Far Cry 4 entpuppt sich im Test als riesiger und prall gefüllter Sandkasten für Spieler mit einer Menge Zeit. Abgerundet wird der Trip in die wunderschön gelegene Bergregion Kyrat durch gewohnt gut ausgearbeitete und abgedrehte Charaktere sowie eine spannende Story samt abwechslungsreicher Missionen. Wem bereits Far Cry 3 gefallen hat, der wird Far Cry 4 lieben.
Der letzte Wille
Da will man einfach nur dem letzten Willen seiner verstorbenen Mutter nachgehen und deren Asche an ihrem Geburtsort verstreuen, schon kreuzt ein wahnsinniger Diktator unseren Weg und prompt befinden wir uns in einer ausgewachsenen Revolution – willkommen in Kyrat, willkommen in Far Cry 4.
Geschieht Protagonist Ajay Ghale aber eigentlich nicht ganz zu Unrecht, schließlich hat dieser die Einreisewarnung in den kleinen idyllisch im Himalaya gelegenen Staat Kyrat schlicht ignoriert. Aus Trauerbewältigung und letztem Willen wird also erst einmal nichts, zuvor muss noch mit dem selbsternannten Diktator und König Pagan Min gespeist werden, allerdings eher gezwungen, als aus freien Stücken. Anscheinend kennt dieser unsere Eltern und besonders unsere Mutter besser als wir denken. Selbstverständlich lehnen wir das nette Angebot nicht ab und machen erste Bekanntschaft mit den eher ungewöhnlichen Tischmanieren unseres Gastgebers. Als dieser einen wichtigen Anruf erhält, uns bittet kurz auf ihn zu warten und schließlich den Raum verlässt, beschließen wir kurzerhand Kyrat auf eigene Faust zu erkunden und das Essen stehen zu lassen – die hiesige Küche ist sowieso nicht ganz unser Fall.
Die anschließende Flucht hätte mit vollem Magen sowieso nicht funktioniert. Zu unserem Glück bekommen wir Hilfe von Mitgliedern des Goldenen Pfads und lassen den Despoten erst einmal hinter uns, zu einem nicht allzu freudigen Wiedersehen wird es in Zukunft bestimmt noch kommen. Doch erst einmal gilt es herauszufinden, welche Ziele unsere Retter verfolgen und welche Rolle unsere Eltern in der Vergangenheit gespielt haben.
Bevor wir uns aber weitere Gedanken über die Handlung von Far Cry 4 machen können, dürfen wir uns endlich auf der riesigen Karte austoben und fühlen uns zu Beginn ein wenig wie ein Kleinkind mit seinen Förmchen inmitten eines gigantischen Sandkastens. Regelmäßig werden wir, während wir uns auf dem Weg zu einer Mission befinden, vom selbigen abgelenkt und erkunden die Spielwelt, nehmen Vorposten ein, sammeln Pflanzen, weiden Tiere aus oder erledigen Nebenaufgaben. Unweigerlich müssen wir uns an Skyrim erinnern, das Ich-muss-nur-noch-kurz-diese-Truhe-plündern-Gefühl hat uns bereits nach der ersten halben Spielstunde wieder voll im Griff. Überhaupt entpuppt sich Far Cry 4, genau wie der Vorgänger, als ein wahrer Zeitfresser. Schnell sind einige Stunden herum und wir haben nur einen klitzekleinen Bruchteil von Kyrat zu Gesicht bekommen.
Die Qual der Wahl
Sind wir dann doch mal bei einer Mission angekommen, stehen wir des Öfteren vor der Qual der Wahl und müssen entscheiden, ob wir Aufträge von den beiden Rebellenanführern Amita oder Sabal annehmen. Beide verfolgen unterschiedliche Ziele und haben ihre eigene Sicht auf die Dinge. Während Amita auf Fortschritt pocht, möchte Sabal unter allen Umständen die Tradition erhalten. Im Verlauf der Handlung wird es immer schwerer zu entscheiden, welche Seite die Richtige ist. Denn nach und nach beginnen die Farben in einem Meer aus grau zu verschwimmen. Die Frage, die sich uns nach einigen Stunden stellt: Wer ist das kleinere Übel von beiden?
