Heavensward ist fast da! Zumindest Vorbesteller dürfen sich bereits in die neuen Abschnitte der Welt Eorzea begeben und unendliche neue Abenteuer erleben. Doch das Ganze hat einen Haken: Um die Erweiterung spielen zu können, braucht es nicht nur das Basisspiel Final Fantasy XIV, sondern auch einen Durchmarsch durch die mit Hunderten Missionen aufgeblähte Hauptgeschichte. Einschränkungen aber sind keine gute Werbung für ein neues Produkt. Also verschenkt Square Enix gleich zum Release Gratis-Rüstungen der Stufe 120 – ein Fehler im Gamedesign als Antwort auf einen Fehler im Gamedesign.
Infobox: Worum geht es hier?
Mit Heavensward erscheint am 23. Juni 2015 die erste Erweiterung zum MMORPG Final Fantasy XIV, welches am 27. August 2013 unter dem Kampagnennamen A Realm Reborn in überarbeiteter Version aus der Versenkung wiederkehrte.
Zu den Kernelementen von Heavensward zählen
– über 50 Stunden voller neuer Inhalte in der Hauptgeschichte,
– die Anhebung der Maximalstufe von 50 auf 60,
– die neue Rasse Au Ra,
– die 3 Job-Klassen Dunkelritter, Maschinist und Astrologe,
– 9 neue Gebiete in der offenen Spielwelt,
– 2 neue Primae-Bosskämpfe,
– zahlreiche neue Dungeons mit verschiedener Schwierigkeit,
– der in mehrere Phasen unterteilte Raid Alexander,
– fliegende Reittiere,
– neue Rezepte und Spezialisierungen im Crafting,
– […]
Um in den Genuss dieser Inhalte zu kommen, müssen Besitzer von Final Fantasy XIV nicht nur das Grundspiel erwerben und einen Charakter auf die bisherige Höchststufe von 50 bringen, sondern auch die mit unzähligen Missionen und (überspringbaren) Zwischensequenzen gespickte Hauptgeschichte durchleben. Mit dem einigermaßen gestärkten Charakter geht es dann in die neuen Zonen von Heavensward.
Damit es Rückkehrer nicht zu schwer haben, vergibt Square Enix an einige Spieler 10 silberne Chocobofedern, für welche sie Ausrüstung der Gegenstandsstufe 120 erhalten. Zwar hatte Square Enix bereits in der Vergangenheit den Zugang zu der eigentlich sehr guten Ausrüstung erleichtert, dennoch führte der Weg an unzähligen Dungeons oder der Bekämpfung von Raidbossen nicht vorbei. Das sollen die am Programm Teilnahmeberechtigten sich ersparen. Voraussetzung ist, sich während des Programmzeitraums (23. Juni – 23. Juli 2015) einzuloggen.
Wer ist berechtigt zur Teilnahme:
Spieler, die vor dem 31. März 2015 ein aktives Konto besessen haben und sich zwischen Mittwoch, dem 1. April 2015, und Sonntag, dem 7. Juni 2015, nicht eingeloggt haben.
Einschätzung: Fehler im System
Wenn FFXIV-Chefentwickler Naoki Yoshida von seinem Onlinespiel und dessen Erweiterung ins Schwärmen kommt, dann nimmt die Hauptgeschichte einen großen Teil der Redezeit in Anspruch. Heute ist eine solche Leidenschaft, wenn es um die Story von MMORPGs geht, nicht annähernd so selten wie es in der Vergangenheit der Fall war. Spiele wie The Elder Scrolls Online – und auch Final Fantasy 14 – haben hierzu ihren Beitrag geleistet. Das aber heißt noch lange nicht, dass ein überragender Teil der Spieler die Hauptmissionen als prägendes Element ihres Spielerlebnisses sehen. Dungeons, Raids oder das Crafting dominieren den Alltag. Jetzt scheitert der direkte Zugang zu Heavensward ausgerechnet an der Story als Hindernis und es ist ein langer Atem nötig.
Sie ist es auch, die als roter Faden in das Endgame führt. Einige Dungeons erfordern einen gewissen Story-Fortschritt. Je weiter Abenteurer kommen, desto besseres Equipment müssen sie mitbringen, um eine Instanz betreten zu dürfen. Das macht es eigentlich erforderlich, sich immer wieder durch Dungeons zu schlagen und die Rüstungsteile zu erspielen. Genau diese Arbeit erspart Square Enix mit seinem Geschenk. Wer am Programm teilnimmt, wird auf keine Hürden stoßen. Niemand wird sich an einem Punkt der Story wiederfinden, an dem die Fortsetzung an einem zu niedrigen Item-Level scheitert. Ausgerechnet bei der Veröffentlichung einer neuen Erweiterung wird die Story zum Fehler im Gamedesign und blockiert. Der Griff zur geschenkten Ausrüstung als Mittel der Wahl aber ist eine fragwürdige Lösung, denn sie hat in einem Spiel wie FFXIV keinen Platz, ist also eher ein Ausdruck der Verzweiflung.
