Als Phönix aus der Asche stieg Final Fantasy XIV: A Realm Reborn vor bald zwei Jahren aus dem Trümmerfeld auf, welches sich Square Enix mit der Ursprungsversion des MMORPGs selbst schuf. Rettung brachte erst Chefentwickler Naoki Yoshida, der die Zügel 2012 in die Hand nahm und es beim exklusiven Anspielevent der neuen Erweiterung Heavensward im französischen Schloss Chateau de Challain kaum scheute zuzugeben, dass sein Wort in Tokyo noch immer den Ton angibt und den Widerspruch des Managements verstummen lässt. Auch wenn die Ikone der Spieleentwicklung an diesem Tag im Adelssofa vor dem Kamin zwischen dunklen Holzverkleidungen und unter hohen Decken zu thronen scheint, sucht man Eitelkeit vergebens – und das schlägt voll auf Heavensward durch. Die Erweiterung als Ergebnis harter Arbeit und Bodenständigkeit ist bereit, auf dem Markt einzuschlagen – und braucht keine leeren Versprechen.
Kurz und auf einen Blick: Die Haupt-Neuerungen
► Anhebung der Maximalstufe von 50 auf 60
► Neue Skills für alle Klassen
► Mehr als 50 Stunden beim Spielen der Hauptstory
► 1 neue Rasse: Au Ra
► 3 neue Job-Klassen: Dunkelritter, Maschinist, Astrologe
► 9 bis zu doppelt so große Gebiete inklusive Stadtstaat Ishgard
► Neue Dungeons, Prüfungen, Quests und Raid Alexander
► Flugreittiere in der offenen Welt und Luftschiffe
► Crafting-Spezialisierungen und neue Handwerksrezepte
Unser Eindruck vom exklusiven Event in Frankreich
Abonnenten von Final Fantasy XIV wissen spätestens seit den immer neuen Updates, was sie von Square Enix erwarten dürfen und wie es um die virtuelle Welt Eorzea steht. Die insgesamt mehr als eine Stunde langen Zwischensequenzen des großen Finales von A Realm Reborn haben die Helden zum Spielball eines Putschs im Kaiserpalast degradiert. Wie sie wieder von Gesuchten zu Helden werden, lässt Square Enix offen. Kein Weg führt sie aber vorbei an der neuen 50 Stunden langen Hauptgeschichte von Heavensward, in welcher sie in den Kampf gegen die Drachen ziehen und damit gegen Feinde antreten, von denen man als von unzähligen Fantasy-Geschichten gebeutelter Videospieler eigentlich nichts mehr sehen oder hören möchte. Auch die Angst ist berechtigt, dass das Storytelling wieder mit einer merkwürdigen Mischung aus unvertonten und eingesprochenen Dialogen den Zeitgeist verschläft. Das Problem, das merkt man während der Anspielsession im Chateau allen Mitarbeitern von Square Enix an, ist hinlänglich bekannt. Damit könnte in Heavensward alles besser werden. Zumindest Naoki Yoshida kommt bei der Frage nach seinem persönlichen Highlight der Erweiterung ins Schwärmen von den neuen Ereignissen in Eorzea und lockt neue und alte Spieler mit dem Versprechen, dank der Story zunächst besonders schnell an gute Ausrüstung zu kommen, in den Kampf gegen die Drachen.