Stellen wir die Frage hinten an und besuchen die anderen Auftraggeber, die Ubisoft-typisch allesamt wunderbar verrückt gezeichnet sind. Besonders gut gefallen hat uns der Waffenhändler Longinus, der sich nach einer Vergangenheit als Warlord sowie einer Kugel im Hinterkopf perfekt in die Riege zwischen den irren Junkies Yogi und Reggie, den Streithähnen Amita und Sabal sowie dem größenwahnsinnigen Diktatoren Pagan Min fügt. Hier und da sind allerdings immer wieder sehr deutliche Parallelen zum Vorgänger zu erkennen. Der Antagonist erinnert ein wenig an den unvergessenen Vaas. Ubisoft hat hier aber ein gutes Gespür bewiesen und einen richtig starken Charakter erschaffen, der charismatisch und mit einem hohen Wiedererkennungswert daherkommt. Überzeugen kann auch die deutsche Vertonung, die durchweg auf hohem Niveau angesiedelt ist. Grafisch macht Far Cry 4 durchweg einen soliden Eindruck. Der Titel flimmert auf der PS4 zu jeder Zeit flüssig über den Bildschirm und überzeugt durch hübsche Partikel-Effekte, helle Farben und scharfer Optik – aber auch hier erinnert vieles an den Vorgänger.
Hoch hinaus
Um schneller von A nach B zu gelangen, stehen uns neben der praktischen Schnellreisefunktion diverse Fortbewegungsmittel zur Verfügung. Den Gleitschirm werden Veteranen noch aus Far Cry 3 kennen, damit gleiten wir lautlos über die wunderschöne Landschaft, die umgeben von den gigantischen Achttausendern des Himalayas schnell vergessen lassen, dass wir uns im Krieg und obendrein einige hundert Meter in der Luft befinden. Also konzentrieren wir uns auf die bevorstehende Landung. Kurz darauf bekommen wir ein wenig holprig wieder festen Boden unter den Füßen. Mit dem Gleitschirm lassen sich auch weitere Strecken relativ schnell zurücklegen, doch irgendwann sind wir zur Landung gezwungen. Wer länger in der Luft verweilen möchte und darüber hinaus gerne die volle Kontrolle behält, wird sich über ein neues Fluggefährt namens Gyrocopter freuen, mit dem wir ebenfalls beinahe lautlos durch die Wolken kreisen und unsere Feinde aus sicherer Entfernung aufs Korn nehmen.
Zu hoch solltet ihr allerdings nicht fliegen, denn aus unerfindlichen Beweggründen leidet der Mini-Helikopter an Höhenangst, eine ungewöhnliche Eigenschaft für solch ein Fortbewegungsmittel. Fliegen wir zu hoch, streikt plötzlich, in Kombination mit einem lauten Piepsen, der Rotor, anscheinend ist hier oben die Luft zu dünn. Da helfen nur noch ein geplanter Sinkflug und das Hoffen, das der Rotor wieder anspringt. Genug von der Fliegerei, probieren wir eine Neuerung in Far Cry 4 aus. Mit dem Greifharken dürfen wir an fest vorgegebenen Stellen im Spiel senkrechte Felswände erklimmen, an einigen Passagen schwingen wir uns sogar in bester Lara Croft-Manier über einen Abgrund, nur um uns nach einem kurzen Sprung an der nächsten Kante festzuhalten. Die Tatsache, dass wir uns im Hochgebirge befinden, lässt regelmäßig Berge vor unserer Nase auftauchen. So heißen wir das neue Klettersystem gerne willkommen und kraxeln ohne große Mühe in kürzester Zeit die steilsten Wände hinauf, insgesamt funktioniert das erfreulich unkompliziert, auch wenn wir uns gewünscht hätten den Haken nicht nur an vom Spiel vorgeschriebenen Stellen auszupacken.