Erweiterungen in der MMO-Welt haben ohnehin den Ruf, den persönlich erreichten Fortschritt abzuwerten. Es ist Entwicklern unmöglich, neue Gebiete so zu gestalten, dass nur die Spieler mit der besten Ausrüstung eine Chance gegen die dortigen Monster haben. Insofern ist eine Erweiterung immer auch ein Mittel, das Gleichheit schafft und mit Blick auf das Leistungsprinzip unfair ist. Mit den geschenkten Rüstungen beflügelt Square Enix diesen Effekt und muss sich mehreren Kritikpunkten stellen:
1. Marketing, das in das Spiel eingreift.
Die meisten Unternehmen stellen für ihre MMORPGs ein Budget frei, das sie in Werbung investieren. Sei es in die Produktion eines Trailers oder die Buchung einer Werbefläche im Internet. Den Preis zahlen die Publisher mit ihren finanziellen Mitteln. Die geschenkten Rüstungen lassen das Budget unberührt. Den Preis zahlen Spieler, die in den letzten Wochen und Monaten viel Zeit investiert haben, (nur) um ihren Charakter auf Heavensward vorzubereiten – und plötzlich von einem neuen Belohnungsprogramm für ausgerechnet ehemalige Spieler erfahren.
2. Keine Lösung für das eigentliche Problem.
Fakt ist: Spieler müssen durch die Story marschieren, um Heavensward spielen zu können. Geschmackssache ist, ob man der Ansicht ist, dass Spieler die Story in einem Onlinegame spielen sollten oder nicht. Square Enix vertritt in dieser Frage wohl die erste Position, hat die Geschichte aber von vornherein so gestaltet, dass sie an Dungeons mit Ausrüstungsanforderungen knüpft und damit Lücken schafft, in denen Spieler nur durch die Story nicht mehr weiterkommen. Das ist das Problem. Mit der Kampagne für geschenkte Rüstunge erkennt Square Enix das Problem an, löst es aber nur für einen Monat auf diese knallharte Weise. Was ist mit den Spielern, die neu hinzukommen oder erst nach dem 23. Juli 2015 wiederkehren? Auch hierfür muss der Logik nach eine Lösung her.
3. Abwertung des Grundspiels.
World of Warcraft zeigt eindrucksvoll, dass es mit der Zeit schwierig wird, ältere Spielinhalte attraktiv zu halten. Mit der Veröffentlichung einer Erweiterung bewegt sich auch Heavensward in diese Richtung – und das obwohl die Inhalte von A Realm Reborn ohne Zweifel überaus sehenswert und fesselnd sein können. Die Kampagne führt diese Spieler aber im großen Bogen daran vorbei, sich ausführlich mit dem Spielerlebnis auseinanderzusetzen. Die Entwickler werten für Rückkehrer ihr eigenes Grundspiel ab, ehe dessen Inhalte überhaupt veraltet sind.
4. Fragwürdige Teilnahmebedingungen.
In Sachen Gleichheit und Fairness trifft Square Enix Gegenwind von gleich mehreren Richtungen. Angriffsfläche schaffen die Entwickler schon mit ihren fragwürdigen Teilnahmebedingungen. Einmal abgesehen davon, dass man auch Neueinsteigern das Maßnahmenpaket anbieten könnte, bleibt auch offen, wieso nicht gleich alle Rückkehrer und Aktiven die 10 eintauschbaren, silbernen Chocobofedern erhalten. Stattdessen knüpft die Aktion streng an den Zeitraum zwischen dem 1. April 2015 und dem 7. Juni 2015 an. Das hätte man sich schenken können.
5. Das ist doch nicht Final Fantasy XIV.
In den vergangenen knapp zwei Jahren habe ich Final Fantasy XIV nicht nur oft, sondern auch gerne gespielt. Kennengelernt habe ich ein Spiel, in dem man auch mal an seine nervlichen Belastungsgrenzen gehen muss, dafür aber umso glücklicher über das Erreichen seiner Ziele ist. Das macht sich bemerkbar beim endlosen Grinding für das nächste Waffenupgrade oder bei den immer wiederkehrenden Besuchen in Dungeons. Ganz zu schweigen, dass sich dieses Prozedere auch noch dann wiederholt, wenn man eine zweite Klasse oder einen Beruf spielen möchte. In diesem Sinne ist Final Fantasy 14 Arbeit und damit eigentlich immer schon Fan des oben genannten Leistungsprinzips gewesen. So passt die geschenkte Rüstung nicht zum eigentlichen Final Fantasy 14 – und auch nicht gerade in ein Abonnement-MMORPG, von welchem man ja den gleichen leichten oder schweren Gang für alle Spieler erwartet.
Und was bleibt?
Erst einmal beruhigen. Die Welt geht auch nicht unter, nur weil Square Enix Rüstungen verschenkt. Letztlich ist es im Einzelfall oft der Neid, der zum Ärger darüber führt, dass andere plötzlich etwas umsonst bekommen, wofür man selbst viel Zeit investiert hat. Faktisch aber stehen die aktiven Spieler nicht vor dem Ruin. Ihre erspielte Ausrüstung, die auch über dem Level von 120 liegen kann, nehmen sie ebenso mit wie die Erinnerungen an eine hoffentlich großartige Zeit in Eorzea.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass Square Enix eine derartige Aktion dennoch bitte nicht wiederholen mag. Es ist ein Eingriff in die natürlichen Aufstiege und Prozesse in der Spielwelt, auf den man schmerzlos hätte verzichten können. Als Marketing-Maßnahme funktioniert das. Eben diese richtet aber auch dann Schaden an, wenn man in Zukunft nicht mehr vor derart merkwürdigen Eingriffen bewahrt ist. Jede spontane Aktion, die zum Gefühl von fehlender Fairness führt, ist schließlich eine unangenehme Unberechenbarkeit. Lieber ist es, Square Enix überlässt die Geschicke in Eorzea ihrem natürlichen Lauf oder verändert die Substanz, in der sie das eigentliche Problem und die Ursache für die Einführung einer solchen Geschenk-Kampagne sieht.