Wie viele Monate und Jahre Square Enix vergehen lässt, ehe die Drachen Geschichte werden, soll das Feedback der Spieler bestimmen. Damit lassen die Entwickler ebenso offen, in welche Richtung sich der neue und vierte große Stadtstaat Ishgard entwickelt. Die von dem über ein Jahrtausend währenden Krieg gegen die Drachen niedergeschmetterte Metropole ist längst kein Ort der Freude mehr und in der Hand der Armut. Ishgard bringt das mit kontrastarmen, schneebedeckten Festungsmauern zum Ausdruck. Fans, die nach den farbenfrohen und blühenden Landschaften in den bekannten Gebieten zurecht die neue Düsterheit in Heavensward und den Verlust der altbekannten Atmosphäre fürchten, haben aber nur bedingt Grund zur Sorge. Nicht umsonst vermarktet sich das Add-on in Japan mit dem Titel „Die blauen Himmel von Ishgard“. Die Gameplay-Demo zeigt neben schneebedeckten Landschaften ebenso weite Seen, blühende Wiesen und fliegende Inseln. Im Umkehrschluss müssen Fans der dunklen Atmosphäre, wie es sie wohl vor allem unter Rollenspielern in Nordamerika und Europa gibt, Abstriche machen. Ein Housing-Viertel hinter den vereisten Mauern Ishgards wird es anders als in den bestehenden Stadtstaaten etwa vorerst nicht geben. An Ideen mangelt es Square Enix zwar nicht, aber es warten andere Baustellen. Diese liegen nicht nur in der Entwicklung neuer Features, sondern auch am bestehenden Housing, dessen bereits verkaufte Immobilien von ihren Eigentümern unbewohnt zurückbleiben und damit Platz rauben.
Während das Housing aus allen Nähten platzt, schweift der Blick in den neun neuen Gebieten ins beinahe Unendliche. 1,5- bis 2-mal so groß wie ihre Vorgänger sind sie geworden. Größenwahn mag Entwicklern aber gerne und oft teuer zu stehen kommen. Lehren wie diese mussten etwa Trion Worlds ziehen, als sie die Spieler von RIFT auf riesige Kontinente, aufgebaut auf einem grässlichen felsigen Einheitsbrei, entsandten. Square Enix scheint dieser Fehler gemessen an den zwei angespielten Gebieten nicht zu unterlaufen. Das westliche Hochland von Coerthas steht seinem im Basisspiel enthaltenen Gegenpart weiter östlich zwar an Kargheit in nichts nach, den Grafik- und Wettereffekten aber gelingt in beiden Fällen ein gutes Stimmungsbild. Zwar steht nicht außer Zweifel, dass durch die Größe der Karten die Liebe zum Detail auf Kosten weiter Landstriche in Teilen verloren geht. Die Suche nach dem hier vermeintlich gemachten Designfehler aber geht Hand in Hand mit der Freude an den neuen Flugreittieren.
Sogar den aus der Collector’s Edition von ARR bekannten Fat Chocobo lassen die Entwickler trotz massiven Übergewichts abheben. Das lässt kaum Raum für dichte Wälder oder meterhohe Baumkronen, die die Flugroute versperren dürften. Wir sind gespannt, ob man einen Pflanzen-Overkill, wie man ihn aus den Wäldern Gridanias kennt, in den anderen neuen Zonen noch erwarten darf. Falls nicht, wäre das ein Verlust. Wohlgemerkt obwohl der Aufstieg in die Lüfte Freude bereitet und reibungsloser nicht sein könnte. Ein Doppelsprung genügt, um den Boden unter den Füßen zu verlieren und Reiter am Boden mit doppelter Geschwindigkeit hinter sich zu lassen. In der Rolle der lahmen Schnecke wird sich zu Beginn aber jeder Spieler wiederfinden. Erst nach ihrer Erkundung am Boden kann eine Zone vom Himmel herab bestaunt werden. Die Frage nach dem tieferen Sinn des Fliegens bleibt wie auch in anderen MMORPGs unbeantwortet. Es geht um Bewegungstempo und die Freiheit, sich in alle Richtungen zu bewegen. Diese Freiheit schafft gerade auf dem fliegenden Kontinent ein neues Spielgefühl, weil aus der flachen Welt plötzlich ein wahrer Abenteuerpark aus verschiedenen Ebenen wird.