Gemeinsam gegen den Rest
Wie in Far Cry 3 sind auch die bekannten Funktürme wieder mit von der Partie. Dieses Mal handelt es sich allerdings um Radiosender, die der Propaganda-Maschinerie dienen. Wie gehabt decken wir durch deren Deaktivierung einen weiteren Teil der Karte auf und bekommen, wie bei der Synchronisation in Assassin’s Creed, neue Orte und Missionen markiert. Wer genug Geld sein eigen nennt, darf Teile der Spielwelt übrigens auch gegen Bares aufdecken.
Selbst wer Haupt- und größere Nebenmissionen beiseiteschiebt, hat noch immer alle Hände voll zu tun. Neben kleineren Außenposten, gibt es in Far Cry 4 nun dicke Festungen, die stark bewacht werden und sich nur sehr schwer einnehmen lassen. Hier greift eine weitere Neuerung: Während der Koop-Modus in Far Cry 3 noch von dem Hauptspiel entkoppelt war, fügt sich dieser nun nahtlos in den Titel ein.
Stehen wir beispielshalber gerade vor dem gefühlt hundertsten Versuch eine Festung zu stürmen und haben bereits mehrfach in den Controller gebissen, können wir Hilfe anzufordern, entweder in Form von KI-Mitstreitern oder eines weiteren menschlichen Mitspielers, der jederzeit dem Spiel beitreten kann, um uns unter die Arme zu greifen. Lediglich die Story-Missionen lassen sich nicht gemeinsam bestreiten. Haben wir eine solche Festung erfolgreich eingenommen, ist das umliegende Gebiet permanent von den nervigen Royalisten befreit.
Besonders cool, wenn sich der Kollege per Greifhaken an unseren Gyrocopter hängt und wir versuchen die Soldaten des Regimes per Überraschungsangriff auf dem falschen Fuß zu erwischen. Noch cooler ist eigentlich nur noch die Erstürmung einer Festung auf einem ausgewachsenen Dickhäuter. Entweder wir lernen die passende Fähigkeit und reiten, wie einst Hannibal, geradewegs durch das vordere Tor herein und schießen dabei auf alle was sich bewegt, oder wir springen im richtigen Moment ab, verstecken uns in einer dunklen Ecke und lassen den Elefanten die Arbeit machen, da möchten wir nicht in der Haut unserer Gegner stecken. Insgesamt wirken die Elefanten allerdings ein wenig übermächtig und lassen sich nur sehr schwer ausschalten.
Wenig Platz für Fehler
Aber auch unsere KI-Kontrahenten geben uns nur wenig Platz für Fehler und verhalten sich meist clever, teilen sich auf, versuchen uns in die Flanke zu fallen und schießen äußerst genau. Bereits auf dem Mittleren der drei Schwierigkeitsgrade sehen wir besonders bei Missionen häufiger die Bodentexturen aus der Nähe, als uns lieb ist. Wie bei Assassin’s Creed Unity gilt, wer stur der Handlung folgt und sich nicht um Verbesserungen sowie neue Ausrüstung und Waffen kümmert, muss den einen oder anderen Frustmoment überstehen. Es empfiehlt sich also Gegner zu durchsuchen, Kisten zu plündern und Tiere auszuweiden, um sich beispielshalber neue Waffengurte herzustellen und dementsprechend weitere Hauptwaffen tragen zu können.
Es gibt zudem nichts ärgerlicheres, als plötzlich durch eine Meldung darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass Inventar oder Geldbörse voll sind. In solchen Momente werden wir, genau wie in Far Cry 3, zum Jagen aller möglichen Tierarten gezwungen, egal ob Königtiger, Nashorn oder Tapir. Während dieses Thema bereits im Vorfeld für einige Diskussionen bei Tierschutzorganisationen gesorgt hat, geht Ubisoft noch einen Schritt weiter. Innerhalb einer Arena können wir gegen Tiere wie auch Menschen im Kampf antreten. Ob man das gutheißt, muss jeder Spieler für sich entscheiden.