das ganze gar nicht mehr so massiv. Wir können unsere Zielgruppe auf TwitchTV sowieso viel besser erreichen. Jeder kann vom Handy, vom Tablet, vom Fernseher und vom PC einfach einschalten und zugucken. Beim Fernsehen ist das anders, da fängt um 20:15 Uhr eben deine Sendung an und die geht dann bis 21:00 Uhr. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir können einfach anfangen zu streamen, wenn der Event losgeht; und wir können so lange machen, wie wir wollen. Fernsehen ist nett, um vielleicht zusätzliche Leute zu erreichen, aber ich denke, die Leute, die das wirklich interessiert, finden das auch so über das Internet und gerade über TwitchTV. Das ist die große Änderung, die es in den letzten Jahren gab.

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Die Zahl der Spiele im eSports steigt. Wie habt ihr vor, das Ganze übersichtlicher zu gestalten? Plant ihr eine zentrale Newssendung, in der die Ergebnisse aller Events zusammengetragen werden? Kommt neben der ESL One bald auch die ESL Two?

Die ESL One ist darauf ausgelegt, dass wir sie für mehrere Spiele anbieten können. In den vergangen Jahren haben wir gelernt, dass es mehr Sinn für uns macht, Events zu veranstalten, die sich nur um ein Spiel drehen. Leute, die sich für das Spiel interessieren, kommen auf diesen Event und sehen eben genau dieses Spiel. Wenn du DotA 2 spielst, interessierst du dich meistens nicht für League of Legends. Es macht für uns keinen Sinn, zuerst DotA-2-Matches zu zeigen und danach noch League-of-Legends-Matches. Das ist für uns momentan der Weg. Wir konzentrieren uns darauf, für einzelne Spiele gute Wettbewerbe anzubieten, mit guten Sendungen und guten Livestreams.

Solche Newssendungen oder spielübergreifende Sendungen machen in der heutigen eSports-Szene nicht mehr so viel Sinn. Die Leute betrachten ihr Spiel als ihren Sport. Es gibt zwar auch Leute, die die Sportschau gucken, aber gut – die Sportschau guckt man eh wegen Fußball. Näher daran ist vielleicht das aktuelle Sportstudio im ZDF, dort versucht man ja neben Fußball noch Schwimmen, Reiten und mehr zu zeigen – aber das interessiert dann einfach keinen mehr. Die Leute wollen im Normalfall Fußball sehen. Wenn sie sich für Schwimmen interessieren, schauen sie eine andere, entsprechende Sendung. Die sportübergreifenden Sendungen sind eher ein Relikt aus der Vergangenheit. Das ist nicht die Zukunft.

In der Szene gilt eSports auch als Marketing-Tool. Meint ihr, dass Nichtspieler auch eSports schauen?

Es ist für uns nicht wirklich ein Problem. Über 100 Millionen League-of-Legends-Spieler gibt es derzeit weltweit, das ist schon eine ordentliche Zielgruppe. Ich bin jetzt 33 Jahre alt, habe mit 19 Jahren angefangen, Counter-Strike zu spielen und ich gucke jetzt immer noch Counter-Strike und ich werde in 10 Jahren auch immer noch Counter-Strike gucken. Da ist noch eine ganze Generation, die auch Counter-Strike schaut. Von daher werden die Games nach und nach größer werden. Man bleibt mit dem Spiel verbunden, je älter man wird, auch wenn einige Leute aufhören werden, das Spiel zu gucken.

Ich denke nicht, dass wir uns unbedingt um den Mainstream kümmern müssen. Es gibt genug Leute, die unsere Turniere gucken und das ist super für uns. Wenn man sich anschaut, was mit StarCraft jetzt in Korea passiert ist: Da war es genauso, wie auch hier in der westlichen Welt. Es haben zuerst nur Leute geguckt, die es auch gespielt haben; immer mehr Leute haben gespielt und immer mehr Leute haben zugeguckt. Es hat sich gegenseitig verstärkt. Ich denke, dieser Effekt könnte bei uns auch eintreten. Es wird eher dazu kommen, dass die Hausfrau zuhause anfangen wird, League of Legends zu spielen, anstatt dass sie anfangen wird, es zu gucken. Die Spiele sind nicht dafür gemacht, dass man einfach den Fernseher einschaltet und losschauen kann. Es sind schließlich Spiele. Sie sind dafür gemacht, dass man sie spielen kann.

Wir werden das Stadion in Frankfurt auch mit DotA-2-Spielern vollmachen. Es gibt genug Leute, die wollen DotA 2 sehen. Da machen wir uns gar keine Sorgen.

Das Interview führte Dustin Martin während der Games Week in Berlin.

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