Wer den Gedanken weiterspinnen will, kann hoffen, dass uns die Entwickler mit einem späteren Add-on berittene Kämpfe oder Luftkämpfe bieten. Dem angestaubten PvP käme das zu Gute. Weder die Wolfsarena, noch die auf offener Eben ausgetragenen Mehr-Parteien-Kämpfe bringen FFXIV bislang dem Titel näher, sich PvP-MMORPG nennen zu dürfen. Auch Heavensward setzt nur auf eine neue Frontline-Arena. Das Langsame, das Behäbige, ja das Träge, das dem Kampfsystem von FFXIV mit seinen teils langen Castzeiten anhaftet, wird damit nicht in Luft aufgelöst und steht einem erfolgreichen PvP auch weiter im Wege. Es scheint daher so, als reiche Square Enix das neue PvP-Stück mal eben mit, weil es so sein muss. Das ist verständlich, nun da der PvP-Markt abseits großer Massenschlachten à la Black Desert oder Guild Wars 2 an MOBAs verloren gegangen ist. Das aber ist nicht so zu verstehen, als könnte Final Fantasy XIV der Befreiungsschlag mit Innovation nicht gelingen. Je mehr Zeit verstreicht, desto schlechter aber stehen die Karten. Vielleicht steht PvP der Marke Final Fantasy aber auch einfach nicht.
Im PvE machen Naoki Yoshida und sein Team dafür weiter einen hervorragenden Job. Trotz der vorhandenen Klassenvielfalt ist der Ideenreichtum der Japaner noch lange nicht verloren gegangen. Gleich drei Jobs, die als eigenständige Klassenspezialisierungen zu verstehen sind, liefert man nach. Freilich fehlt es keiner von ihnen an Individualität. Gutes Beispiel ist der Astrologe als Heiler- und Supportklasse, die per Skill zufällig einen von sechs Effekten aus ihrem Deck zieht und diesen frei Schnauze auf sich oder ein Mitglied der Gruppe anwenden kann. Für den gezogenen „Speer“ etwa sichert der Astrologe verringerte Castzeiten. Kommt der Effekt nicht gelegen, wandert die Karte entweder bis zum Ablauf der Abklingzeit bis zur nächsten gezogenen Karte auf den Deckstapel oder wird geopfert, um den nächsten Effekt zu verstärken. Ab und an darf auch direkt neu gezogen werden. Das fordert taktische Voraussicht und macht den Astrologen einzigartig, zumal er dank verschiedener Grundhaltungen entweder einen stärkeren Fokus auf Schaden oder Heilung legt und damit flexibel ist. Ähnlich kurz verläuft beim neuen Maschinisten die Suche nach Besonderheiten. Mit Schussgewehren bewaffnet ist er auch verantwortlich für die Platzierung von Türmen, wahlweise zum Beispiel mit Gruppen- oder Einzelschaden. Auch der neue Dunkelritter macht trotz Großschwert als Tank eine gute Performance. Zweifel, ob das mit dem Balancing bei dieser Vielfalt noch lange gut gehen kann, räumt Naoki Yoshida aber aus. Solange die Grundkonstellation aus einem Tank, einem Heiler und zwei Damage Dealern in einer Gruppe stabil bleibt oder in diesem Verhältnis skaliert wird, kennt Square Enix dank seiner internen statistischen Richtwerte keine Grenzen. Viel Neues dürfte also auch in Zukunft folgen.
Gerade weil sich die Klassen in ihrem Spielstil, nicht aber in ihrer Stärke unterscheiden, warten auch in den acht neuen Dungeons nicht sonderlich große Überraschungen. Egal ob im Kampf gegen ein riesiges Buch oder gegen Drachen verschiedenster Art: Weiterhin gelten die Instanzen als Casual Content für alle Spieler. Sie unterhalten weniger mit Herausforderung als mit Abwechslung bei der Gestaltung der Monster und Landschaften, wobei der düstere Stil von Heavensward in einer dunklen Bibliothek voll zur Geltung kommt. Wie A Realm Reborn behält sich die Erweiterung vor, die Gruppen vor allem in den Raids wipen zu lassen. Ort des Geschehens ist die mechanische Festung Alexander, die das System der Bahamut-Raids aufgreift und den Durchmarsch zerstückelt. Spieler begeben sich also in relativ kurze Schlachtzüge und schalten so den jeweils nächsten Flügel für die Inhaltssuche frei. Allerdings öffnet sich Alexander erst zwei Wochen nach Release – offiziell, um die Abenteurer zu entschleunigen und zur Erkundung von Heavensward zu motivieren. Wiederum erst zwei Wochen später folgt der schwierige Savage-Mode.
