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Final Fantasy XV: Ein fantastisches Kunstwerk?

Final Fantasy XV, nahezu eine Dekade haben bekannte Entwicklergrößen wie Tetsuya Nomura, Direktor und Charakterdesigner, sowie der spätere Produzent Hajime Tabata an diesem Kunstwerk gefeilt. Für ein Videospiel ist das eine sehr lange Zeit. Am 29. November 2016 wird das Spiel nun nach einem kurzfristigen Aufschub veröffentlicht. Doch trägt dieser Zeitumfang nun zur Qualität des Spiels bei? Was dürfen eingefleischte Fans und neue Spieler von Final Fantasy erwarten? Oder ähnelt der Titel gar einem Duke Nukem Forever, bei dem sich die Fans des Franchises sichtlich enttäuscht nach dem Release zeigten, der nach über 12 Jahren schlussendlich vollzogen wurde? An dieser Stelle gibt es direkt eine Entwarnung: Final Fantasy XV weist mit ca. 50 Spielstunden an Story und ca. 100 Stunden weiterer Gameplay-Elemente ein umfangreiches Kontingent auf, für das es zurecht viel Zeit benötigte. Im Verlauf des Spiels eröffnet sich eine einzigartige Sicht auf die Dinge dieser fantastischen Welt. Die Symbiose eines modernen und innovativen Kampfsystems, einer funktionierenden Figurenkonstellation, die den narrativen Elementen zu einem bemerkenswerten Hoch verhilft sowie das atemberaubende Umgebungs- und Leveldesign einer gigantischen Open-World, machen Final Fantasy XV zu einer einzigartigen Reise, die kein Spieler so schnell vergessen dürfte.

Wir möchten euch in unserem Erfahrungsbericht die drei Kernelemente (Gameplay, Figuren und Open-World) näher erläutern und erklären, warum sie so wichtig für jene Spielerfahrung sind, die wir mit Final Fantasy XV machen durften. Allem voran haben wir als spielende Individuen in unserem heutigen Zeitalter viel gesehen, der Spieler ist müde geworden und vom ständigen Einheitsbrei umgeben. Es fehlt die Innovation und entsprechende Spieleentwickler, die sich trauen etwas anders zu machen. Mit Tabata und Nomura haben wir unter anderem zwei Branchengrößen, die auf langjährige Erfahrungen zurückgreifen können. Und so wie das Franchise von Final Fantasy, haben auch sie sich in ihren Fertigkeiten weiterentwickelt, um schließlich ein neuartiges Gameplay-Konzept für Final Fantasy zu entwickeln.

Prinz Noctis und seine Freunde, die Figurenkonstellation

Die Entwickler bei Square Enix haben schon immer viel Wert auf eine fantastische Geschichte, einzigartige Figuren und Charaktere innerhalb ihrer Spielereihe gelegt. Mit Final Fantasy XV wollten sie dem Spieler erneut eine abenteuerliche Reise bieten. Allerdings setzt der neueste Ableger hier nochmal einen drauf. Der Spieler sollte einen Road-Trip mit seinen Freunden am eigenen Leibe erfahren. Im Mittelpunkt steht hier Prinz Noctis Lucis Caelum, der Sohn des Königs Regis, der seine drei Freunde um sich versammelt hat und von seinem Vater auf eine Reise abseits der Heimat Insomnia geschickt wird. Die Ereignisse schließen hier an den CG-Film „Kingsglaive: Final Fantasy XV“ an und verlaufen parallel, bevor sie zu einem bestimmten Zeitpunkt über die Geschehnisse des Films hinauslaufen.

Die Freundschaft zu Ignis, Gladiolus und Prompto bekommt im Verlauf des Spiels eine immer tiefgreifendere Bedeutung. Noctis und seine Freunde sind keine statischen Figuren, sondern durchlaufen eine ausgefallene Entwicklung im Laufe der Zeit. Diese Entwicklung spürt der Spieler vehement, da die Zeit im Regalia – dem vom König zur Verfügung gestellten Fahrzeug – sinnvoll genutzt wird, um immer wieder relevante Dialoge und Ereignisse ins Spiel zu verpacken, damit sich die Figuren weiter in ihrer Einzigartigkeit entfalten können.

Die Gefährten und ihre Individualität

Allem voran steht Gladiolus, der Schild des Königs, der es zu seiner persönlichen Aufgabe gemacht hat, Prinz Noctis mit allen Mitteln und Kräften zu beschützen. Der erfahrene Kämpfer wird Noctis im Verlauf der Reise immer wieder den Weg weisen und auch auf negative Aspekte des Prinzen zu sprechen kommen. Er ist essenziell für die Entwicklung der Figur Noctis, also die Entwicklung vom Prinzen zu einem wahrhaftigen König. In Bezug auf das Gameplay hat er sogar noch die Fähigkeit „Überleben“, wodurch er besondere Items von Gegnern erhält. Jede Figure hat diesbezüglich eine einzigartige Fähigkeit. Noctis angelt zum Beispiel sehr gerne und sorgt für Fische am Lagerfeuer beim Campen.