Damit der Duty Finder in FFXIV in allen Bereichen Neues bietet, schießt Square Enix außerdem zwei Primae-Kampfe zu. Während Bismarck schon Spielern von FFVI ein Begriff ist, stößt mit Ravana erstmals ein FFXIV-exklusiver Primae hinzu. Beide Gegner erwarten euch im Normal- und Hardmode. Bekanntlich haben vor allem die schwereren Modi von Final Fantasy XIV Frustpotenzial, wenn an einem Boss wieder einmal kein Vorbeikommen möglich ist. Immerhin beim Loot beseitigt Square Enix traurige Gemüter mit der Einführung eines Lootmaster-Systems. Auf Wunsch können Spieler damit einen Verantwortlichen festlegen, welcher Loot nach abgesprochenen Regeln vergibt. So bekommt etwa auch ein Heiler die Chance auf einen Tankhelm, wenn er diesen unbedingt für seine anderen Klassen benötigt.
Übrigens setzt das Online-Rollenspiel auch in der offenen Welt auf Nachschub. Nicht nur in Form neuer Quests, sondern auch mit neuen Feinden für die Jagd und vor allem durch neue FATEs. Die öffentlichen Events spielen sich allerdings nicht gänzlich anders als ihre Vorgänger, wie man schnell bemerkt. Grinding ist wieder an der Tagesordnung, was FATEs vor allem zum Instrument des Auflevelns macht. Immerhin soll es größere FATEs geben, die die ganze Zone einbinden. Das scheint vielversprechend zu werden. Insbesondere dann, wenn man an einem Event teilnimmt und von allen Seiten Hilfe auf ihren Flugreitieren anrücken sieht.
Während sich alle Klassen mit neuen Skills und erstmals mit Job-eigenen Limit Breaks durch FATEs und Dungeons prügeln, haben Sammler und Handwerker auf Wunsch ein noch immer ruhiges Leben in den Städten und Sammelgebieten. Die reinen Sammelberufe erhalten erstmals ein neues „Favor-System“, mit welchem sie ungekannte Sammelpunkte entdecken können. Die Handwerker, wie etwa die Alchemisten, haben mit allerhand neuen Ressourcen und Rezepten zu tun. Kompliziert wird es für die Spieler, die sich in allen Berufen austoben. Unter ihren Handwerkerberufen können sie nur drei Spezialisierungen wählen und damit mit ihnen Zugriff auf neue Aktionen erhalten. Viel verraten hat Square Enix hier nicht, allerdings kann weiterhin in allen Disziplinen Stufe 60 erreicht werden. Auch können Spezialisierungen geändert werden – gegen eine Gegenleistung, versteht sich.
Die eigentliche Neuerung des Craftings besteht in dem Bau von Luftschiffen. Freie Gesellschaften können arbeitsteilig Materialien sammeln, verarbeiten und letztlich an den Einzelteilen des Schiffs schrauben. Das Schiff selbst kann dann auf Reise geschickt werden. Dabei besteht ein Grundmaß an Individualisierbarkeit, weil ein auf Geschwindigkeit ausgelegtes Schiff beispielsweise mehr Treibstoff verbraucht. Den Bedarf beim Bau zu stemmen sollte vor allem für größere Gilden kein Problem sein. Aber auch kleinere Gilden können von dem Feature profitieren, indem sie Einzelteile beispielsweise über den Markt beziehen oder sich die nötige Zeit nehmen, ihr Schiff selbst zu bauen.