Ignis wird eine ganz besondere Rolle zuteil. Er gilt als taktisches Köpfchen der vier Streiter und ist stets besorgt um die Gesundheit des Prinzen. Er hat den absoluten Durchblick und die Fürsorge in Hinsicht des Prinzens erscheint herzerwärmend, da sie aufrichtig vermittelt wird. Beispielsweise übernimmt er das Kochen für die Gruppe, wenn sie abends an einem Lagerfeuer sitzen und den Tag ausklingen lassen. 

Der Vierte im Bunde ist Prompto. Ein zu Anfang aufgedreht wirkender Schwächling, der im Gegensatz zu Noctis nicht adliger Abstammung ist, ihn jedoch immer wie einen normalen Bürger behandelt hat und den Prinzen nicht auf ein Podest hob. Wie jeder andere ist auch er mit einer Fähigkeit ausgestattet: dem Fotografieren. Deshalb werden auf der Reise der vier Freunde seinerseits stets Fotos geschossen, was sich an bestimmten Eckpfeilern auch auf das Gameplay und etwaige Nebenquests auswirkt. Im Verlauf der Geschichte stellt sich jedoch heraus, dass Prompto alles andere als ein Schwächling ist. Er beweist Noctis seine Kraft und durchläuft dabei eine rege Entwicklung. 

Von Freundschaft und Verbundenheit

Relevant bei den Figuren ist, dass der Spieler durch die narrativen Formen das Maximum an Verbundenheit zu allen vier Charakteren in dieser Spielzeit aufbauen kann. Ob es die bedingungslose Liebe von Prinz Noctis zur Kannagi Lunafreya ist, das Vertrauen, das Prompto uns mit seiner entfalteten Stärke entgegenbringt, die Fürsorge von Ignis oder die brüderliche Art und Weise, wie ein Gladiolus mit uns als Spieler umgeht, die Immersion in Hinsicht auf die Geschichte eines Videospiels könnte an dieser Stelle nicht höher sein.

Zudem hielten die Entwickler ihr Wort. Obgleich Final Fantasy XV in seinen Grundfesten einer fantastischen Reise mit seinen Freunden gleicht, werden in diesem Kunstwerk tiefgehende und schmerzvolle Emotionen vermittelt, die dem Spieler schließlich zur Katharsis verleiten. FFXV ist demnach nichts für zartbesaitete Gemüter.

Magie, Zauber und Kommandos

Final Fantasy ist für seine Zauber und Magie bekannt. Erstmalig können wir als Spieler unsere Zauber selber zusammenbrauen – in etwa wie ein Alchemist. Über den entsprechenden Reiter können wir elementare Magie, die wir zuvor in der freien Welt eingesammelt haben, in einem bestimmten Verhältnis zusammengeben und somit eigene Zauber erstellen. In Kampfsituationen fühlt sich die Magie nicht mehr so allgegenwärtig an, wie etwa in vorangegangenen Teilen. Sie ist seltener, da im Durchschnitt ca. drei Einheiten des Zaubers beim Anmischen entstehen, aber dafür schlägt die Magie ein wie eine Bombe. Die grafische Inszenierung hierbei ist sehr detailliert.  Und das ist nur eines der Features, die für das neue Kampfsystem vorgesehen waren. 

In Kampfsituationen steuert ihr, genauso wie im Rest des Spiels, den Hauptprotagonisten Noctis. Allerdings könnt ihr Ignis, Gladiolus und Prompto Befehle erteilen mittels sogenannter Kommandos. Dafür muss sich lediglich der entsprechende Kommandobalken aufgefüllt haben. So entstehen abwechslungsreiche Kämpfe, die nicht zuletzt durch individuelle Kombos der vier Streiter unterschiedlicher nicht sein könnten.

Bestien, Siecher und das AXB-Kampfsystem

Ein essenzieller Unterschied zu anderen Final Fantasy-Spielen ist die Art der Begegnungen mit euren Feinden. Die Bestien, Siecher oder Einheiten des Imperiums treten gefühlt seltener auf, doch dafür wirkt ein Kampf umso schwergewichtiger. Das mag womöglich auch daran liegen, dass einige Feinde in etwa 20 Mal so groß sind wie eure vier Kämpfer.

Bekannte Monster, wie ein Behemoth oder ein Morbol, sind da noch die kleineren Begegnungen. Der Spieler bekommt hier wirklich das Gefühl, gegen eine Übermacht anzutreten, wo schlussendlich viel Kopf und taktisches Agieren vonnöten wird. Wo früher in älteren FF-Ablegern noch das bekannte ATB (Active Time Battle) Verwendung fand, spüren wir hier den sinnvollen Umschwung auf ein eher actiongeladenes Kampfsystem. Das sogenannte AXB (Active Cross Battle) sieht vor, dass ein Kampf überall zu jederzeit anfangen, beendet und stattfinden kann.

Beam me up, Scotty

Der größte Unterschied zu anderen Teilen des Franchises und auch zu anderen Spielen ist mit Sicherheit die Möglichkeit des Warpens und der Telekinese. Noctis hat die einzigartige Fähigkeit, mit einer seiner Waffen einen Warp-Angriff auszuführen. Dazu gibt es in den Kämpfen zumeist Warp-Punkte, zu denen ihr euch teleportieren könnt. Hier dürft ihr nicht nur schneller eure LP und MP wiederherstellen, sondern von dort aus auch noch einen verheerenden Angriff ausführen, der euren ausgeteilten Schaden vervielfacht.

Damit habt ihr die absolute Bewegungsfreiheit in den Kämpfen und werdet zum Herr des Schlachtfeldes. Außerdem verfügt Noctis über die sogenannten Königswaffen, die im Spiel zusammengesucht werden müssen. Sie verfügen allesamt über einen eigenen Kampfstil und Fähigkeiten.

Zauberhafte Welt: Eos

Neben den Figuren, der Geschichte und dem beeindruckenden Kampfsystem zählt noch ein wichtiger Punkt in das Gesamtkonzept von Final Fantasy XV – die fabelhafte Welt von Eos. FFXV findet gänzlich in Eos statt. Die Welt ist unterteilt in die Nationen Lucis, Niflheim, Tenebrae, Solheim und Accordo.

Die geschichtlichen Ansätze sollten sich hier im späteren Design der Umgebungen und den Dungeons widerspiegeln. Da alle Nationen bis auf Niflheim, im Besitz magischer Kristalle waren, sollte die Magie ein Teil der Nationen werden. Obgleich alle Kristalle im Krieg eines Tages verloren gingen und auch der letzte Kristall in Lucis durch das Imperium in Gefahr schwebt, so steht Niflheim im maschinellen Kontrast zu anderen Nationen. Ohne Magie legten sie mehr Wert in die Entwicklung von tödlichen Maschinen.

Open-World der Superlative?

Bemerkenswert hierbei ist eine gigantische Open-World, die komplett zu erkunden ist – die sogar mit etwaigen Nebenquests versehen wurde – und in ihrer Größe einzigartig im Vergleich zu anderen Open-World-Titeln erscheint. Dem Entdeckerherz sind hier keine Grenzen gesetzt, ob ihr zu Fuß, auf dem Chocobo oder mit dem Regalia unterwegs seid. Die vermittelten Eindrücke der Levelstrukturen suchen wahrlich ihresgleichen.

Insgesamt verspricht uns Final Fantasy XV mit all seiner Vielfalt ein hohes Maß an Abwechslung in der Gestaltung der Welt. Künstlerisch angehaucht wirken nicht nur die Großstädte, wie Altissia (Hauptstadt von Accordo) und Insomnia, sondern auch weite Wüsten- und Schneelandschaften, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Spieler hat neben einem natürlichen Tag- und Nachtwechsel sogar einen reellen Einfluss auf die Umgebung.

Die Magie, die seitens Noctis ausgeht, ist so aufwendig animiert, dass sie Areale zum Teil gänzlich mit Eis, Feuer oder donnernden Blitzen bedeckt. Insbesondere die Beschwörungen der Götter, die sich in äußersten Notsituationen zur Hilfe rufen lassen, lassen das Leveldesign wortwörtlich explodieren. Wenn Ramuh beispielsweise eingreift, dann ist die gesamte Umgebung kurzzeitig dynamisch verändert. In Bezug auf die Bestia, GFs und Espa gab es hier eine sichtliche Weiterentwicklung der spielerischen Übermacht, die es schon seit den anfänglichen Stunden von Final Fantasy gibt.

Das alles wird durch die musikalische Untermalung der Komponistin Yoko Shimomura unterstrichen. Sie hat bereits in der Vergangenheit viel für Square Enix ausgearbeitet und wirkte bereits an dem Soundtrack zu Kingdom Hearts oder älteren Spielen wie Street Fighter II und Final Fight mit. Im Normalfall hat Nobuo Uematsu stets den Soundtrack für die FF-Spiele kompnoiert, aber Shimomura erscheint hier wie eine würdige Nachfolgerin.

Ben Brüninghaus

Hauptberuflicher Jedi-Meister, nebenbeschäftigt bei PlayCentral.de. Popkultur-Fetischist: Star Trek, Star Wars, alles mit „Star“, verspeist Spiele-OSTs zum Frühstück, Großmeister der Bärenschule. Inquisitor. Mag das Ende von Mass Effect.
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